Kindergeld | Kein unmittelbarer Anspruch auf Kindergeld aus Unionsrecht (BFH)
Die Vorschriften des Titels II der VO Nr. 1408/71 begründen als Kollisionsregeln keinen unmittelbaren Anspruch auf Kindergeld aus Unionsrecht. Ein Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG besteht nur, wenn die mit dem Unionsrecht im Einklang stehenden nationalen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (; veröffentlicht am ).
Nationale Regelung: Nach § 62 Abs. 1 EStG hat Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) oder nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG).
Unionsrecht: Unter dem Titel II ("Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften") sieht Art. 13 ("Allgemeine Regelung") der VO Nr. 1408/71 vor: "(1) Vorbehaltlich der Art. 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel ..."
Sachverhalt: Der Kläger besitzt sowohl die deutsche als auch die polnische Staatsangehörigkeit. Er war vom bis zum und vom bis zum als Elektromonteur sozialversicherungspflichtig im Inland beschäftigt. Im Zeitraum von März 2005 bis April 2006 war er für seinen Arbeitgeber zur Ausführung von Aufträgen in Österreich tätig. Den Antrag auf Gewährung von Kindergeld für seine Kinder, die mit ihrer Mutter in der Familienwohnung in Polen leben, lehnte die Familienkasse ab, weil der Kläger weder einen Wohnsitz in Deutschland noch einen gewöhnlichen Aufenthalt nachgewiesen habe.
Hierzu führte der BFH weiter aus:
Die Vorschriften des Titels II der VO Nr. 1408/71 bezwecken, dass der Betroffene grds. nur dem System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats unterliegt, damit es nicht wegen der parallelen Anwendung mehrerer nationaler Rechtsvorschriften zur gänzlichen Versagung sozialen Schutzes oder zur Kumulierung von Ansprüchen kommt.
Sie stellen daher Kollisionsregeln dar und begründen keinen eigenständigen Anspruch auf Kindergeld.
Der EuGH hat mit seinem Urteil in Sachen Hudzinski und Wawrzyniak (EuGH, Utreil v. - Rs. NWB DAAAE-13933 entschieden, dass jeder Mitgliedstaat dafür zuständig bleibt, im Einklang mit dem Unionsrecht in seinen Rechtsvorschriften festzulegen, unter welchen Voraussetzungen die Leistungen eines Systems der sozialen Sicherheit gewährt werden.
Der EuGH geht daher davon aus, dass ein Anspruch auf Kindergeld nur besteht, wenn die nationalen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Diese sind im Streitfall nicht gegeben.
Quelle: NWB Datenbank
Anmerkung: Nach den Feststellungen des Finanzgerichts wurde der Kläger von dem zuständigen Finanzamt nicht auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, sondern nach § 1 Abs. 1 EStG zur Einkommensteuer veranlagt. Eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG schied daher aus. Der Umstand, dass das Finanzamt bei der Festsetzung der Einkommensteuer noch von einem inländischen Wohnsitz ausgegangen war und deshalb eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG angenommen hatte, entfaltete keine Bindungswirkung für die Kindergeldfestsetzung durch die Familienkasse.
Fundstelle(n):
ZAAAF-09738