Rechtsbeschwerde wegen Ablehnung einer Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungbegründungsfrist: Unzulässigkeit bei Rüge einer Versagung wirkungsvollen Rechtschutzes
Leitsatz
Eine auf die Verletzung des Grundrechts auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gestützte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, wenn es der Beschwerdeführer im Rahmen des vorinstanzlichen Rechtsmittels versäumt hat, eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern.
Gesetze: § 574 Abs 2 Nr 2 ZPO, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG
Instanzenzug: LG Wuppertal Az: 9 S 266/14vorgehend AG Solingen Az: 11 C 269/14
Gründe
1I. Die Klägerin wendet sich gegen den Beschluss, mit dem das Berufungsgericht Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist versagt hat.
2Die Klägerin hat gegen das ihr am zugestellte Urteil des Amtsgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt. Innerhalb der bis zum verlängerten Begründungsfrist ging keine Berufungsbegründung beim Landgericht ein. Mit einem am beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und mit am eingegangenen Schriftsatz ihre Berufung begründet.
3Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
4Sie rügt, das Berufungsgericht habe verkannt, dass Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist nicht zu laufen begonnen hätten. Der Amtsrichter habe das Verkündungsprotokoll nur mit einem Handzeichen abgezeichnet, das nicht die Anforderungen an eine Unterschrift erfülle. Es fehle mithin an einer wirksamen Verkündung. Dies sei von Amts wegen zu prüfen. Das Berufungsgericht habe deshalb den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zurückweisen dürfen, sondern als gegenstandslos behandeln müssen.
5II. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Die Ablehnung der Wiedereinsetzung verletzt weder den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) noch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Auch bedarf es im Streitfall keiner Klärung rechtsgrundsätzlicher Fragen.
61. Das Berufungsgericht ist ohne zulassungsrelevanten Rechtsfehler davon ausgegangen, dass das erstinstanzliche Urteil wirksam verkündet worden ist und die Zustellung des Urteils deshalb die Berufungsbegründungsfrist in Lauf setzte.
7a) Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin mit ihrer - keineswegs zwingenden - Ansicht recht hat, der Schriftzug unter dem Verkündungsprotokoll des Amtsgerichts stelle keine Unterschrift dar. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, begründet dies unter den Umständen des Streitfalles keinen zulassungsrelevanten Grundrechtsverstoß. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfordert es der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität, dass ein Beteiligter alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (BVerfGE 73, 322, 325; 77, 381, 401; 81, 22, 27; 86, 15, 22; 95, 163, 171). Ist ein Rechtsmittel gegeben, das (auch) dazu führen kann, diese Verletzung zu überprüfen oder zu verhindern, so ist den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG hinreichend Rechnung getragen (vgl. , NZM 2011, 274 Rn. 10; Beschluss vom - IX ZB 225/09, WM 2010, 1722 Rn. 7 f.). Gleiches gilt für das Grundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes.
8So liegen die Dinge hier. Die Klägerin hat zu keinem Zeitpunkt nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils geltend gemacht, dass dieses Urteil nicht ordnungsgemäß verkündet worden ist. Sie hätte aber die mit der Rechtsbeschwerde gerügten Umstände bereits im Berufungsverfahren rügen können, wenn sie nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils Akteneinsicht genommen hätte. Dies hat die Klägerin unterlassen. Damit enthält die implizite Entscheidung des Berufungsgerichts, dass der Schriftzug des Amtsrichters unter dem Verkündungsprotokoll die - in der Rechtsprechung geklärten - Anforderungen an eine Unterschrift erfüllt, allenfalls einen Fehler im Einzelfall. Ein Zulassungsgrund besteht schon deshalb nicht.
9b) Unabhängig davon ist es rechtlich nicht zu beanstanden, den Schriftzug des Amtsrichters unter dem Verkündungsprotokoll als Unterschrift anzusehen. Die Anforderungen an eine Unterschrift sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZB 32/14 Rn. 10; BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 18/13, NJW 2013, 3451 Rn. 6; vom - VIII ZB 67/09, juris Rn. 10 m.w.N.). Im Streitfall gleicht der Schriftzug - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend hinweist - in seinen wesentlichen Eigenheiten den übrigen in der Akte vorhandenen Unterschriften des Amtsrichters.
102. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Anforderungen an eine Unterschrift sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt.
Mayen Felsch Harsdorf-Gebhardt
Dr. Karczewski Dr. Schoppmeyer
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2015 S. 8 Nr. 36
NJW-RR 2015 S. 1150 Nr. 18
KAAAF-00051