BSG Beschluss v. - B 1 KR 48/15 B

Instanzenzug: S 9 KR 417/11

Gründe:

I

1Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Versorgung mit einer Mammareduktionsplastik (MRP) als Sachleistung bei der Beklagten und in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe im SG-Urteil ua ausgeführt, für das Vorliegen einer Funktionsstörung der Brüste bestehe kein Anhaltspunkt. Die Schwere der Brust rufe zwar Schulter-, Nacken- und Rückenbeschwerden hervor, die Klägerin sei aber vorrangig auf eine Gewichtsreduktion zu verweisen (Urteil vom ).

2Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

3Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

41. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Daran fehlt es.

5Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen (vgl zB - RdNr 5 mwN; - Juris RdNr 3 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu - Juris RdNr 5; - Juris RdNr 6; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Der Tatsacheninstanz soll durch einen solchen Antrag vor der Entscheidung nämlich vor Augen geführt werden, dass der Betroffene die gerichtliche Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht. Der Beweisantrag hat Warnfunktion (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 67; - Juris RdNr 9 mwN; - RdNr 8).

6Die Klägerin trägt zwar vor, dass sie in der Berufungsbegründung einen Beweisantrag gestellt habe. Sie legt aber nicht nachvollziehbar dar, dass sie den Beweisantrag zumindest hilfsweise in der mündlichen Verhandlung am gestellt und aufrechterhalten hat. Diese Voraussetzung ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten nicht erfüllt, wenn sie im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung ausweislich der Sitzungsniederschrift nur noch einen Sachantrag gestellt und den Beweisantrag auch nicht hilfsweise - und sei es durch ausdrückliche Bezugnahme auf einen früher gestellten Antrag - wiederholt haben. Nur ausdrücklich gestellten, wiederholten oder in Bezug genommenen Beweisanträgen kommt die insoweit maßgebliche Warnfunktion zu. Dass diese Voraussetzungen gegeben sind, trägt die Klägerin nicht vor.

72. Die Klägerin legt auch eine Divergenz nicht ausreichend dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den Gesetzesanforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und im herangezogenen höchstrichterlichen Urteil andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB Beschluss vom - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; - RdNr 4; - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN). An der Darlegung eines vom LSG bewusst abweichend von höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Rechtssatzes fehlt es. Die Klägerin trägt vor, das LSG habe die Rechtsprechung des BSG nicht berücksichtigt. Damit rügt sie lediglich die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, die eine Divergenz nicht begründen kann.

83. Die Klägerin legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) notwendigen Voraussetzungen ebenfalls nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).

9Die Klägerin formuliert die Frage,

"ob die einer adipösen Patientin, der eine operative Brustverkleinerung ärztlich verordnet wird, zur Verfügung stehenden diätetischen Möglichkeiten zur Reduzierung ihres Körpergewichts i.S.d. Ausschöpfung konservativer Therapiekonzepte 'ohne Belang für den geltend gemachten Anspruch auf Krankenbehandlung' sind".

10Der Senat lässt offen, ob die Klägerin damit eine Rechtsfrage formuliert hat. Sie setzt sich schon nicht mit der Rechtsprechung auseinander, wonach die Frage nach den Therapiemöglichkeiten (hier: Adipositas) für ein einzelnes Leiden und dem darauf bezogenen krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsanspruch regelmäßig keine Rechtsfrage von "grundsätzlicher" Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 9 RdNr 5 ff; - Juris RdNr 6; s ferner - Juris RdNr 7), sondern nur auf die Klärung von Tatfragen abzielt, soweit die erfragte - generelle - Tatsache nicht ausnahmsweise selbst Tatbestandsmerkmal einer gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 9 RdNr 8). Soweit die Beschwerde im Rahmen der Ausführungen zu "Klärungsfähigkeit" ausführt, die Mammareduktionsplastik sei die "ultima ratio" zur Linderung ihrer Beschwerden (zur Applikation eines Magenbandes vgl bereits BSGE 90, 289 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1), verdeutlicht sie, dass es ihr im Kern nicht um die vom Senat zu beantwortende Frage, sondern um die tatsächliche Frage geht, ob bei der Klägerin noch Raum für zumutbare konservative Behandlungsmöglichkeiten besteht. Insoweit handelt es sich aber nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

114. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

125. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Fundstelle(n):
EAAAF-02558