BSG Beschluss v. - B 12 KR 27/15 B

Instanzenzug: S 13 KR 987/13

Gründe:

I

1In dem seinem Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) und der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Feststellung der beklagten AOK, dass in einer zum gemeldeten Tätigkeit als Maler und Lackierer für den Beigeladenen zu 1. keine Versicherungspflicht als Beschäftigter in den Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Die auf Aufhebung des Bescheides und Widerspruchsbescheides der Beklagten sowie Feststellung der Versicherungspflicht gerichtete Klage hat das abgewiesen; das LSG Rheinland-Pfalz hat die Berufung durch Urteil vom zurückgewiesen.

2Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG eingelegt, die dieser mit Schriftsatz vom begründet hat. Mit Schriftsatz vom hat der Kläger beantragt, ihm PKH für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen. Mit weiteren Schriftsätzen vom und hat der Kläger zur Beschwerdeerwiderung sowie zum Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Stellung genommen.

II

31. Der Antrag des Klägers auf Gewährung von PKH zur Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das ist abzulehnen.

4Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG ua nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die vom Kläger eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil nicht erfolgreich sein kann. Der Kläger hat PKH für eine von einem beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten bereits eingelegte und bis zum Ablauf der Begründungsfrist am bereits begründete Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt. Die Revision wäre daher nur zuzulassen, wenn mit dieser Beschwerde einer der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG genannten Zulassungsgründe in der gemäß § 160a Abs 2 S 3 SGG vorgeschriebenen Weise dargelegt wäre und (voraussichtlich) tatsächlich vorläge. Solche Erfolgsaussicht besteht hier nicht, weil die Beschwerde unzulässig ist (dazu unten 2.).

5Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist daher abzulehnen. Damit entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

62. Die unabhängig vom Antrag auf Bewilligung von PKH bereits eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG - auch unter Berücksichtigung ergänzenden Vortrags in den Schriftsätzen vom und - keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

7Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Dagegen ist die inhaltliche Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung kein Revisionszulassungsgrund.

8Der Kläger macht als Gründe für die Zulassung der Revision "die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Verstoß gegen die Denkgesetze und allgemeinen Erfahrungssätze sowie Verfahrensmängel" geltend.

9a) Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

10Der Kläger formuliert auf Seite 6 der Beschwerdebegründung die Frage,

"ob der hier geschlossene Arbeitsvertrag ein Scheingeschäft gem. § 117 BGB oder als rechtswirksam anzusehen ist".

11Damit erfüllt der Kläger die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge schon im Ansatz nicht (vgl hierzu exemplarisch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Denn der Kläger hat schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl allgemein - Juris RdNr 10; - Juris RdNr 10; - Juris RdNr 7). Vielmehr zielt die formulierte Frage ausschließlich auf die Anwendung des Rechts - hier des § 117 BGB - im konkreten Einzelfall. Dies zeigen auch die umfänglichen - wenn auch nicht erkennbar an den Darlegungserfordernissen aus § 160a Abs 2 S 3 SGG orientierten - Ausführungen des Klägers in der gesamten Beschwerdebegründung und den ergänzenden Schriftsätzen, die sich im Kern allein gegen die inhaltliche Richtigkeit des vom LSG gefundenen Ergebnisses richten. Hierauf kann jedoch - wie bereits oben erläutert - die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht zulässig gestützt werden.

12b) Die Begründung des Klägers erfüllt die Zulässigkeitsanforderungen der Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht bezüglich der von ihm geltend gemachten Verfahrensmängel. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSGE 2, 81, 82; 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

13aa) Der Kläger rügt - jedenfalls sinngemäß - eine unzureichende Sachaufklärung durch das LSG, weil dieses seinem im Termin vom gestellten Beweisantrag "auf Vorlage der Quittungen für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2012 nicht stattgegeben" hat. Diese Rüge wird jedoch nicht in einer Weise dargestellt, dass sich der Verfahrensmangel bei Zugrundelegung der Angaben der Beschwerdebegründung allein aus dieser schlüssig ergibt. Eine solche Rüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; - Juris RdNr 6 mwN). Insbesondere fehlt in der Beschwerdebegründung die notwendige Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aus der sich - aus Sicht dieser Rechtsauffassung des LSG und nicht aus Sicht der Rechtsauffassung des Klägers - die Klärungsbedürftigkeit eines durch Vorlage der Quittungen zu beweisenden, ebenfalls nicht ausreichend genau bezeichneten Sachverhalts entnehmen ließe. Aus diesem Grunde ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG auf einem in diesem Zusammenhang ebenfalls gerügten vermeintlichen Verstoß gegen richterliche Hinweispflichten ("§ 139 ZPO") beruhen könnte. Den Anforderungen an die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge genügt die Beschwerdebegründung folglich auch diesbezüglich nicht.

14Soweit der Kläger darüber hinaus rügt, das LSG habe es entgegen seinem Beweisantrag im Termin am ebenfalls versäumt, Beweis darüber zu erheben, "dass durch einen Sachverständigen festzustellen ist, wonach der Kläger am 15.09. und am arbeitsfähig war", genügt der Vortrag wiederum nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer Nichtzulassungsbeschwerde. Auch hierzu legt der Kläger nicht dar, dass dieser Sachverhalt auf Grundlage der auch bezüglich dieses Kontextes nicht wiedergegebenen Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich war.

15bb) Als weiteren Verfahrensmangel rügt der Kläger einen Verstoß des LSG gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Auch insoweit ist seine Beschwerde unzulässig. Ein solcher Verstoß bei der Feststellung des zu subsumierenden Sachverhalts gehört grundsätzlich zu den inhaltlichen Fehlern des Urteils und nicht zu den Verfahrensmängeln (vgl nur Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 449 mwN). Vor allem aber kann nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einer Entscheidung eines LSG ausdrücklich nicht auf einen solchen Verstoß gegen die freie Entscheidungsbildung des Gerichts bei der Urteilsfindung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) gestützt werden.

16cc) Da es sich nicht um einen Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (zu diesem Erfordernis s oben b) handelt, begründet auch der Vortrag zu einem vermeintlichen Verfahrensfehler des SG wegen Durchführung der mündlichen Verhandlung trotz ursprünglicher Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers nicht die Zulässigkeit der Beschwerde. Insbesondere legt der Kläger nicht dar, dass dieser vermeintliche Fehler des SG in zweiter Instanz fortgewirkt haben könnte und nicht - unterstellt hierin hätte ein Verfahrensverstoß des SG gelegen - mit der Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem LSG in Anwesenheit des Klägers geheilt worden ist.

173. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

184. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Fundstelle(n):
IAAAF-09106