I. Erkenntnisse aus Google-Earth
und -Street-View sind von Amts wegen heranzuziehen und ohne weiteres
als allgemein bekannt bzw. zugänglich verwertbar*; etwa zur Frage
des Vorhandenseins der Flächen/Gebäude oder sonstigen Ausstattung
in der örtlichen und räumlichen Situation an der zu prüfenden Adresse.
II.
1. Während
eines Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter auch dann für eine
Rechnungsberichtigung zuständig, wenn die Leistung bereits vorher bewirkt
wurde,
2. Nach Schlussverteilung und
Aufhebung der Insolvenz kann die Rechnung nur aufgrund Anordnung
des Verfahrens der Nachtragsverteilung berichtigt werden.
III.
1. Anstelle
eines fehlenden Bestimmungsort-Belegs genügt die Rechnungs- oder Firmensitzanschrift
zumindest dann nicht, wenn der Lieferweg unklar ist.
2. An der Eindeutigkeit und
leichten Nachprüfbarkeit von Beleg- und Buchnachweis fehlt es bei
konkreten Zweifeln, zum Beispiel
mit Stempel
des angeblichen Empfängers am Ort des Verkäufers oder nachträglich
erstellte Verbringungserklärung;
Übernahme- oder Empfangsbestätigung
fehlt oder ohne Ort und Datum;
für Identität des Abnehmers
oder des Abholers ohne Vollmacht oder vollständigen Ausweis nicht
identifizierbare Unterschrift.
3. Beleg- und Buchnachweis
können widerlegt oder berechtigt in Zweifel gezogen werden, etwa
aufgrund
auffälliger
Distanzen zwischen angeblichem Abnehmersitz und anderem Betrieb oder
Ort, wohin die Lieferungen nach anderen Unterlagen wahrscheinlicher
verbracht wurden;
anderslautender Amts- oder
Rechtshilfeauskünfte;
im Bestimmungsland fehlender
Zulassung angeblich dorthin gelieferter Fahrzeuge;
unzureichender Flächen
oder Gebäude an der behaupteten Lieferadresse (vgl. Leitsatz I).
Indizien für Scheinsitz,
Scheinabnehmer oder Scheingeschäft z. B. (wie in der Vorsteuer-Rspr.):
Angeblicher Geschäftssitz
des vermeintlichen Abnehmers bei einem branchenfremden Unternehmen
oder Büroservice;
keine eigenen oder gemieteten
Geschäftsräume, kein Verkaufs- oder Lagerraum, kein eigenes Mobiliar,
keine Kassenführung, kein Bankkonto, kein sonst gehaltenes Vermögen,
keine Buchführung oder keine aufbewahrten Geschäftsunterlagen an
der angeblichen Adresse;
an der angeblichen Adresse
mangelnde eigene Geschäftstätigkeit oder fehlende Wahrnehmung von
Geschäftsleitungs- und Arbeitgeberfunktion oder Behördenkontakten
über die Anmeldung oder Gründung hinaus;
eine Mitwirkung der Mitarbeiter
des an der angeblichen Adresse tätigen fremden Unternehmens bei
den angeblichen Geschäften mit der Abnehmerfirma;
keine Geschäftsanbahnung
oder -abwicklung über die angebliche Adresse; Kommunikation nur
mobil oder mit Dritten;
Unstimmigkeiten oder Abweichungen
bei angegebenen gesetzlichen und anderen Vertretern, bei Kontaktdaten,
bei Geschäftsgegenstands-Bezeichnungen, bei Eintragungen im Handels-
oder Gewerberegister.
4. Der ersatzweise zulässige
objektive Liefer-Nachweis durch den feststellungsbelasteten Verkäufer
muss sich darauf erstrecken, wo und bei welchem vertraglichen Abnehmer
die Lieferung tatsächlich bewirkt wurde. Dafür genügt z. B. die Zulassung
angeblich gelieferter Fahrzeuge im Bestimmungsland nicht.
5. Vertrauensschutz bei unrichtigen
Angaben des Abnehmers setzt neben formeller Vollständigkeit von
Beleg- und Buchnachweis die Gutgläubigkeit und zumutbare Sorgfalt
des Verkäufers voraus; Anhaltspunkte für Zweifel und die Notwendigkeit
eigener persönlicher Nachforschungen beim Abnehmer können sich z.
B. aus folgenden Umständen ergeben:
Es besteht
keine längere Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmer und dem
angeblichen Abnehmer und der Unternehmer hat keine Kenntnis von
der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person.
Das Geschäft mit dem vermeintlichen
Abnehmer wird nicht an dessen Geschäftssitz oder nur mobil oder
durch einen Dritten angebahnt und der Abnehmer tritt nur in Begleitung
oder kaum bzw. nur auf dem Papier in Erscheinung.
Fehlende Nachvollziehbarkeit
des Markt- und Internetauftritts oder -angebots oder des Email-
und Schriftverkehrs, z. B. fehlende oder örtlich nicht passende Faxkennung
oder Telefonnummer des Abnehmers.
Im Hinblick auf den Umsatzumfang
nicht ausreichend nachvollziehbare personelle Kapazitäten, Geschäftsausstattung
oder Logistik des angeblichen Geschäftspartners oder Auffälligkeiten
in seiner Person.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): EFG 2015 S. 1579 Nr. 18 GmbH-StB 2015 S. 295 Nr. 10 XAAAE-95853
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Online-Dokument
Finanzgericht Hamburg, Urteil v. 05.02.2015 - 3 K 45/14
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