Berufsrecht | Widerruf der Anerkennung einer GmbH als Steuerberatungsgesellschaft (FG)
Die mittelbare Minderheitsbeteiligung (40 %) einer berufsfremden niederländischen Holdinggesellschaft an einer inländischen Steuerberatungs-GmbH ist mit den Kapitalbindungsvorschriften des § 50a Abs. 1 StBerG unvereinbar und rechtfertigt den Widerruf der Anerkennung der GmbH als Steuerberatungsgesellschaft ().
§ 50a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 StBerG verstoßen weder gegen Gemeinschafts- noch gegen Verfassungsrecht; insbesondere rechtfertigt der Schutz der Steuerrechtspflege die durch diese Vorschriften bewirkte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit.
Sachverhalt: Die Klägerin ist eine GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 EUR, die seit 2006 als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt ist. Der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer StB A veräußerte 2006 Teilgeschäftsanteile (40 %) an die B mit Sitz in den Niederlanden. Alle Mitglieder des Geschäftsführungsorgans der B sind niederländische Steuerberater (Belastingadviseurs) und Mitglieder des niederländischen Berufsverbandes der Steuerberater „Nederlandse Orde van Belastingadviseurs” (NOB). Laut BMF sind Belastingadviseur, die Mitglied des NOB sind, mit dt. Steuerberatern vergleichbar.
Alleinige Gesellschafterin der B ist die Holdinggesellschaft (Houdstermaatschappij) B. Gegenstand der Holdinggesellschaft ist u.a. die Gründung von Beteiligung an, Finanzierung und Leitung von Gesellschaften, Betrieben und sonstigen Unternehmungen, die Aufnahme und das Verleihen von Geldern und im Allgemeinen die Tätigung von Finanzgeschäften, Gewährung von Garantien und das Erbringen von Dienstleistungen in den Bereichen Handel und Finanzen, Beratung von Gesellschaften, Betrieben und Unternehmungen, der Erwerb, Besitz und die Veräußerung von oder anderweitiges Handeln in Bezug auf alle Arten von Partizipationen und Beteiligung an anderen Gesellschaften, Betrieben oder sonstigen Unternehmen.
Der Geschäftsführer der Klägerin zeigte der beklagten Steuerberaterkammer die Übertragung der Teilgeschäftsanteile an. Diese teilte daraufhin mit, sie sei der Auffassung, die Beteiligung der B an der Klägerin stehe im Widerspruch zu der Kapitalbindungsvorschrift des § 50a Abs. 1 Nr. 1 StBerG und widerrief 2008 die Anerkennung der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft.
Dazu führt das FG weiter aus: § 50a Abs. 1 StBerG berührt jedoch die Kapitalverkehrsfreiheit im Sinne des Art. 63 AEUV. § 50a Abs. 1 StBerG ist geeignet, in einem anderen Mitgliedsstaat ansässige Unternehmen davon abzuhalten, eine Minderheitsbeteiligung an einer inländischen Steuerberatungsgesellschaft zu erwerben, weil infolgedessen die Anerkennung der Steuerberatungsgesellschaft zu widerrufen wäre.
Die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit ist jedoch gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt auch bei der Kapitalverkehrsfreiheit – über die in Art. 65 AEUV genannten Beschränkungen hinaus – eine Beschränkung der Grundfreiheit in Betracht, wenn sie im Allgemeininteresse liegenden Zielen dient. Ebenso wie bei der Niederlassungsfreiheit kann eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sofern sie geeignet ist, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
Bei der Prüfung der Rechtfertigung ist von entscheidender Bedeutung, ob und in welchem Umfang dem nationalen Gesetzgeber ein Wertungsspielraum verbleibt. Für den Bereich der Niederlassungsfreiheit hat der EuGH in der DocMorris-Entscheidung vom (NWB JAAAD-22309) das Fremdbesitzverbot des deutschen Apothekengesetzes als Maßnahme zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherung der Sozialversicherungssysteme als gerechtfertigt und verhältnismäßig angesehen und insoweit dem nationalen Gesetzgeber einen Wertungsspielraum hinsichtlich der Frage des Niveaus des Schutzes eingeräumt.
Die herausragende Bedeutung der Unabhängigkeit der Steuerberater wird zunächst durch die berufsrechtlichen Vorschriften deutlich. Gem. § 2 Abs. 1 der Berufsordnung der Bundesteuerberaterkammer (BOStB) ist der Steuerberater ein unabhängiges Organ der Steuerrechtspflege. Gem. § 2 Abs. 2 BOStB dürfen Steuerberater keine Bindungen eingehen, die ihre berufliche Entscheidungsfreiheit gefährden könnten. Gem. § 2 Abs. 3 S. 1 BOStB sind Steuerberater verpflichtet, ihre persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit gegenüber jedermann zu wahren. Gem. § 3 Abs. 1 BOStB sind Steuerberater verpflichtet, ihre Tätigkeit in eigener Verantwortung auszuüben; sie bilden sich ihr Urteil selbst und treffen ihre Entscheidungen selbständig. Sie können gem. § 58 S. 1 i.V.m. § 3 Nr. 3 StBerG ihre Tätigkeit (u.a.) auch als Angestellte einer Steuerberatungsgesellschaft ausüben. § 3 Abs. 2 S. 1 BOStB bestimmt dazu, dass die Tätigkeit eines angestellten Steuerberaters eigenverantwortlich ist, wenn sich der Steuerberater nicht an Weisungen zu halten hat, durch die ihm die Freiheit zu pflichtgemäßem Handeln genommen wird. Die Revision wurde zugelassen.
Quelle: NWB-Datenbank
Fundstelle(n):
HAAAF-15835