Gründe
I
1Der ... geborene Soldat wurde im Dezember 2003 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde zuletzt bis zum festgesetzt. Er wurde regelmäßig befördert, zuletzt im Dezember 2008 zum Oberleutnant. Seine Bewerbung um Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten blieb ohne Erfolg.
2Nach der Grundausbildung durchlief der Soldat die für einen Offizieranwärter des Heeres üblichen Lehrgänge, wobei er den Offizierlehrgang 2006 mit der Abschlussnote "gut" bestand. Nach einer Verwendung im ...bataillon ... studierte er ab Oktober 2006 an der Universität der Bundeswehr in ... Staats- und Sozialwissenschaften. Das Studium schloss er mit der Note "gut" [1,90] ab. Zum Dezember 2010 wurde er erneut zum ...bataillon versetzt. Dort wird er wegen des anhängigen Disziplinarverfahrens nicht wie geplant als Truppführer, sondern als Offizier im ... des Bataillonsstabs verwandt. Bereits vor Beginn des Studiums hatte er die ATN "Schießlehrer Handwaffen" erlangt.
3Die Regelbeurteilung vom bescheinigt dem Soldaten gute Leistungen sowie eine überdurchschnittliche physische wie psychische Belastbarkeit und hebt dessen Zuverlässigkeit und Leistungswillen hervor. Ausweislich des aus Anlass seiner Versetzung von der Universität der Bundeswehr erstellten Beurteilungsvermerks vom hatte der Soldat während des Studiums teilweise erhebliche familiäre und private Probleme. Neben seiner Tätigkeit als Sportgruppenleiter sei er bei militärischen Ausbildungsvorhaben stets durch überragenden Einsatz hervorgetreten. Als reifer und gefestigter Offizier habe er trotz privater Schicksalsschläge seinen Auftrag niemals aus den Augen verloren. Innerhalb seines Jahrgangs gehöre er zur Leistungsspitze; besonders im Bereich der Menschenführung sei er sehr gut einsetzbar. Der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte ergänzte, der Soldat überzeuge insbesondere durch Zielstrebigkeit, Willensstärke und eine weit überdurchschnittliche psychische Belastbarkeit.
4In der Sonderbeurteilung vom wurde die Aufgabenerfüllung des Soldaten mit dem Durchschnittswert "6,50" beurteilt. Der Soldat sei der richtige Mann für die Unterstützung des S 3-Stabsoffiziers. In die ständig wechselnden Aufgaben habe er sich schnell eingearbeitet. Der Beurteilende hob die hohe Motivation, Ruhe und Überblick, Intelligenz, das Engagement und die Dienstfreude des Soldaten hervor. Die Arbeitsergebnisse des Soldaten überzeugten durch Präzision, Termintreue und Qualität. Nebenamtlich fungiere er als Sportoffizier des Bataillons. Betont wurden die erfolgreiche Arbeit im Nebenamt, Fleiß, Kameradschaftlichkeit, Selbstironie und Lebensfreude des Soldaten. Er solle bis zum Dienstzeitende auf dem Dienstposten verbleiben.
5Nach den in die Berufungshauptverhandlung durch auszugsweise Wiedergabe eingeführten Angaben des früheren Disziplinarvorgesetzten Oberstleutnant B. beim Truppendienstgericht war der Soldat wegen des laufenden Verfahrens nicht wie ursprünglich vorgesehen als Zugführer, sondern im S 3-Bereich mit einem für einen Oberleutnant sehr großen Aufgabenbereich eingesetzt und nach seinen Leistungen dem vorderen Drittel zuzuordnen. Der Soldat sei auch zum Kompaniechef und Berufssoldaten geeignet. Der streitgegenständliche Vorfall belaste den Soldaten sehr, nach Einschätzung des Zeugen sei der Verlust des Vaters für die Probleme ausschlaggebend.
6In der Berufungshauptverhandlung hat der Disziplinarvorgesetzte des Soldaten, Oberstleutnant D., als Leumundszeuge ausgeführt, die dienstlichen Leistungen des Soldaten beurteile er mit "7,5". Aufgrund des Leistungsbildes wäre der Soldat als Kompaniechef geeignet. Die mit "1,9" bewertete Diplomarbeit sei weit überdurchschnittlich, zumal der Soldat nur die Mindeststudienzeit beansprucht habe. Aus seiner, des Zeugen, Sicht habe es sich bei den Vorfällen um eine Verkettung unglücklicher Umstände gehandelt. Im Dienst habe der Soldat selbstlose Akzente gesetzt. Ein impulsives oder gar aggressives Verhalten habe der Zeuge im dienstlichen Kontext nicht festgestellt.
7Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom und die Auskunft aus dem Zentralregister vom verweisen auf die rechtskräftige Verhängung einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe wegen der streitgegenständlichen Vorfälle.
8In dem sachgleichen Strafverfahren hatte das Amtsgericht M. den Soldaten mit Urteil vom zweier tatmehrheitlicher Fälle der Nötigung in Tatmehrheit mit Beleidigung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Beleidigung in Tatmehrheit mit falscher Verdächtigung schuldig gesprochen und eine zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verhängt. Die Berufung des Soldaten hatte das Landgericht M. mit Urteil vom verworfen. Auch seine Revision blieb erfolglos. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen; eine Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist noch anhängig.
9Der Soldat ist ledig und kinderlos; mit seiner gegenwärtigen Lebensgefährtin unterhält er keinen gemeinsamen Hausstand. Er erhält monatliche Bezüge in Höhe von 2 418,92 € netto. Seine wirtschaftliche Lage ist angespannt, weil er vor allem wegen der Kosten des Straf- und Disziplinarverfahrens Kreditverbindlichkeiten in Höhe von gut 65 000 € mit monatlich etwa 1 500 € zu bedienen hat; hinzu kommen Kosten für Warmmiete in Höhe von 720 €.
10Der Soldat befindet sich nach eigenen Angaben unter anderem wegen der mit den gerichtlichen Verfahren verbundenen Belastungen bei der sachverständigen Zeugin Diplom-Psychologin R. seit August 2014 in psychotherapeutischer Behandlung.
II
111. Das disziplinargerichtliche Verfahren ist nach Anhörung des Soldaten mit Verfügung des Amtschefs ... vom eingeleitet worden. Zuvor war die Vertrauensperson angehört und ihre Stellungnahme dem Soldaten bekannt gegeben worden.
12Nachdem der Soldat auf die abschließende Anhörung verzichtet hatte, hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des ...amts dem Soldaten mit ihm am ausgehändigter Anschuldigungsschrift vom folgenden Sachverhalt als vorsätzlich begangenes Dienstvergehen zur Last gelegt:
"1. An einem nicht näher bestimmbaren Tag des Wochenendes vom 6. bis geriet der Soldat mit der Zeugin ... P. in Streit, weil diese die gemeinsame Wohnung in der ...straße ..., ... H., für das Wochenende verlassen wollte und bezeichnete diese, als sie in ihr Auto stieg um loszufahren, als 'Schlampe' und 'schlechter Mensch'.
2. Nachdem man sich anschließend wieder in die Wohnung begeben hatte, nahm der Soldat im Schlafzimmer aus einer sich unter dem Bett befindlichen Waffenkiste eine scharfe und geladene Schusswaffe der Marke Brünner Modell 75 Kaliber 9mm Para in die rechte Hand und sagte zu der Zeugin, ohne die Waffe direkt auf diese zu richten: 'Wenn Du das willst, können wir es auch gleich beenden', um diese dazu zu zwingen, das Wochenende in der gemeinsamen Wohnung zusammen mit ihm zu verbringen, was dazu führte, dass die Zeugin aus Angst, der Soldat könnte sie mit der Waffe erschießen, über das Wochenende in der Wohnung verblieb.
3. Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt an dem Wochenende 28. Februar bis kam es in der Küche der vorbenannten gemeinsamen Wohnung zu einem erneuten Streit zwischen dem Soldaten und der Zeugin, als diese ihm ihre Absicht mitteilte, sich von ihm trennen zu wollen, wobei der Soldat ein Küchenmesser in die Hand nahm und es mit der geschliffenen Klingenseite an die Vorderseite ihres Halses drückte, ohne hierbei eine Schnittwunde zu verursachen, und dabei sinngemäß zu ihr sagte: 'Wenn Du es so willst', um sie hierdurch zu zwingen, die Beziehung fortzuführen. Aus erneuter Furcht, der Soldat könne sie mit dem Messer töten, nahm die Zeugin von ihrem Vorhaben, sich von ihm zu trennen, vorübergehend Abstand.
4. Da sich die Zeugin von dem Soldaten nunmehr endgültig trennen wollte, klingelten am gegen 10:30 Uhr die Mutter der Zeugin, Frau C., und deren Lebensgefährte an der unter Nummer 1) näher bezeichneten Wohnung, um der Geschädigten bei ihrem Auszug aus der Wohnung zu helfen, wobei der Soldat, als er mit dem Umzugsvorhaben der Geschädigten konfrontiert wurde, die Polizei verständigte, um einen vermeintlichen Hausfriedensbruch durch Frau C. und deren Lebensgefährten zu melden. Er schob sodann die Frau C. und deren Lebensabschnittsgefährten, ohne dass diese Widerstand leisteten, aus der Wohnung, während er mit der anderen Hand die Zeugin, die die Wohnung zusammen mit ihrer Mutter verlassen wollte, festhielt, sperrte die Wohnungstür von innen ab und nahm sämtliche Wohnungsschlüssel an sich, damit die Zeugin die Wohnung nicht mehr verlassen konnte. Dadurch war diese bis zum Eintreffen der Polizei für die Dauer von mindestens 30 Minuten entgegen ihrem Willen gehindert, die Wohnung zu verlassen.
5. Während der unter Nummer 4) beschriebenen ca. 30 minütigen Geschehnisse kam es im Wohnzimmer zu einem Streit zwischen dem Soldaten und der Zeugin, in dessen Verlauf der Soldat die Zeugin abermals als 'Schlampe' und 'Schlechter Mensch' bezeichnete. Sodann packte er die Zeugin, und warf sie mit einem Kampfsportgriff zu Boden, wodurch sie Abschürfungen am rechten Unterarm und nicht unerhebliche Schmerzen erlitt. Als die Zeugin wieder aufstand und sich in einen Schreibtisch-Wippsessel setzte, trat der Soldat ihr unvermittelt mit unbeschuhtem Fuß mit voller Wucht in die Brust, wodurch sie in den Stuhl zurückfiel. Hierdurch erlitt die Geschädigte eine Prellung des Oberbauchs, und erhebliche Schmerzen. Als diese sich dann aus dem Sessel erhob, hielt der Soldat sie fest, und warf sie, nachdem sie sich losgerissen hatte, erneut mit einem Kampfsportgriff zu Boden, wodurch sie wiederum nicht unerhebliche Schmerzen erlitt.
6. Nachdem die Polizei aufgrund der unter den Nummern 4) bis 5) genannten Vorfälle am um 11:52 Uhr in der Wohnung eintraf, beschloss der Soldat, die Zeugin mit einer Tätlichkeit gegen ihn zu Unrecht zu belasten. Hierzu fügte er sich in der Küche selbst mit einem Küchenmesser eine ca. 3 cm lange Schnittwunde am rechten Unterbauch zu, zeigte diese dem Polizeibeamten R. und gab diesem gegenüber bewusst wahrheitswidrig an, dass ihm die Schnittverletzung vor Eintreffen der Polizeibeamten von der Zeugin mit einem Messer zugefügt worden sei, und er die Zeugin deshalb habe abwehren und zu Boden bringen müssen. Hiermit wollte er sich selbst entlasten und dafür sorgen, dass die Zeugin strafrechtlich verfolgt wird."
132. Das Truppendienstgericht Süd hat den Soldaten mit ihm am zugestellten Urteil vom aus dem Dienstverhältnis entfernt und den gesetzlichen Unterhaltsbeitrag auf die Dauer eines Jahres verlängert.
14a) Der Verurteilung zugrunde gelegt hat es folgende Tatsachenfeststellungen aus dem Urteil des Landgerichts M. vom :
"1. Am Wochenende vom 06. bis war die Mutter des Angeklagten, die Zeugin M., zu Besuch beim Angeklagten und der Nebenklägerin in deren gemeinsamer Wohnung in der ...straße ... in H. ... P. wollte an diesem Wochenende ihre Mutter in D. besuchen. Der Angeklagte war damit nicht einverstanden, weil er mit seiner Mutter das Wochenende über nicht alleine sein wollte. Es kam deswegen zu einem Streit, der sich mit Unterbrechungen über viele Stunden hinzog. Der Angeklagte warf der Nebenklägerin vor, dass ihre Familie sie beständig in Beschlag nehmen wolle, begann u.a. zu weinen und warf der Nebenklägerin vor, dass sie ihn alleine in diesem Zustand in der Wohnung zurücklassen wolle. Im Streit belegte er die Nebenklägerin u.a. mit dem Wort 'Schlampe', um sie in ihrer Ehre herabzuwürdigen. Während des Streites bewegte sich das Paar vom Pkw, der vor dem Haus abgestellt war, über das Wohnzimmer ins Schlafzimmer. Die Mutter des Angeklagten hatte wiederholt ergebnislos vermittelt. Als sich der Streit um die Reise nach D. ins Schlafzimmer verlagert hatte, holte der Angeklagte aus der Waffenkiste, die er ohne Wissen der Nebenklägerin unter dem Bette aufbewahrt hatte, eine Schusswaffe der Marke Brünner Modell 75 Kaliber 9 mm Para hervor. Im Waffenkasten lagerte die dazu gehörende Munition. Der Angeklagte hatte die Waffe von seinem verstorbenen Vater geerbt und an einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt, im November 2008, aus der Wohnung seines Vaters in B. nach M. verbracht. Er nahm die Waffe in die Hand, zeigte sie der Nebenklägerin mit fuchtelnden Bewegungen vor, ohne den Lauf auf ihren Körper zu richten und äußerte: 'Wenn Du das willst', um die Geschädigte, die zu diesem Zeitpunkt noch vor hatte, mit dem Auto nach D. zu ihrer Mutter zu fahren, zu zwingen, das Wochenende in der gemeinsamen Wohnung mit ihm zu verbringen. Die Nebenklägerin nahm die Drohung ernst. Sie hatte Angst, dass der Angeklagte die Waffe einsetzen würde. Sie beugte sich unter dem Eindruck der Schusswaffe seinem Willen, lenkte ein und nahm von ihrem Vorhaben, noch an diesem Wochenende nach D. zu fahren, Abstand. Der Angeklagte hatte sein Ziel somit erreicht. Sie verbrachte das Wochenende, wie vom Angeklagten gewollt, in der gemeinsamen Wohnung mit ihm und seiner Mutter. In der Folgezeit nahm die Geschädigte die geladene Waffe und das Zubehör aus der Waffenkiste heraus und versteckte sie in einem Schlafsack auf dem Schlafzimmerschrank. ... P. stellte gegen den Angeklagten wegen des Vorfalls am schriftlich Strafantrag.
2. Die Nebenklägerin war bereits im Februar 2009 dazu entschlossen, die Beziehung mit dem Angeklagten zu beenden und sich vom Angeklagten zu trennen. Während eines Streits, der an einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt, im Zeitraum 28.02. bis in der Küche der gemeinsamen Wohnung in der ...straße ... in H. ausgetragen wurde, teilte sie dem Angeklagten ihre ernsthafte Trennungsabsicht mit. Sie gab ihm zu verstehen, dass sie in der Beziehung keine Zukunft mehr sehe. Der Angeklagte war mit einer Trennung gegen seinen Willen nicht einverstanden und wollte keine Gespräche darüber führen. Er nahm ein ca. 20 cm langes Küchenmesser zur Hand, trat von hinten, seitlich links an die Nebenklägerin heran und hielt ihr das Messer mit der geschliffenen Klingenseite für wenige Sekunden an die Vorderseite des Halses, ohne sie dabei zu verletzen. Dabei äußerte er sinngemäß 'Wenn Du es so willst', um sie, unter Androhung von Tötungsabsicht, zu zwingen, ihre Meinung zu ändern. Die Nebenklägerin nahm die Drohung des Angeklagten ernst. Sie hatte Angst, dass der Angeklagte das Messer in einer das Leben gefährdenden Art und Weise gegen sie einsetzen würde, lenkte deswegen ein, beruhigte den Angeklagten und nahm davon Abstand, den Angeklagten weiterhin mit ihren Trennungsabsichten zu konfrontieren. Der Angeklagte hatte somit das von ihm angestrebte Ziel erreicht.
3. Unter dem Eindruck der beiden Vorfälle hatte die Geschädigte den Entschluss gefasst, die Trennung unverzüglich herbeizuführen und durch einen unangekündigten Auszug aus der Wohnung zu vollziehen. Sie hatte ihre Mutter, die Zeugin C. in dieses Vorhaben eingebunden und beauftragt, den Auszug für Samstag, den , gegen Mittag, vorzubereiten. Dem Angeklagten hatte sie, aus Angst vor unüberlegten Reaktionen seinerseits, von dem bevorstehenden Auszug nichts erzählt. Sie wollte jedoch nicht heimlich, sondern in Anwesenheit des Angeklagten ausziehen, um mit ihm die Modalitäten der Hausratsaufteilung zu regeln. Die Mutter der Nebenklägerin, die Zeugin C., die von den Bedrohungen ihrer Tochter mit der Pistole und dem Messer durch Gespräche mit ihrer Tochter bereits Kenntnis hatte, rechnete mit unbedachten Reaktionen des Angeklagten und hatte deswegen am Vortag, am Freitag, die zuständige Polizeidienststelle von dem geplanten Auszug und den erwarteten Problemen seitens des Angeklagten informiert. Am , gegen 11.30 Uhr, traf die Mutter der Nebenklägerin zusammen mit ihrem Lebensgefährten, den Brüdern der Nebenklägerin und einem weiteren Bekannten an der Wohnungstüre in der ...straße ... in H. mit Umzugsfahrzeugen ein und klingelte an der Wohnungstüre. Der Angeklagte erwartete ein Pärchen, welches die Katze, die seine Freundin eine Woche zuvor von D. nach M. mitgenommen hatte, abholen sollte und war überrascht, als die Mutter seiner Freundin und ihr Lebensgefährte die Wohnung betraten und ihm eröffneten, dass sie nunmehr P. und die Katze abholen würden. Der Angeklagte fühlte sich überrumpelt und war nicht bereit, die Umzugshelfer in die Wohnung zu lassen. Er forderte C. und ihren Begleiter auf, seine Wohnung zu verlassen und schob C. mit einer Hand zur Türe hinaus; die Nebenklägerin - die mit dem Angeklagten nicht alleine in der Wohnung bleiben wollte -schob er mit der anderen Hand in Richtung Küche, um sie am Verlassen der Wohnung zu hindern. Sodann rief er über Handy die Polizei und meldete einen Hausfriedensbruch, sperrte die Wohnungstüre von innen ab und nahm auch den zweiten Wohnungsschlüssel an sich, um die Nebenklägerin am Verlassen der Wohnung zu hindern. Unmittelbar danach kam es im Wohnzimmer zu einem heftigen lautenstarken Streit zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin. Er beschimpfte sie u.a. als 'Schlampe' und 'schlechter Mensch', um sie in ihrer Ehre herabzuwürdigen. ... P., die die Wohnung verlassen wollte, schubste den Angeklagten im Zuge des Streits gegen die Brust; erbost darüber und dass sie unangekündigt ausziehen wollte, warf er sie unter Einsatz eines Kampfsportgriffes zu Boden, wobei sie sich, mutmaßlich durch eine Reibung am Teppichboden, eine leicht schmerzhafte Abschürfung am rechten Unterarm zuzog. Im Laufe des heftigen Wortwechsels setzte sich die Geschädigte in einen Schreibtisch-Wippsessel; der Angeklagte trat ihr unvermittelt mit dem unbeschuhten Fuß wuchtig gegen die Brust, wodurch sie in den Stuhl zurückfiel. Hierdurch erlitt die Nebenklägerin eine Prellung des Oberbauches und Schmerzen; später bildete sich ein Hämatom. Die Schreie der Nebenklägerin waren im Hausgang vernehmbar. Als sich die Geschädigte aus dem Sessel erhob, ging der Angeklagte wieder auf sie zu und warf sie erneut auf den Boden. In den folgenden Minuten machte der Angeklagte der Geschädigten Vorwürfe wegen noch nicht ausgeglichener finanzieller Forderungen. Der Angeklagte wollte, dass die Geschädigte einen Schuldschein unterschreibe, weil er das Auto, das von ihr gefahren wurde, alleine bezahlt hatte; des Weiteren schuldete sie ihm noch einen kleineren Geldbetrag aus gemeinsamen Einkäufen. Gegen 11.40 Uhr rief er bei seinem Freund, dem Zeugen S. an und bat ihn, eilig zu ihm in die Wohnung zu kommen. Da sich das Eintreffen der Polizei hinzog, riefen sowohl der Angeklagte als auch die Nebenklägerin bei der Polizei an und baten um ein baldiges Kommen. Gegen 11.45 Uhr traf S. vor der Wohnung ein. Er verständigte über sein Mobiltelefon den Angeklagten. Der Angeklagte öffnete ihm die Türe; die Mutter des Angeklagten und ihre Begleiter ließen S. jedoch nicht in die Wohnung. Er sollte ebenfalls das Eintreffen der Polizei abwarten. Der Angeklagte versperrte daraufhin die Wohnungstüre wieder. Um 11.52 Uhr traten die uniformierten Streifenbeamten PK R. und POM St. in der ...straße ... ein; der Angeklagte ließ die Beamten in die Wohnung ein. Der Nebenklägerin war es jetzt wieder möglich, die Wohnung zu verlassen, sie lief aus der Wohnung hinaus, zu ihrer Mutter, die im Hausgang wartete. ... P. stellte gegen den Angeklagten wegen des Vorfalls am schriftlich Strafantrag.
4. Die Beamten befragten nach dem Betreten der Wohnung den Angeklagten und die Nebenklägerin, was vorgefallen sei. Zunächst machten beide keine brauchbaren Angaben und gaben an, dass alles in Ordnung sei. Daraufhin wurden sie getrennt befragt. PK R. befragte den Angeklagten im Wohnzimmer, POM St. die Nebenklägerin im Schlafzimmer/Gang. Nach eindringlicher Befragung und Vorhalt der Bekundungen der Mutter gab die Nebenklägerin an, dass sie vom Angeklagten in der Wohnung eingesperrt und zu Boden geworfen worden sei. Der Angeklagte vernahm, dass seine Freundin Angaben zu den zuvor erfolgten Tätlichkeiten gemacht hatte; mit diesem Vorwurf wurde er vom Beamten R. konfrontiert. Daraufhin entgegnete er, dass er von der Nebenklägerin geschlagen worden sei. Gleich danach, in einem unbeaufsichtigten Moment, begab er sich in die Küche und fügte sich mit einem Messer eine ca. 3 cm lange, leicht klaffende und leicht blutende Wunde am Übergang vom linken Mittel- zum Unterbauch zu. Die Wunde ragte ca. 0,5 cm in den Bauchraum hinein. Zu inneren Verletzungen kam es dadurch nicht. Sodann ging er ins Wohnzimmer, zog sein T-Shirt hoch, trat vor den Polizeibeamten R. und äußerte, 'wenn das so ist, habe ich auch etwas zu sagen und vorzuzeigen' und zeigte ihm die mit einem Zewa-Tuch zugedeckte Schnittverletzung. Polizeikommissar R. hatte den Angeklagten bereits gegen 12.05 Uhr als Beschuldigten einer Körperverletzung zum Nachteil von ... P. belehrt und bis 12.40 Uhr vernommen. Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung, die in der Wohnung stattfand, sagte der Angeklagte u.a. aus, dass er die Mutter der Zeugin P. und den unbekannten Mann aus der Wohnung verwiesen und die Polizei gerufen habe. Seine Freundin sei daraufhin aggressiv geworden. Er habe wissen wollen, wieso sie ihm das mit dem Ausziehen nicht vorher gesagt habe. Es sei zu einem Streit gekommen während dessen sie sich gegenseitig angeschrien hätten. Es sei dann um die Finanzen gegangen. Er habe ihr gesagt, dass er die Schulden schriftlich festgehalten haben wolle. Seine Freundin habe die Wohnung verlassen wollen, woraufhin er die Wohnung verschlossen habe. Sie sei auf den Flur gerannt, wieder zurückgekommen und er habe mitbekommen, dass er angegriffen worden sei. Er habe dann das Messer, mit dem er angegriffen worden sei in der Hand gehabt. Der Angeklagte konnte dem Zeugen PK R. das Messer, mit dem er behauptete, verletzt worden zu sein, nicht zeigen. Die Frage, warum die von ihm getragene Kleidung keine durch den Stich verursachte Beschädigung aufweise, konnte er nicht beantworten. Den auf ihn erfolgten tätlichen Angriff hatte er nicht näher beschrieben. Er behielt sich am Ende der Vernehmung als Verletzter die Stellung eines Strafantrages gegen P. ... vor. Am stellte er schriftlich Strafantrag gegen ... P. wegen des am angegebenen Sachverhalts. ... P. hatte den Angeklagten nicht mit einem Messer oder einem anderen spitzen Gegenstand angegriffen und in den Bauch gestochen. Der Angeklagte hatte sich vielmehr die Stichwunde nach dem Eintreffen der Polizei in der Küche selber zugefügt, um einen Angriff der Nebenklägerin auf ihn vorzutäuschen und, um auf diese Weise, die von ihm verübten Tätlichkeiten gegen ... P. in der Zeit zwischen ca. 11.30 Uhr und 11.50 Uhr zu rechtfertigen und zu relativieren. Er wusste, dass die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ... P. wegen gefährlicher Körperverletzung eine notwendige Folge der von ihm geäußerten Beschuldigung bei der Vernehmung am war. Dies wollte er auch, weil er über den nicht angekündigten Auszug und die ihn belastende Aussage der Nebenklägerin verärgert war. Durch eine Vorneweg-Verteidigung wollte er sein weiteres Ziel, die Rechtfertigung der Körperverletzungshandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin erreichen.
Gegen ... P. wurde aufgrund der Beschuldigung des Angeklagten bei seiner Vernehmung vom ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet; es wird unter dem Az: 257 Js 221586/09 geführt und ist gem. § 154e Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt.
... P. wurde noch am als Beschuldigte wegen des Messerangriffs auf den Angeklagten vernommen und die Mordkommission von dem Vorfall informiert. Zur Abklärung, ob eine Straftat gegen das Leben durch die Nebenklägerin im Raume stand, wurde der Zeuge KHK Sü. noch am ins Krankenhaus N. geschickt. Die Nebenklägerin empfindet das gegen sie noch immer schwebende Ermittlungsverfahren wegen des vom Angeklagten behaupteten Messerangriffes als belastend."
15Den Antrag der Verteidigung, sich teilweise von den tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Landgerichts M. zu dem oben zitierten Punkt 4 des Strafurteils zu lösen, hat das Truppendienstgericht mit der Begründung abgelehnt, es bestünden an der Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen keine Zweifel; sie ergäben sich insbesondere nicht aus den Darlegungen in der Individualbeschwerde. Wegen des in der Hauptverhandlung verlesenen Gutachtens des Sachverständigen Dr. S. gehe die Kammer nicht von einer erheblich verminderten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB aus. Sie habe auch keine Veranlassung, ein weiteres Gutachten einzuholen.
16b) Auf der Grundlage dieser Tatsachenfeststellungen sei der Soldat zwar vom Tatvorwurf zu Anschuldigungspunkt 1 freizustellen, weil durch die Beleidigung seine Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit noch nicht ernstlich beeinträchtigt werde; in den sonstigen Anschuldigungspunkten sei eine vorsätzliche Verletzung der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 2, Alt. 2 SG) aber festgestellt.
17Das Dienstvergehen wiege außerordentlich schwer. Es sei in der Gesamtschau im Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen mit der Entfernung aus dem Dienstverhältnis zu ahnden. Für die Verwendung einer geladenen Pistole als Druckmittel gegenüber der damaligen Lebensgefährtin sei die Höchstmaßnahme Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen, weil dieses Fehlverhalten durch das Überwinden einer durch die Ausbildung des Soldaten besonders aufgebauten Hemmschwelle geprägt sei. Die Drohung mit einem an den Hals gehaltenen Messer verlange eine "reinigende Maßnahme". Entsprechendes gelte für die tätlichen Übergriffe gegen die Lebensgefährtin bei deren Auszug. Die falsche Verdächtigung sei wie eine Falschaussage vor Gericht geeignet, Achtung und Vertrauen im dienstlichen Umfeld nachhaltig zu erschüttern. Die Geschehnisse zu Anschuldigungspunkt 4 seien demgegenüber nachrangig. Die Häufung des Versagens präge die Gesamtschau.
18Milderungsgründe in den Umständen der Tat lägen nicht vor. Insbesondere bestehe nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens keine erhebliche Verminderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit. Ebenso wenig habe der Soldat in einer seelischen Ausnahmesituation gehandelt; dies folge aus den vom Sachverständigen beschriebenen Gründen. Der Soldat habe angesichts des mehraktigen Geschehens nicht nur einmal Gelegenheit gehabt, sein Verhalten zu reflektieren, so dass ebenfalls keine persönlichkeitsfremde Augenblickstat vorliege.
19Für den Soldaten sprächen seine sehr positiven dienstlichen Leistungen. Ein solcher Milderungsgrund rechtfertige allerdings nur bei herausragenden Leistungen, auf die nächstmildere Maßnahmeart überzugehen. Eine außergewöhnliche Nachbewährung liege jedoch nicht vor. Die sehr guten dienstlichen Leistungen rechtfertigten allerdings, dem Soldaten den gesetzlichen Unterhaltsbeitrag auf ein Jahr zu verlängern, zumal dessen Studienabschluss keinen leichten Einstieg in das Zivilleben erwarten lasse.
203. Gegen das Urteil hat der Soldat am in vollem Umfang Berufung einlegen lassen und beantragt,
ihn zu einer milderen gerichtlichen Disziplinarmaßnahme zu verurteilen.
21Das Truppendienstgericht sei am nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil der ehrenamtliche Richter Oberfeldapotheker Bi. ausweislich der Aufzeichnungen des Verteidigers zumindest von 17:05 Uhr bis 17:17 Uhr geschlafen habe.
22Ferner habe sich das Gericht mit dem Sachverständigengutachten nicht kritisch auseinander gesetzt. Das Gutachten sei in sich widersprüchlich, entspreche nicht medizinischen Standards und sei in Teilen spekulativ. Die durch den Leumundszeugen beschriebene Belastung des Soldaten infolge des Todes von dessen Vater ließen an den gutachterlichen Feststellungen zweifeln. Anlass, die Sachkunde des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen, bilde namentlich dessen wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechende Feststellung, die Anfangskriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung könnten bei dem Soldaten nicht vorliegen, weil sie regelmäßig binnen sechs Monaten abklingen würden. Zudem würdige das Sachverständigengutachten insbesondere nicht, dass der Soldat am in Panik verfallen sei, er sich in der eigenen Wohnung bedroht und allein gelassen gefühlt habe, er alles tranceartig empfunden, wirre Gedanken gehabt und er nach dem Tod des Vaters Alkohol konsumiert habe.
23Bei der Maßnahmebemessung werde zu Unrecht vorausgesetzt, dass der Soldat zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung im Umgang mit Waffen eine besondere Hemmschwelle habe überwinden müssen. Seinerzeit sei er noch Student an der Universität der Bundeswehr gewesen. Nicht gewürdigt worden sei auch, dass bei dem Soldaten anlässlich der unter Anschuldigungspunkt 3 beschriebenen Handlung eine Affekthandlung vorgelegen habe. Zudem hätte das Truppendienstgericht den im Gutachten angesprochenen Ansätzen einer anankastischen Persönlichkeitsstörung nachgehen müssen. Dass die Taten wesensfremd gewesen seien und eine Nachbewährung sowie Reue vorliegen würden, sei ebenfalls unbeachtet geblieben.
244. Wegen der Rüge, der ehrenamtliche Richter Oberfeldapotheker Bi. habe während der Hauptverhandlung teilweise geschlafen, hat der Senat schriftliche Stellungnahmen der am erstinstanzlichen Verfahren Beteiligten sowie des seinerzeitigen Leumundszeugen eingeholt, die in der Berufungshauptverhandlung verlesen wurden.
III
25I. Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Soldaten ist zulässig.
26II. Sie ist jedoch unbegründet.
27Das Rechtsmittel ist von dem Soldaten in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hatte deshalb auf der Grundlage eines ohne schwere Mängel durchgeführten Verfahrens und im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und die sich daraus ergebenden Folgerungen zu ziehen sowie über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
281. Das Verfahren gibt keinen Anlass zu einer Entscheidung nach § 121 Abs. 2 WDO.
29Das Truppendienstgericht war ordnungsgemäß besetzt, so dass kein schwerer Mangel des Verfahrens im Sinne des § 121 Abs. 2 WDO vorliegt.
30Ein Wehrdienstgericht ist nicht vorschriftsgemäß besetzt, wenn ein Richter während einer Hauptverhandlung einen nicht unerheblichen Zeitraum fest schläft und deshalb wesentlichen Vorgängen nicht mehr folgen kann (vgl. - NStZ 1982, 41; 5 B 84.06 - Buchholz 310 § 133 (n.F.) Nr. 88 Rn. 1 ff.; III B 62.10 - [...] Rn. 10; - [...] Rn. 4).
31Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der ehrenamtliche Richter Oberfeldapotheker Bi. während der Hauptverhandlung am von 17:05 Uhr bis 17:17 Uhr nicht geschlafen hat. Denn weder die Aufzeichnungen des Verteidigers noch die Stellungnahmen des Vorsitzenden Richters der 2. Kammer des Truppendienstgerichts Süd Dannenberg, der ehrenamtlichen Richter Oberleutnant V. und Oberfeldapotheker Bi., des Wehrdisziplinaranwalts Leitender Regierungsdirektor H., der Protokollkraft Regierungshauptsekretär M. sowie des erstinstanzlich vernommenen Leumundszeugen Oberstleutnant B. begründen durchgreifende Zweifel daran, dass der ehrenamtliche Richter den Inhalt des verlesenen Gutachtens des Sachverständigen wahrgenommen hat.
32a) Aus den von dem Verteidiger des Soldaten vorgelegten Aufzeichnungen folgt zunächst, dass der Zeitraum, während dessen der ehrenamtliche Richter geschlafen haben soll, weder durchgehend gewesen wäre noch 12 Minuten betragen hätte. Diese Aufzeichnungen vermerken lediglich für den Zeitraum von 17:05 Uhr bis 17:08 Uhr sowie 17:15 Uhr bis 17:17 Uhr, dass der ehrenamtliche Richter schlafe und er sich während des Zwischenraums die Brille aufgesetzt habe. Im Raum steht somit allenfalls ein Zeitraum von insgesamt fünf Minuten, der zudem nicht zusammenhängend war. Dass der ehrenamtliche Richter geschlafen habe, hat der Verteidiger nur aus seinem Erscheinungsbild, insbesondere den geschlossenen Augen, gefolgert.
33b) Dass der ehrenamtliche Richter Oberfeldapotheker Bi. während dieser zwei kurzen Zeiträume die Augen geschlossen hatte, steht nach dessen eigener Aussage zwar fest; daraus folgt jedoch nicht, dass er in dieser Zeit auch geschlafen hat. Das Schließen der Augen kann etwa auch Ausdruck geistiger Entspannung oder besonderer Konzentration sein (vgl. 5 B 105.00 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 38 S. 1 ff. m.w.N.; III B 62.10 - [...] Rn. 10).
34Die Annahme des Verteidigers, der ehrenamtliche Richter habe geschlafen, wird durch keine Stellungnahme gestützt. Der Vorsitzende Richter Dannenberg hat ausdrücklich erklärt, er habe keinerlei Anzeichen dafür feststellen können, dass der ehrenamtliche Richter Bi. zeitweise geschlafen habe; dies wäre ihm während der kurzen Pausen, die er, der Vorsitzende, beim Verlesen des Gutachtens eingelegt habe, aufgefallen. Auch der ehrenamtliche Richter V. wie die Protokollkraft M. haben ausgeführt, ihnen seien während des fraglichen Zeitraums keine Besonderheiten aufgefallen. Der Leumundszeuge B. hat zudem angegeben, diesbezüglich keine Aussage tätigen zu können, weil er zu dem fraglichen Zeitpunkt den Sitzungssaal bereits verlassen habe. Der Vertreter der Wehrdisziplinaranwaltschaft H. konnte ein Schlafen des ehrenamtlichen Richters weder bestätigen, noch bestreiten.
35Der ehrenamtliche Richter Bi. selbst hat erklärt, er könne zwar nicht mit Bestimmtheit sagen, ob er kurzfristig eingenickt sei oder nicht, schließe dies jedoch deshalb aus, weil er an einer hochgradigen Schlafapnoe leide, die sich beim Schlafen durch anormale, für andere wahrnehmbare Atemgeräusche äußere. Er hat vor allem als Grund für die geschlossenen Augen nachvollziehbar angegeben, er habe zuvor umfangreiche Teile des Gutachtens verlesen und die Augen dabei angestrengt. Um sie in dem Gerichtssaal, dessen Luft ohnehin sehr trocken gewesen sei, nicht reiben zu müssen, habe er die Augen geschlossen. Nach seiner Erinnerung habe er den gesamten Inhalt des medizinischen Gutachtens aufgenommen. Die Aufzeichnung des Verteidigers stützt partiell die Annahme, die Augen des ehrenamtlichen Richters seien nicht wegen eines Schlafens geschlossen gewesen. In ihr ist vermerkt, der ehrenamtliche Richter habe nach der ersten Phase vermeintlichen Schlafens (von 17:05 Uhr bis 17:08 Uhr) anschließend wieder die Brille aufgesetzt. Eine solch kontrollierte Handlung steht in deutlichem Widerspruch zu einem etwaigen Hochschrecken, das zudem auch dann nur in Verbindung mit dem Eindruck geistiger Desorientierung den Rückschluss auf eine vorangegangene Schlafphase jenseits eines Sekundenschlafs zuließe (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 5 B 105.00 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 38 S. 2 f. m.w.N. sowie vom - 4 BN 54.03 - Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr. 13 S. 42; III B 62.10 - [...] Rn. 10). Indiziell tritt hinzu, dass der Verteidiger in der erstinstanzlichen Verhandlung keinen Anlass gesehen hat, das Gericht auf einen vermeintlich schlafenden Richter hinzuweisen ( III B 62.10 - [...] Rn. 10).
362. Nach den gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO bindenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Landgerichts M., dessen Rechtskraft durch den außerordentlichen Rechtsbehelf der Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht in Frage gestellt wird und deren Richtigkeit im Sinne von § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO der Senat nicht bezweifelt, zumal die Verteidigung Gründe für einen Lösungsbeschluss nicht behauptet hat, steht folgender Sachverhalt fest:
37a) Zu Anschuldigungspunkt 1: An dem Wochenende vom 6. bis bezeichnete der Soldat seine frühere Lebensgefährtin, welche mit ihm zusammen in der ...straße ... in H. wohnte, im Streit als "Schlampe" und "schlechter Mensch", um sie in ihrer Ehre herabzuwürdigen.
38b) Zu Anschuldigungspunkt 2: An dem Wochenende vom 6. bis hielt der Soldat seiner früheren Lebensgefährtin in der gemeinsamen Wohnung in der ...straße ... in H. mit fuchtelnden Bewegungen eine Schusswaffe der Marke Brünner Modell 75 Kaliber 9 mm Para, ohne den Lauf auf ihren Körper zu richten, mit der Äußerung "Wenn Du das willst" vor, um sie zu zwingen, mit ihm das Wochenende in der Wohnung zu verbringen und um nicht allein mit seiner Mutter in der Wohnung zu sein. Die frühere Lebensgefährtin nahm deshalb von dem Vorhaben Abstand, an diesem Wochenende nach D. zu fahren.
39Dabei befand sich die Munition für diese Waffe jedenfalls in Reichweite.
40c) Zu Anschuldigungspunkt 3: Während eines Streits zwischen dem Soldaten und seiner früheren Lebensgefährtin im Zeitraum 28. Februar bis in der Küche der gemeinsamen Wohnung in der ...straße ... in H. nahm der Soldat ein ca. 20 cm langes Küchenmesser zur Hand, trat von hinten, seitlich links an seine frühere Lebensgefährtin heran und hielt ihr das Messer mit der geschliffenen Klingenseite für wenige Sekunden an die Vorderseite des Halses, ohne sie dabei zu verletzen. Dabei äußerte er sinngemäß "Wenn Du es so willst". Er handelte, um sie zu zwingen, davon Abstand zu nehmen, sich von ihm zu trennen. Die frühere Lebensgefährtin lenkte deswegen ein und konfrontierte ihn zunächst nicht mehr mit Trennungsabsichten.
41d) Zu Anschuldigungspunkt 4: Am hinderte der Soldat seine frühere Lebensgefährtin wissentlich und willentlich von 11:30 Uhr bis 11:55 Uhr daran, die Wohnung ...straße ... in H. zu verlassen, indem er die Wohnungstür von innen absperrte und den zweiten Wohnungsschlüssel an sich nahm.
42e) Zu Anschuldigungspunkt 5: Am in der Zeit von 11:30 Uhr bis 11:55 Uhr warf der Soldat in der gemeinsamen Wohnung ...straße ... in H. seine frühere Lebensgefährtin wissentlich und willentlich unter Einsatz eines Kampfsportgriffes zwei Mal zu Boden, wodurch sie sich eine leicht schmerzhafte Abschürfung am rechten Unterarm zuzog. Ferner trat er sie wissentlich und willentlich unvermittelt mit dem unbeschuhten Fuß wuchtig gegen die Brust, wodurch sie eine schmerzhafte Prellung des Oberbauches erlitt, die zu einem Hämatom führte. Ferner bezeichnete er sie als "Schlampe" und "schlechter Mensch'', um sie in ihrer Ehre herabzuwürdigen.
43f) Zu Anschuldigungspunkt 6: Nachdem der Soldat am von dem PK R. mit dem Vorwurf konfrontiert worden war, seine frühere Lebensgefährtin eingesperrt und zu Boden geworfen zu haben, begab er sich in die Küche der Wohnung ...straße ... in H. und fügte sich mit einem Messer eine ca. 3 cm lange, ca. 0,5 cm in den Bauchraum hineinreichende, leicht klaffende und leicht blutende Wunde am Übergang vom linken Mittel- zum Unterbauch zu. Im Anschluss begab er sich ins Wohnzimmer, zog sein T-Shirt hoch, äußerte PK R. gegenüber "wenn das so ist, habe ich auch etwas zu sagen und vorzuzeigen" und zeigte ihm die mit einem Zewa-Tuch zugedeckte Schnittverletzung. Er erklärte, dass seine frühere Lebensgefährtin ihm gegenüber aggressiv geworden sei. Am stellte er schriftlich Strafantrag, wobei er wusste und wollte, dass die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen sie wegen gefährlicher Körperverletzung eine notwendige Folge der von ihm geäußerten Beschuldigung bei der Vernehmung am sein würde. Gegen die frühere Lebensgefährtin wurde ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet, welches gemäß § 154e Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt und von ihr als belastend empfunden wurde.
443. Der Soldat hat damit insgesamt vorsätzlich und damit schuldhaft ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.
45a) Die unter Anschuldigungspunkt 1 und 5 angeschuldigten Beleidigungen begründen keine Pflichtverletzungen im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. SG. Insoweit war der Soldat freizustellen. Die Beleidigungen stellen ein außerdienstliches Verhalten dar, weil sie sowohl außer Dienst als auch außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen geäußert wurden; sie sind jedoch nicht geeignet, die Achtung und das Vertrauen, die die dienstliche Stellung des Soldaten erfordert, im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. SG "ernsthaft" zu beeinträchtigen. § 185 StGB sanktioniert die einfache Beleidigung mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Nach diesem Strafrahmen handelt es sich noch nicht um eine so schwerwiegende Straftat, dass ihre außerdienstliche Begehung für sich genommen schon ausreicht, um die von § 17 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. SG gemeinten ernsthaften Zweifel an der Integrität eines Soldaten zu begründen. Ein Rückgriff auf § 7 SG scheidet hier aus ( 2 WD 5.13 - Buchholz 449 § 17 SG Nr 44 Rn. 47 m.w.N. sowie Rn. 53).
46b) Jedoch hat der Soldat durch die unter Anschuldigungspunkt 2 bezeichnete vorsätzliche Bedrohung seiner früheren Lebensgefährtin mit einer Schusswaffe gegen die Pflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. SG verstoßen, sich auch außerhalb des Dienstes und außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordern, nicht beeinträchtigt.
47Die Achtungs- und die Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen diese Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob eine Ansehensschädigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen ( 2 WD 11.13 - [...] Rn. 60 m.w.N.). Dies ist bei dem strafrechtlich relevanten Verhalten des Soldaten der Fall. Da es vom Landgericht M. zutreffend als Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB qualifiziert wurde, die mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren strafbewehrt ist, steht auch die Ernsthaftigkeit der Beeinträchtigung i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. SG fest.
48c) Gegen § 17 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. SG hat der Soldat somit ebenso durch die unter Anschuldigungspunkt 3 angeschuldigte vorsätzlich begangene weitere Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) sowie durch die jeweils mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bewehrte vorsätzlich begangene, unter Anschuldigungspunkt 4 angeschuldigte Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB), die vorsätzlich begangenen, unter Anschuldigungspunkt 5 angeschuldigten Körperverletzungen (§ 223 Abs. 1 StGB) sowie durch die unter Anschuldigungspunkt 6 angeschuldigte ebenfalls vorsätzlich begangene falsche Verdächtigung (§ 164 Abs. 1 StGB) verstoßen.
494. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr"). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen ( 2 WD 11.13 - [...] Rn. 61).
50a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen außerordentlich schwer.
51Der Soldat hat durch mehrere Pflichtverletzungen - zwei Nötigungshandlungen, drei körperliche Misshandlungen, eine Freiheitsberaubung sowie durch eine falsche Verdächtigung - wiederholt gegen dieselbe Pflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. SG verstoßen. Dabei ändert an der besonderen Schwere des Dienstvergehens nichts, dass bei dem Anschuldigungspunkt 2 von keiner geladenen Schusswaffe auszugehen war. Zwar verringerte sich dadurch das Gefährdungsrisiko für die frühere Lebensgefährtin; deren psychische Belastung blieb davon jedoch unbeeinflusst, weil sie sich durch eine geladene Schusswaffe bedroht sah und sich die psychische Belastung subjektiv bestimmt.
52Der Soldat ist zudem nicht davor zurückgeschreckt, die Strafverfolgungsorgane in die Irre zu führen und staatliche Organe für eine private Vergeltung zu instrumentalisieren. Die Verstöße waren zudem durchgehend strafrechtlich relevant und von solchem Gewicht, dass sie durch die Strafverfolgungsorgane auch mit einer nur wenig unterhalb der Grenze der §§ 54 Abs. 2 Nr. 2, 48 Satz 1 Nr. 2 SG für den Verlust der Rechtsstellung liegenden Freiheitsstrafe massiv geahndet wurden.
53Die Pflicht eines jeden Soldaten, sich auch außer Dienst außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt, ist von erheblicher Bedeutung. Es handelt sich bei ihr nicht um eine bloße soldatische Nebenpflicht. Wegen ihres funktionalen Bezugs zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs kommt der Pflichtenregelung des § 17 Abs. 2 Satz 2 SG ein hoher Stellenwert zu. Ein Soldat, insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der uneingeschränkten Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des uneingeschränkten Vertrauens seiner militärischen Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der ordnungsgemäße Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dies setzt nicht nur inner-, sondern auch außerdienstlich ein untadeliges Verhalten voraus, weil der Charakter eines Menschen und die Wertung seiner Festigkeit und Lauterkeit unteilbar sind (vgl. 2 WD 9.09 - [...] Rn. 22 sowie vom - 2 WD 34.10 - [...] Rn. 97).
54Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden des Weiteren dadurch bestimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberleutnant und somit als Offizier in einem herausgehobenen Vorgesetztenverhältnis stand. Soldaten in Vorgesetztenstellung - noch dazu Offizieren - obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung der verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus ( 2 WD 36.12 - Rn. 37).
55b) Das Dienstvergehen zeitigte in mehrfacher Hinsicht nachteilige Auswirkungen. Zum einen erlitt die frühere Lebensgefährtin des Soldaten durch die Körperverletzungen Schmerzen. Mit ihnen gingen psychische Belastungen wegen des gegen sie eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens einher. Zum anderen hatte das Dienstvergehen Auswirkungen auf den Dienstbetrieb. Zwar ist es nach der glaubhaften Aussage des Leumundszeugen Oberstleutnant D. über den Kreis der Vorgesetzten hinaus nicht bekannt geworden; der Soldat wird jedoch nicht wie zunächst geplant in seiner neuen Einheit als Zugführer verwendet, sondern im Stabsdienst eingesetzt. Dass das Dienstvergehen bei den Strafverfolgungsorganen bekannt wurde, ist zwar nicht zu Lasten des Soldaten zu berücksichtigen ( 2 WD 36.12 - Rn. 43), wohl aber der Umstand, dass er durch die falsche Verdächtigung Arbeitskraft der Strafverfolgungsbehörden gebunden hat.
56c) Das Maß der Schuld des Soldaten wird durch sein vorsätzliches Handeln bestimmt.
57aa) Der Soldat war zum Zeitpunkt der Pflichtverletzungen in seiner Schuldfähigkeit nicht im Sinne des § 21 StGB erheblich eingeschränkt.
58Diesem Umstand ist gemäß § 106 Abs.1 WDO nachzugehen. Dass das Landgericht M. die Voraussetzungen des § 21 StGB verneint hat, entbindet davon nicht. Die Bindungswirkung rechtskräftiger Strafurteile erfasst nur die Feststellungen, die zu den objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen der jeweiligen Strafnorm gehören und nicht diejenigen, die für die Frage der verminderten Schuldfähigkeit bedeutsam sind (s.o. 4. und 2 WD 23.13 - [...] Rn. 42 m.w.N.).
59Die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Soldaten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe - krankhafte seelische Störung, tiefgreifende Bewusstseinsstörung, Schwachsinn oder andere schwere seelische Abartigkeit - zum Zeitpunkt des Dienstvergehens aufgehoben oder - wie vorliegend allein bedeutsam - jedenfalls erheblich vermindert war, vollzieht sich in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren, wobei es sich sowohl bei der Bejahung der Eingangsmerkmale des § 20 StGB als auch bei der Annahme einer rechtserheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit um Rechtsfragen handelt, für die der Zweifelsatz nicht gilt. Danach ist zunächst die Feststellung erforderlich, dass bei dem Soldaten eine psychische Störung vorlag, die unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist (zusammenfassend 2 WD 35.11 - Rn. 63 f.).
60Es lässt sich bereits ausschließen, dass ein Eingangsmerkmal der in § 20 StGB bezeichneten Art vorlag, welches die Schuldfähigkeit des Soldaten zum Zeitpunkt des Dienstvergehens erheblich hätte mindern können. Das ergibt sich aus dem in der Berufungshauptverhandlung mündlich erläuterten Gutachten des Sachverständigen Dr. S., das auf den im schriftlichen Gutachten vom dargelegten Erhebungen fußt. Danach wurden die Pflichtverletzungen in einer als affiziert anzusehenden Gesamtsituation begangen wie dies im Rahmen von Beziehungskrisen allgemein der Fall ist.
61Das in der Berufungshauptverhandlung mündlich vertretene Gutachten genügt den daran zu stellenden Anforderungen an Verlässlichkeit und Überzeugungskraft. Zweifel an der Methodik und Wissenschaftlichkeit des Gutachtens bestehen nicht, wobei insoweit das mündlich erstattete Gutachten maßgeblich ist. Insoweit bleibt ohne Belang, dass der Gutachter in seinem schriftlichen Gutachten (auf Seite 75) missverständlich ausgeführt hat, eine akute posttraumatische Belastungsstörung klinge im Allgemeinen binnen sechs Monaten ab. In der Berufungshauptverhandlung wurde deutlich, dass der Gutachter annimmt, Phänomene dafür würden im Allgemeinen binnen sechs Monaten auftreten; dies entspricht auch den Angaben gemäß ICD-10-GM F.43.1 der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, Fassung 2015 (https://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10-gm/kodesuche/onlinefassungen/htmlgm2015/). Hinzu kommt noch, dass der Gutachter weder die Anfangskriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung noch ihre Symptome beim Soldaten feststellen konnte. Wenn eine posttraumatische Belastungsstörung hiernach aber zu keinem Zeitpunkt aufgetreten ist, kommt es nicht darauf an, binnen welcher Frist sie abklingen würde.
62Dem Gutachten sind die tatsächlichen Grundlagen zu entnehmen, die der Senat benötigt, um im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 21 StGB die sich stellenden Rechtsfragen beantworten zu können. Es basiert auf der Auswertung der Strafverfahrensakte sowie auf einer am von dem Sachverständigen durchgeführten mehrstündigen ambulanten Begutachtung des Soldaten. Der Gutachter ist Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie, forensische Psychiatrie und Verkehrsmedizin und durch zahlreiche forensische Begutachtungen ausgewiesen und wissenschaftlich qualifiziert (zu den formalen Anforderungen an ein Sachverständigengutachten: 2 WD 20.13 - [...] Rn. 33 ff.). Dass sich der Gutachter in der Berufungshauptverhandlung Formulierungen wie etwa "der ganz normale Beziehungswahnsinn" bedient hat, um den im Gutachten (auf Seite 82) fachterminologisch als "prinzipielle Psychopathologie von Beziehungsstreitigkeiten" bezeichneten Umstand auch für medizinische Laien mittels plastischer Formulierungen verständlich zu machen, nimmt seinen Aussagen - anders als von der Verteidigung eingewandt - nicht ihren wissenschaftlichen Gehalt.
63Das 86 Seiten umfassende Gutachten gibt den Inhalt der ausgewerteten Unterlagen und ausführlich auch die Angaben des Probanden wieder. Es erläutert die Befunde auf der Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungsmethoden und legt dar, aus welchen Gründen die klassischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB nicht vorliegen. Ausweislich Seite 53 des durch Verlesung in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Berufungsurteils zu den seinerzeitigen Aussagen des Sachverständigengutachtens, deren Richtigkeit der Gutachter in der Berufungshauptverhandlung bestätigt hat, bestehen bei dem Soldaten insbesondere keine psychopathologischen Auffälligkeiten. Vor allem hat der Gutachter auch in der Berufungshauptverhandlung ausführlich und nachvollziehbar begründet, warum der zentrale Einwand der Verteidigung, der Tod des Vaters habe bei dem Soldaten zu einer seine Schuldfähigkeit erheblich vermindernden posttraumatischen Belastungsstörung geführt, unzutreffend ist.
64Der Gutachter hat dazu im Wesentlichen dargelegt, der Soldat habe sehr rational gehandelt, nachdem er erfahren habe, dass sein Vater in der ... verschollen sei. Er sei nach B. in dessen Wohnung gefahren, um dort den Inhalt des Safes zu sichern. Darüber hinaus habe er die Reise in die ... zusammen mit seiner früheren Lebensgefährtin geplant und nicht überstürzt angetreten, sich mithin weiter rational handelnd und zielgerichtet gezeigt. In der ... sei er auch nicht unvorbereitet mit dem Anblick des toten Vaters konfrontiert worden. Vielmehr habe man ihm vorher mitgeteilt, dass dessen Leichnam aufgefunden worden sei. Auch nach der Rückkehr habe sich der Soldat psycho-sozial unauffällig verhalten, insbesondere den Dienst wieder zielstrebig aufgenommen, ihn ordnungsgemäß versehen, seine Beziehung fortgeführt und den Nachlass des Vaters abgewickelt. Weder seien bei ihm so genannte "Flashbacks" noch sonstige für eine posttraumatische Belastungsstörung charakteristische Symptome - wie Schlaflosigkeit, Potenzstörungen, Übelkeit, Schwindel, Tremor, Lustlosigkeit, Appetitlosigkeit, Fluchtreaktionen, Depressionen, Isolation, Somatisierungen, Dissoziation, Selbstverletzungen, Substanzmissbrauch oder das so genannte Da-Costa-Syndrom - aufgetreten; keinen "Flashback" bilde insbesondere das auf Seite 34 des Gutachtens beschriebene Geschehen. Dass der Soldat weine, wenn er mit Vaterbezug aufweisenden Liedern konfrontiert werde, spreche für eine normale psychologische Trauerarbeit und nicht für pathologische Strukturen. Der Verlust der Eltern gehöre ab einem gewissen Lebensalter zu einer normalen menschlichen Erfahrung; sie sei nicht vergleichbar mit Auswirkungen wie Naturkatastrophen, Gewaltverbrechen (wie Vergewaltigung, Folter, Geiselnahme), eines (eigenen) Unfalls, Kriegshandlungen, Verlust der sozialen Stellung oder des sozialen Bezugsrahmens. Der Soldat habe vielmehr nach dem Tod seines Vaters eine normale Trauerarbeit geleistet, die keine Depression mit Krankheitswert sei. Durch den Tod des Vaters habe die seinerzeit bereits labile Beziehung des Soldaten zu seiner früheren Lebensgefährtin allerdings einen größeren Stellenwert mit möglicherweise vermehrten Anklammerungstendenzen erlangt. Die milden narzisstischen und anankastischen Akzentuierungen des Soldaten, welche sich gegenseitig kompensierten, bewegten sich in der Kombinationswirkung im Rahmen der Normalvarianz und erfüllten nicht das Merkmal einer schweren (anderen) seelischen Abartigkeit. Es bestehe lediglich ein mehr oder weniger unbegründetes Beharren auf der Unterordnung anderer unter eigene Gewohnheiten. Damit ist zugleich der weitere Einwand der Verteidigung entkräftet, es lägen bei dem Soldaten Ansätze einer anankastischen Persönlichkeitsstörung (vgl. ICD-10-GM F60.5) vor, denen das Truppendienstgericht näher hätte nachgehen müssen.
65Die massiven Auseinandersetzungen des Soldaten mit seiner früheren Lebensgefährtin seien im Rahmen von Beziehungsstreitigkeiten nicht außergewöhnlich. Die Trennung sei für den Soldaten auch nicht plötzlich gekommen, weil es bereits zuvor Auseinandersetzungen deswegen gegeben habe.
66Allerdings sei eine gewisse, aus der Situation heraus begründete Einengung der Steuerungsfähigkeit bei den Vorgängen nach den Anschuldigungspunkten 4 und 5 festzustellen, welche daraus resultiere, dass sich der Soldat massiv bedrängt gefühlt habe. Da der Soldat mit dem unangekündigten Auszug der Lebensgefährtin nicht gerechnet habe, habe er sich durch das plötzliche Auftauchen der Umzugshelfer in seiner dominanten Position in der Partnerschaft bedroht gefühlt. Diese Furcht sei vor dem Hintergrund seiner narzisstisch-zwanghaften Züge mitursächlich für sein aggressives Verhalten geworden. Die mit dieser Bewusstseinsstörung einhergehende Einschränkung der Steuerungsfähigkeit liege allerdings deutlich unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des § 21 StGB. Dass der Soldat in seiner Steuerungsfähigkeit nicht stark eingeschränkt gewesen sei, ergebe sich daraus, dass er in der Lage gewesen sei, seine pekuniären Interessen rational handelnd zu verfolgen. Soweit der Gutachter hier eine gewisse Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht ausschließen konnte, sei aber das Geschehen nach dem Anschuldigungspunkt 6 nicht betroffen. Dort habe der Soldat mit forensischem Kalkül in einer Art "Vorwärtsverteidigung" in realistischer Einschätzung seiner Lage seine Interessen verfolgt. Sein gesamtes Vorgehen spreche deutlich gegen eine Affektsteuerung.
67Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die sachverständigen Feststellungen unzutreffend sind und der Senat sie seiner rechtlichen Bewertung deshalb nicht zugrunde legen dürfte. Dass der beim Truppendienstgericht vernommene Leumundszeuge als medizinischer Laie den Einfluss des Todes des Vaters auf den Soldaten anders bewertet als der Sachverständige, erschüttert das Gutachten entgegen den Ausführungen der Berufungsbegründung nicht. Die gutachterlichen Feststellungen werden zudem untermauert zum einen durch die Aussage des Soldaten selbst. Er hat gleich zu Beginn in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt, er weise eine hohe Stressresistenz auf, auch nach dem Tod seines Vaters; die Belastungen des gerichtlichen Verfahrens könne er allerdings psychisch nicht mehr tragen. Zum anderen hat auch die den Soldaten seit August 2014 behandelnde Psychotherapeutin R. ausgeführt, nach dem Tod des Vaters habe sich bei dem Soldaten eine "normale Trauerreaktion" eingestellt, dessen Verhalten am stelle sich (nur) als "akute Belastungsreaktion" (F.43.0) dar. Die nunmehr diagnostizierte mittelgradige Depression sei ausschließlich eine Folge des Gerichtsverfahrens.
68bb) Da der Gutachter in der Berufungshauptverhandlung nicht auszuschließen vermochte, dass bei dem Soldaten während der Geschehnisse nach den Anschuldigungspunkten 4 und 5 eine gewisse, wenn auch unzweifelhaft deutlich unterhalb des § 21 StGB verbleibende Einengung der Steuerungsfähigkeit vorlag, hat der Senat zu Gunsten des Soldaten insoweit vom Vorliegen eines mildernden Umstandes auszugehen ( 2 WD 25.11 - [...] Rn. 74 sowie vom - 2 WD 35.11 - [...] Rn. 94).
69Entlastende Umstände sind nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" schon dann beachtlich, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist. Für die Berücksichtigung von Milderungsgründen genügt, wenn für sie hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, sodass sich ihr Vorliegen nicht ausschließen lässt. Lässt sich deshalb nach erschöpfender Sachaufklärung - wie vorliegend - nicht ohne vernünftigen Zweifel ein Sachverhalt ausschließen, der eine verminderte Schuldfähigkeit ergibt, ist dies in die Gesamtwürdigung einzustellen ( 2 WD 35.11 - [...] Rn. 62 m.w.N.).
70cc) Der klassische Milderungsgrund der seelischen Ausnahmesituation ist dagegen nicht gegeben. Er liegt als Milderungsgrund in den Umständen der Tat erst dann vor, wenn die Situation von so außergewöhnlichen Besonderheiten geprägt war, dass von dem Soldaten ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte ( 2 WD 22.11 - [...] Rn. 42). Soweit der Senat die affektive Belastung des Soldaten anlässlich der Geschehnisse am ohnehin als mildernden Umstand berücksichtigt, ist sie nicht doppelt zu seinen Gunsten auch als seelische Ausnahmesituation zu würdigen. Wegen anderer Tatkomplexe als den Anschuldigungspunkten 4 und 5 erreicht die affektive Belastung keinen Grad an Zuspitzung, dass ein normgemäßes Verhalten kaum noch erwartet werden kann.
71dd) Dem Soldaten kann auch nicht der Milderungsgrund der einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten zugutegehalten werden (zu den Anforderungen: vgl. 2 WD 11.12 - Rn. 40 m.w.N.).
72Die festgestellten Pflichtverletzungen stellen sich durchgängig als Versuch des Soldaten dar, seine dominante Position in der Partnerschaft durch aggressive Verhaltensweisen oder Drohungen mit Gewalt zu erhalten. Der Senat bewertet sie daher nicht als persönlichkeitsfremd. Er folgt insoweit den Aussagen des Gutachters in der Berufungshauptverhandlung. Der Sachverständige hat die Persönlichkeitsfremdheit auf ausdrückliche Nachfrage des Senats verneint. Seine Feststellung ist für den Senat schon angesichts der Vielzahl der vergleichbaren Pflichtverletzungen nachvollziehbar.
73d) Soweit es die Persönlichkeit und die bisherige Führung des Soldaten betrifft, liegen sowohl für ihn sprechende als auch neutrale Umstände vor.
74aa) Für ihn sprechen seine überdurchschnittlichen Leistungen. Sie finden in der Abschlussnote "gut" des Offizierlehrgangs, dem Studienabschluss ebenfalls mit "gut", der Feststellung in der Regelbeurteilung vom , der Soldat gehöre innerhalb seines Jahrgangs zur Leistungsspitze, der Sonderbeurteilung vom mit der Note "6,50", der Aussage des Leumundszeugen Oberstleutnant B., der Soldat stehe im vorderen Leistungsdrittel, und schließlich in der Aussage des Leumundszeugen Oberstleutnant D., die Leistungen des Soldaten seien mit "7,50" zu bewerten, Ausdruck. Insbesondere die aktuelle Leistungsbeurteilung belegt auch eine Nachbewährung. Sie ist festzustellen, wenn durch das Gesamtverhalten eines Soldaten im Laufe des gerichtlichen Disziplinarverfahrens deutlich wird, dass das Verfahren selbst nachhaltig pflichtenmahnend auf ihn wirkt und er durch seine dienstliche Führung in jeder Hinsicht dokumentiert, dass er die durch die Pflichtverletzungen begründeten Zweifel an seiner charakterlichen Integrität und fachlichen Eignung durch besonders korrekte Pflichterfüllung ausräumen will ( 2 WD 11.12 - Rn. 47).
75bb) Dass der Soldat vorher straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet war, ist hingegen kein für ihn sprechender Umstand von Gewicht, weil er hiermit nur die Mindesterwartungen des Dienstherrn pflichtgemäß erfüllte ( 2 WD 23.13 - [...] Rn. 58).
76cc) Soweit der Soldat die Pflichtverletzungen im Wesentlichen weiterhin in Abrede gestellt hat, ist sein Aussageverhalten nicht als negatives Persönlichkeitsmerkmal zu bewerten, weil für ihn keine Verpflichtung besteht, sich selbst zu belasten, und er insoweit von der Wahrheitspflicht gemäß § 13 Abs. 1 SG entbunden ist ( 2 WD 28.08 - Rn. 38 m.w.N.). Ein solches Aussageverhalten steht jedoch einer günstigen Persönlichkeitsbeurteilung des Inhalts entgegen, der Soldat habe Einsicht gezeigt und sich mit seiner Verantwortung für die Tat kritisch auseinander gesetzt ( 2 WD 16.08 - [...] Rn. 73).
77e) Die Beweggründe des Soldaten sprechen durchgehend gegen ihn. Das Motiv, Konflikte unter Einsatz von Gewalt zu lösen, ist in hohem Maße sozialschädlich und gefährdet das Zusammenleben in der Gesellschaft, das auf eine friedliche Konfliktlösung angewiesen ist; zudem untergräbt es das staatliche Gewaltmonopol, an dessen Wahrung einem Soldaten besonders gelegen sein muss. Verwerflich ist ebenso das Motiv, unter Irreführung von Strafverfolgungsorganen in privaten Angelegenheiten Vergeltung zu üben.
78f) Bei der Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die gemäß § 58 Abs. 7 WDO auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren maßgeblichen Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts die Entfernung des Soldaten aus dem Dienstverhältnis gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 63 Abs. 1 WDO erforderlich und angemessen.
79Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. 2 WD 9.09 - [...] Rn. 35 ff.) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:
80aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Den Schwerpunkt des Dienstvergehens bilden vorliegend die unter Anschuldigungspunkt 4 bis 6 bezeichneten Pflichtverletzungen, welche im Strafverfahren als Freiheitsberaubung, (dreifache) Körperverletzungen sowie falsche Verdächtigung geahndet wurden.
81Schon für die falsche Verdächtigung (nach § 164 Abs. 1 StGB) bildet den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Herabsetzung im Dienstgrad (§ 58 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 62 Abs. 1 WDO), weil der Senat bereits bei vorsätzlichen uneidlichen Falschaussagen vor Gericht (nach § 153 StGB) diese Maßnahmeart zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bestimmt hat ( 2 WD 10.08 - Rn. 61 Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 27 und vom - 2 WD 9.91 - BVerw-GE 93, 171 <172 f.>). Zur Begründung hat er ausgeführt, ein Soldat wirke mit der (uneidlichen) Falschaussage einem anderen Staatsorgan bei der Aufgabenerfüllung entgegen. Mit dem Versuch, die gerichtliche Wahrheitsfindung zu vereiteln, untergrabe der Soldat seine Glaubwürdigkeit im dienstlichen Bereich, der gerade für das Soldatenverhältnis besondere Bedeutung zukomme. Da das geschützte Rechtsgut bei der uneidlichen Falschaussage (§ 153 StGB) ebenso wie bei der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) die staatliche Rechtspflege ist (Fischer, Kommentar StGB, 62. Aufl. 2015, vor § 153 Rn. 2) und bei § 164 StGB zudem noch der Schutz des zu Unrecht Beschuldigten als schuld- und taterschwerendes Rechtsgut hinzu tritt (Fischer, Kommentar StGB, 62. Aufl. 2015, § 164 Rn. 2) rechtfertigt die Verletzung derselben Rechtsgüter die Ahndung des vergleichbaren Fehlverhaltens mit derselben Maßnahmeart.
82Wegen der außerdienstlich begangenen vorsätzlichen Körperverletzungen bildet den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Herabsetzung im Dienstgrad jedenfalls dann, wenn eine brutale körperliche Misshandlung vorliegt (vgl. 2 WD 36.12 - [...] Rn. 57 m.w.N.). Sie ist anzunehmen, wenn die qualifizierenden Tatbestandsmerkmale nach den §§ 224 bis 227 StGB erfüllt sind ( 2 WD 18.11 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 37 Rn. 32) oder in der Verletzungshandlung in der Intensität der Schutzgutverletzung eine kriminelle Energie zum Ausdruck kommt, die mit derjenigen einer gefährlichen Körperverletzung vergleichbar ist und die wegen des Maßes an Disziplinlosigkeit in vergleichbarer Weise Zweifel an der Integrität eines Soldaten weckt ( 2 WD 21.12 - Rn. 43). Vorliegend begründet zumindest der wuchtige Tritt gegen die Brust der früheren Lebensgefährtin eine brutale körperliche Misshandlung.
83Mithin prägen Pflichtverletzungen den Schwerpunkt des Dienstvergehens, die je für sich genommen bereits eine Dienstgradherabsetzung verlangen. Von dieser Maßnahmeart gehen die Zumessungserwägungen im Folgenden aus, während der Häufung derartig schwerer Pflichtverletzungen auf der zweiten Stufe der Bemessungserwägungen Rechnung zu tragen ist.
84bb) Auf der zweiten Stufe ist sodann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf be- und entlastende Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet ( 2 WD 4.13 - [...] Rn. 73 sowie vom - 2 WD 11.13 - [...] Rn. 75).
85Danach erfordern erschwerende Umstände den Übergang zur Entfernung aus dem Dienstverhältnis als nächst höherer Maßnahmeart deshalb, weil durch sie das Vertrauensverhältnis zwischen dem Soldaten und dem Dienstherrn irreversibel zerstört worden ist ( 2 WD 7.13 - [...] Rn. 62 m.w.N.).
86aaa) Dass das Dienstvergehen nicht mehr tat- und schuldangemessen mit einer Dienstgradherabsetzung zu sanktionieren, eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses dem Dienstherrn nicht mehr zumutbar ist, ergibt sich in erster Linie aus der Häufung gravierender einzelner Pflichtverletzungen. So hat der Soldat bereits mit den Taten vom mehrfach eine Dienstgradherabsetzung verlangende Einzeltaten begangen. Auch an diesem Tag traten zudem weitere einfache Körperverletzungshandlungen gegen die frühere Lebensgefährtin und eine Freiheitsberaubung hinzu. Zusätzlich muss auch den weiteren Pflichtverletzungen nach den Anschuldigungspunkten 2 und 3 Rechnung getragen werden. Mögen diese auch je für sich betrachtet, noch keine Dienstgradherabsetzung verlangen, führt die Summe der hier in Rede stehenden einzelnen Pflichtverletzungen jedenfalls dazu, dass der Senat von einem besonders schweren Fall ausgeht.
87Sämtliche Pflichtverletzungen waren zudem nicht nur strafrechtlich relevant, sondern wurden auch mit einer Freiheitsstrafe geahndet und dies in einer Höhe, die ihre Sozialschädlichkeit dokumentiert. Der bereits zum Zeitpunkt der Tat über eine ATN als Schießlehrer verfügende Soldat bediente sich ferner bei der unter Anschuldigungspunkt 2 beschriebenen Pflichtverletzung einer Schusswaffe und überschritt damit die in seiner Ausbildung aufgebaute Hemmschwelle, worauf die Vorinstanz mit Recht verweist. Bei alledem schreckte er nicht davor zurück, staatliche Institutionen zu Vergeltungszwecken zu instrumentalisieren. Dass ihn selbst sein Dienstgrad im Offiziersrang davon nicht abhielt, verleiht dem Dienstvergehen noch zusätzliche Schwere.
88bbb) Da das Gewicht mildernder Umstände umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen wiegt ( 2 WD 11.13 - [...] Rn. 79 m.w.N.), sind sowohl die überdurchschnittlichen Leistungen des Soldaten als auch dessen Nachbewährung nicht geeignet, von der gebotenen Maßnahmeart abzuweichen und zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zurückzukehren. Überdurchschnittliche Leistungen sind nicht geeignet, einen gravierenden Persönlichkeitsmangel zu relativieren oder zu kompensieren. Dies widerspräche dem Grundsatz, dass der Charakter eines Menschen und die Wertung seiner Festigkeit und Lauterkeit unteilbar sind ( 2 WD 2.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 6 Rn. 46).
89Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Soldat nach den insoweit glaubhaften Bekundungen der ihn behandelnden Psychotherapeutin unter den Folgen der gerichtlichen Verfahren leidet und wegen einer mittelgradigen Depression in Behandlung ist. Bei der Bemessung von Art und Ausmaß der erforderlichen Pflichtenmahnung müssen zwar im Hinblick auf die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts in spezialpräventiver Hinsicht sowie im Hinblick auf das Gebot der Verhältnismäßigkeit die den Soldaten objektiv und subjektiv belastenden bereits eingetretenen und voraussichtlichen künftigen Auswirkungen bei der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden ( 2 WD 13.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 25 Rn. 54). Dies darf jedoch nicht dazu führen, gesetzgeberische Wertungen zu unterlaufen ( 2 WD 7.11 -Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 9 Rn. 41). Dazu käme es indes, wenn trotz des vollständigen Vertrauensverlustes nur deshalb nicht die Entfernung aus dem Dienstverhältnis ausgesprochen werden dürfte, weil sich der Soldat Folgen für ein Verhalten ausgesetzt sieht, für das letztlich er die Verantwortung trägt (vgl. 2 WD 42.97 - BVerwGE 113, 235 <240> und vom - 2 WD 6.07 - [...] Rn. 116).
90Ebenso wenig erlangt die im Zusammenhang mit den Pflichtverletzungen entsprechend den Anschuldigungspunkten 4 und 5 festgestellte Einschränkung der Steuerungsfähigkeit das Gewicht eines klassischen Milderungsgrundes. Zum einen bewegt sich die Einschränkung der Steuerungsfähigkeit erheblich unter der Schwelle des § 21 StGB; zum anderen bezieht sie sich nur auf zwei von insgesamt sechs Anschuldigungspunkten. Daher bewertet der Senat diesen Aspekt auch zusammen mit den positiven Aspekten in der Person nicht als hinreichend gewichtig, um von der verwirkten Höchstmaßnahme abzusehen.
91Dass die Pflichtverletzungen bereits strafrechtlich mit einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten geahndet worden sind, begründet ebenfalls keinen mildernden Umstand. Weder § 16 Abs. 1 noch § 17 Abs. 2 bis 4 WDO verbieten, die Höchstmaßnahme zu verhängen. Steht im Einzelfall - wie hier - § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen (vgl. 2 WD 11.13 - [...] Rn. 76 m.w.N.).
925. Da die Berufung des Soldaten erfolglos ist, sind ihm gemäß § 139 Abs. 2 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Gemäß § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO trägt er auch die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen.
Fundstelle(n):
LAAAE-94162