BAG Urteil v. - 8 AZR 556/14

Versäumte Revisionsbegründungsfrist - Wiedereinsetzung - Verschulden Prozessbevollmächtigter

Gesetze: § 74 Abs 1 S 1 ArbGG, § 74 Abs 1 S 2 ArbGG, § 85 Abs 2 ZPO, § 233 S 1 ZPO, § 234 Abs 1 S 1 ZPO, § 236 Abs 1 ZPO, § 552 ZPO

Instanzenzug: ArbG Erfurt Az: 8 Ca 2044/12 Urteilvorgehend Thüringer Landesarbeitsgericht Az: 3 Sa 307/13 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten um die Frage, ob zwischen ihnen nach zwei Betriebsübergängen infolge eines Widerspruchs der Klägerin gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses infolge des ersten Betriebsübergangs ein Arbeitsverhältnis besteht.

2Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem Thüringer Landesarbeitsgericht keinen Erfolg (Urteil vom - 3 Sa 307/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.

3Ohne dass das Berufungsurteil bis dahin zugestellt war, nahm aufgrund einer regelmäßigen Wiedervorlage die Rechtsanwaltsfachangestellte im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Frau K, im Juli 2014 eine Fristberechnung für die Revisionseinlegung und die Revisionsbegründung vor. Gerechnet ab der Verkündung des Berufungsurteils am berechnete sie die Revisionsfrist auf den und die Begründungsfrist auf den , was sie im Fristenkalender so notierte.

4Das in vollständiger Form abgefasste Berufungsurteil ging beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin am ein. Die Rechtsanwaltsfachangestellte K ging jedoch aufgrund eines Augenblicksversagens von einem Eingang am aus, berechnete sodann die Frist für die Revisionseinlegung auf den sowie für die Revisionsbegründung auf den . Da diese falsch berechneten Fristen länger liefen als die von ihr bereits notierten Fristen, beließ sie es bei letzteren.

5Unter dem , bei Gericht eingegangen am legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Revision ein. Unter dem , per Fax am gleichen Tage beim Bundesarbeitsgericht eingegangen, beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, die Frist zur Begründung der Revision um einen Monat bis zum zu verlängern. Auf den Hinweis des im Büro der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am eingegangen, die Frist zur Begründung der Revision sei bereits am abgelaufen, beantragte der Klägervertreter mit Schriftsatz vom , per Fax an diesem Tag beim Bundesarbeitsgericht eingegangen, der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er beantragt im Übrigen

6Die Beklagte meint, Wiedereinsetzung sei der Klägerin nicht zu gewähren. Sie verteidigt im Übrigen das Berufungsurteil der Sache nach.

Gründe

7Die Revision ist unzulässig, weil die Zweimonatsfrist zur Begründung der Revision, § 74 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG, versäumt wurde. Wiedereinsetzung kann nicht gewährt werden. Die fristgemäß eingelegte Revision ist als unzulässig zu verwerfen, § 552 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

8I. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG beträgt die Frist für die Begründung der Revision zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils zu laufen. Das angefochtene Urteil wurde der Klägerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses ihres Prozessbevollmächtigten am zugestellt, sodass die Frist zur Begründung der Revision am ablief. Bis zu diesem Zeitpunkt sind weder eine Revisionsbegründung noch ein Antrag auf Verlängerung der Frist für die Begründung der Revision beim Bundesarbeitsgericht von Seiten der Klägerin eingegangen.

9II. Wiedereinsetzung konnte nicht gewährt werden, da die Klägerin nicht ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Revision einzuhalten, § 233 Satz 1 ZPO.

101. Der mit der Revisionsbegründung verbundene schriftliche Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin wahrte die Form des § 236 Abs. 1 ZPO und erfolgte auch binnen der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Auch gerechnet ab dem Verlängerungsantrag des Klägervertreters vom wahrte der Wiedereinsetzungsantrag vom die Frist von zwei Wochen.

112. Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch nicht begründet. Die Revisionsbegründungsfrist wurde schuldhaft versäumt. Zwar hat vorliegend die Klägerin selbst nicht gehandelt, jedoch wird ihr das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet. Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte selbst unabhängig von dem Handeln der Rechtsanwaltsfachangestellten K die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist verschuldet.

12Der Prozessbevollmächtigte selbst hat bei Einlegung der Revision unter dem erklärt, das anzufechtende Berufungsurteil sei ihm am zugestellt worden. Der Revisionseinlegung war eine Kopie des Berufungsurteils beigefügt, auf der sich der Eingangsstempel der Kanzlei mit dem Datum befindet und darunter eine handschriftliche Fristennotierung mit dem Namenskürzel „K“ „Rev (6 Monatsf.)“ und „RevB “.

13Nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Bundesarbeitsgerichts als auch des Bundesgerichtshofs hat ein Rechtsanwalt bei jeder Vorlage der Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung eigenverantwortlich zu prüfen, wann die Frist für die Prozesshandlung abläuft. Werden einem Rechtsanwalt die Handakten zur Anfertigung einer Rechtsmittelschrift vorgelegt, hat er neben der Prüfung der Rechtsmittelfrist auch die ordnungsgemäße Notierung der zu diesem Zeitpunkt bereits feststehenden Rechtsmittelbegründungsfrist zu prüfen (vgl.  - Rn. 14; - 8 AZR 27/07 - Rn. 21, BAGE 125, 333; - 9 AZR 454/04 - Rn. 15 ff.; - 1 AZR 70/02 - zu II 3 c der Gründe;  - Rn. 6; - X ZB 31/03 -).

14Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war daher verpflichtet, aus Anlass der Einlegung der Revision die notierte Revisionsbegründungsfrist zu prüfen und - da sie offensichtlich falsch berechnet war und nach Zustellung des Berufungsurteils neu berechnet werden musste - zu korrigieren. Dieses Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der Klägerin zuzurechnen.

15III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:180615.U.8AZR556.14.0

Fundstelle(n):
CAAAF-00995