Strafverfahren wegen Untreue: Strafzumessung bei langer Verfahrensdauer
Gesetze: § 46 Abs 1 StGB, § 267 Abs 3 S 1 StPO
Instanzenzug: LG Gießen Az: 2 KLs 701 Js 19815/09
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Untreue in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu jeweils 30 € verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2Der Strafausspruch hat keinen Bestand, denn die Ausführungen des Landgerichts lassen besorgen, dass es bei der für die Bemessung der Strafen erforderlichen Gesamtwürdigung aller für die Wertung der Taten und des Täters in Betracht kommender Umstände wesentliche mildernde Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hat.
3Die Strafkammer hatte schon nicht im Blick, dass zwischen den abgeurteilten Taten und dem Urteil sieben bzw. neun Jahre vergangen sind und dass eine solch lange Zeitspanne zwischen Begehung der Tat und ihrer Aburteilung einen wesentlichen Strafmilderungsgrund darstellt (vgl. Senat, Urteil vom - 2 StR 468/95, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zeitablauf 1 mwN). Daneben hätte das Tatgericht hier strafmildernd zu bedenken gehabt, dass auch einer überdurchschnittlich langen Verfahrensdauer eine eigenständige strafmildernde Bedeutung zukommt, wenn sie für den Angeklagten mit besonderen Belastungen verbunden ist (BGH, Beschlüsse vom 3 StR 173/09, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 20; vom - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 142). Ein großer zeitlicher Abstand zwischen Tat und Aburteilung sowie eine lange Verfahrensdauer und ihre nachteiligen Auswirkungen auf den Angeklagten stellen regelmäßig selbst dann gewichtige Milderungsgründe dar, wenn diese sachlich bedingt waren (, NStZ 2011, 651 mwN).
4Das Schweigen er Urteilsgründe hierzu legt nahe, dass das Tatgericht diese bestimmenden Milderungsgründe im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO in seiner Bedeutung verkannt hat (vgl. , NStZ-RR 2011, 171).
5Über den Strafausspruch ist daher neu zu befinden. Die ihm zugrunde liegenden Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen worden und können bestehen bleiben. Hierzu nicht in Widerspruch stehende ergänzende Feststellungen sind zulässig.
Appl Eschelbach Ott
Zeng Bartel
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
wistra 2016 S. 29 Nr. 1
CAAAF-07044