BFH Beschluss v. - VI R 1/15

Mindestanforderungen an die Revisionsbegründung

Leitsatz

Eine Revisionsbegründung entspricht nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen, wenn sie im Wesentlichen das angefochtene Urteil sowie das vorgerichtliche und erstinstanzliche Vorbringen des Klägers - weitgehend wortlautidentisch - wiedergibt und das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland bestreitet, sich jedoch nicht mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG und dem DBA auseinandersetzt.

Gesetze: EStG § 34 Abs. 1, EStG § 49 Abs. 1 Nr. 4a, FGO § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe a

Instanzenzug: ,

Tatbestand

1 I. Streitig ist, in welcher Höhe Arbeitslohn im Streitjahr (2008) nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu versteuern ist.

2 Der ledige Kläger und Revisionskläger (Kläger) war vom bis zum bei der X Deutschland AG, jetzt X Deutschland GmbH, in C als Vorstandsmitglied beschäftigt und hatte in diesem Zeitraum seine alleinige Wohnung in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland). Ab dem wechselte er zur Y Polska SA mit Sitz in der Republik Polen. Er gab zu diesem Zeitpunkt seine Wohnung in Deutschland auf und bezog eine Wohnung in D. Die X Deutschland GmbH und Y Polska SA sind Tochtergesellschaften der Z S.A. mit Sitz in der Schweiz, an deren Restricted Stock Units (RSU)-Plan der Kläger in den Jahren 2005 bis 2008 teilnahm. Im Rahmen dieses Aktienprogramms hat die Y S.A. dem Kläger jährlich die unentgeltliche Zuwendung —jeweils einer im Jahr der Zusage durch gesonderte Vereinbarung zu bestimmenden Anzahl— von Aktien der Gesellschaft zugesagt und nach Ablauf einer „Sperrfrist“ unentgeltlich zugewandt. Mit Zusage vom März 2005 wurden dem Kläger 300 Aktien der Z S.A. versprochen und am in sein Depot eingebucht. Ein Entgelt hat der Kläger dafür nicht entrichtet.

3 Da der Kläger im Zeitpunkt der Einbuchung der Aktien in sein Depot nicht mehr in Deutschland beschäftigt und wohnhaft war, erteilte X Deutschland GmbH dem zuständigen Finanzamt gemäß § 41c Abs. 4 EStG eine Anzeige über einen nicht durchgeführten Lohnsteuerabzug. Darin teilte sie mit, dass sich zum Zuflusszeitpunkt ein in Deutschland zu versteuernder geldwerter Vorteil wie folgt ergebe: 300 Aktien zum Kurs von . CHF ergebe einen Gesamtwert von . CHF, was bei einem Umrechnungskurs von 1 € = 1,5780 CHF einem Betrag von . € entspreche, somit einem geldwerten Vorteil im Inland von 17/36 = . €. Dieses Verhältnis errechnete sie aus einer monatsweisen Aufteilung des geldwerten Vorteils pro Jahr im Verhältnis der Ansässigkeit des Klägers in Deutschland und der Republik Polen.

4 Der Kläger ist Eigentümer einer in Deutschland belegenen Wohnung. Aus deren Vermietung erklärte er gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) in seiner Einkommensteuererklärung für beschränkt Steuerpflichtige betreffend das Streitjahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von . €. Weitere Einkünfte erklärte er nicht. Im Einkommensteuerbescheid 2008 vom setzte das FA die Einkommensteuer fest, indem es den Betrag in Höhe des o.g. geldwerten Vorteils in Höhe von . € und den erklärten Überschuss aus der Vermietung „aus programmtechnischen Gründen“ zusammengefasst als Bruttoarbeitslohn in Höhe von . € der Einkommensteuer unterwarf.

5 Seinen dagegen eingelegten Einspruch begründete der Kläger —u.a.— damit, dass der im Jahr 2008 zugeflossene geldwerte Vorteil aus dem RSU-Plan bereits im vollen Umfang in der Republik Polen versteuert worden sei.

6 Mit Einspruchsentscheidung vom setzte das FA die Einkommensteuer wegen anderer, hier nicht streitiger Punkte auf . € herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

7 Im Verlauf des Klageverfahrens hat das FA am einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2008 erlassen. Darin hat es unter Beibehaltung des Ansatzes von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein zu versteuerndes Einkommen von . € errechnet. Für dieses hat es ausweislich des Bescheides unter Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG eine Einkommensteuer in Höhe von . € berechnet. Nach Abzug von Ermäßigungen für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen hat es die Einkommensteuer sodann —aufgrund eines Programmfehlers rechtsfehlerhaft zu niedrig— auf . € festgesetzt.

8 Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 561 veröffentlichten Gründen abgewiesen.

9 Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG. Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Klageverfahren.

10 Er beantragt,

das und den Einkommensteuerbescheid 2008 —zuletzt— vom mit der Maßgabe zu ändern, dass Einkommensteuer in Höhe von 0 € festgesetzt wird.

11 Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe

12 II. Die Revision des Klägers ist unzulässig und daher durch Beschluss zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Der Inhalt der Revisionsbegründung entspricht nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen.

13 1. Nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO muss die Revisionsbegründung die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Dies erfordert, dass die erhobene Rüge eindeutig erkennen lassen muss, welche Norm der Revisionskläger für verletzt hält. Ferner muss der Revisionskläger die Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art angeben, die nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Denn er ist gehalten, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs von vornherein klarzustellen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom VI R 10/10, BFH/NV 2010, 1295, m.w.N.). Demgemäß muss sich der Revisionskläger mit den tragenden Gründen des finanzgerichtlichen Urteils auseinandersetzen und darlegen, weshalb er diese für unrichtig hält (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 1295, m.w.N.).

14 2. Diesen Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsverletzung wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht.

15 a) Der Kläger setzt sich nicht in der gebotenen Art und Weise mit den Entscheidungsgründen des Urteils des FG auseinander. Die Vorinstanz hat eingehend ausgeführt, warum der streitige Vorteil aus dem RSU-Plan —wie eine Option auf Aktien— als zukunftsbezogener Anreizlohn zu würdigen sei und das Besteuerungsrecht deshalb zeitanteilig der Republik Polen und Deutschland zustehe. Demgegenüber erschöpft sich das Vorbringen des Klägers in der Revisionsbegründungsschrift in der —weitgehend wortlautidentischen— Wiedergabe des angefochtenen Urteils sowie der Wiederholung seines vorgerichtlichen und erstinstanzlichen Vorbringens. Die Revisionsbegründung zielt im Übrigen ausschließlich auf die tatsächliche Würdigung des FG, dass der streitige Vorteil keinen Vergangenheits-, sondern einen Zukunftsbezug habe. Eine weitergehende Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der Vorentscheidung findet nicht statt. Der Kläger verkennt insoweit, dass eine ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Verletzung materiellen Rechts eingelegte Revision nicht in einer den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 FGO genügenden Weise ausschließlich mit Angriffen gegen die tatsächliche Würdigung durch das FG begründet werden kann, es sei denn, es werden Umstände bezeichnet, aus denen sich schlüssig ergibt, dass die vom FG in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen mit den Denkgesetzen oder mit allgemeinen Erfahrungssätzen unvereinbar sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom VI R 13/03, BFH/NV 2006, 1321, m.w.N.). Daran fehlt es hier. Insbesondere hat der Kläger nicht dargelegt, dass das FG die ihm gezogenen Grenzen bei der Würdigung des Sachverhalts in dem Sinne überschritten hätte, dass sie mit Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen unvereinbar sei, sich in Widersprüche verwickle oder nach den festgestellten Tatsachen das Ergebnis einer nicht nachvollziehbaren Schlussfolgerung des FG sei.

16 b) Darüber hinaus fehlt es an einer ausreichenden Darstellung der Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art, die das Urteil des FG nach Auffassung des Klägers als unrichtig erscheinen lassen.

17 Dem Vortrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, weshalb das Besteuerungsrecht für den streitigen geldwerten Vorteil, selbst wenn es sich um einen Gehaltsbonus für bereits in der Vergangenheit geleistete Dienste handeln sollte, der Republik Polen nicht nur anteilig, sondern in vollem Umfang zustehen soll. Das Vorbringen des Klägers erschöpft sich allein in dieser Behauptung, ohne sich mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG und dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom auseinanderzusetzen.

18 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 1591 Nr. 11
RAAAF-04541