Umsatzsteuer | Rückwirkend geänderte Bemessungsgrundlage in sog. "Seeling-Fällen" (BFH)
Der BFH hat klargestellt, dass die rückwirkend zum geänderte Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertabgaben in sog. "Seeling-Fällen" unionsrechtskonform und verfassungsgemäß war (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. war die Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertabgaben grds. nach den bei der Ausführung entstandenen Kosten zu bemessen. Nach der damals einhelligen Auslegung des Begriffs der "Kosten" war dabei von den bei der Einkommensteuer zugrunde gelegten Kosten, d.h. von den nach Maßgabe der jährlichen AfA gemäß § 7 Abs. 4 EStG auf 50 Jahre zu verteilenden Herstellungskosten auszugehen. Für nach dem ausgeführte Umsätze hat der Gesetzgeber diese Regelung geändert. Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG n.F. bestimmt sich die Bemessungsgrundlage nun nach den entstandenen Ausgaben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG). Betragen diese mindestens 500 €, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG entspricht (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 UStG). Der Berichtigungszeitraum bei Grundstücken beträgt zehn Jahre (§ 15a Abs. 1 Satz 2 UStG), weshalb die unentgeltliche Wertabgabe grds. in Höhe von 10% der Gebäudeherstellungskosten anzusetzen ist.
Sachverhalt: Streitig war die Höhe der Bemessungsgrundlage der für die Jahre 2004 bis 2007 (Streitjahre) anzusetzenden unentgeltlichen Wertabgabe für die Privatnutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes. Das fragliche Gebäude wurde im Juni 2004 fertiggestellt. Die unternehmerische Nutzung des Gebäudes betrug 10,89% der Gesamtnutzfläche. Für die Streitjahre 2004 bis 2007 erklärte der Kläger für die Privatnutzung des Hauses eine unentgeltliche Wertabgabe. Als Bemessungsgrundlage der Privatnutzung setzte er in allen Streitjahren auf der Grundlage des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG in der bis einschließlich geltenden Fassung 1% der Herstellungskosten des Gebäudes an.
Hierzu führte der BFH weiter aus:
Ordnet ein Unternehmer ein privat und unternehmerisch (gemischt)genutztes Gebäude in vollem Umfang seinem Unternehmen zu, kann er in vollem Umfang den Vorsteuerabzug aus den Bauerrichtungskosten in Anspruch nehmen und hat für den privat genutzten Gebäudeteil eine unentgeltliche Wertabgabe zu besteuern (sog. Seeling-Rechtsprechung vor Inkrafttreten der Neuregelung in § 15 Abs. 1b UStG).
Die Änderung der Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe in diesen Fällen dahingehend, dass ab dem 10% der Herstellungskosten des Gebäudes über einen Zeitraum von zehn Jahren zugrunde zu legen sind, ist unionsrechtskonform und verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
Quelle: NWB Datenbank
Hinweis: Durch die Einführung des § 15 Abs. 1b UStG reagierte der Gesetzgeber (in Übereinstimmung mit der MwStSystRL) auf das in der Praxis beliebte „Seeling-Modell” und schob ihm einen Riegel vor. Für „Altfälle” bleibt es bei der alten Rechtslage: voller Vorsteuerabzug, im Gegenzug Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe; damit Finanzierungsvorteil. Für „Neufälle” (ab dem ) ist das „Seeling-Modell” nicht mehr möglich; das Abzugsverbot für Vorsteuern in Bezug auf die unternehmensfremde Nutzung ist zu beachten (s. hierzu Ramb, in NWB PAAAE-07611
Fundstelle(n):
EAAAF-12654