BVerwG Beschluss v. - 2 B 56.07

Leitsatz

Die Kürzung der beihilfefähigen Aufwendungen um die sog. Praxisgebühr gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV führt nicht zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Benachteiligung derjenigen Beamten, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind (im Anschluss an BVerwGE 125, 21 <31 ff.>).

Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1; SGB V § 28 Abs. 4; BhV § 12 Abs. 1 Satz 2

Instanzenzug: VG Berlin VG 28 A 337.04 vom OVG Berlin-Brandenburg OVG 4 B 31.05 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr.1 VwGO gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht entschieden, die dem Kläger bewilligte Beihilfe sei zu Recht gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 der Beihilfevorschriften - BhV - um die sog. Praxisgebühr von 10 € gekürzt worden. Zwar würden Beamte, die wie der Kläger in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert seien, auch gemäß § 28 Abs. 4 SGB V zu einer entsprechenden Praxisgebühr herangezogen. Aus ihrer Doppelbelastung ergebe sich aber keine gleichheitswidrige Benachteiligung gegenüber den privat versicherten Beamten. Die Beamten müssten als Folge ihrer Entscheidung für die gesetzliche Krankenversicherung grundsätzlich auch die Nachteile hinnehmen, die ihnen aufgrund der Strukturunterschiede der verschiedenen Sicherungssysteme entstünden.

Der Kläger wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob es rechtlich zulässig sei, dass auch Beamte, die in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert seien und daher die Praxisgebühr auf Grund der Vorschriften der GKV zu zahlen hätten, im Rahmen der Beihilfe zusätzlich eine entsprechende Eigenbeteiligung tragen müssten.

Nach seiner Auffassung werden durch die unterschiedslose Geltung der Kürzungsregelungen gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV für privat und gesetzlich krankenversicherte Beamte ungleiche Sachverhalte ohne sachlichen Grund gleichbehandelt. Denn durch diese Regelungen sei die Praxisgebühr gemäß § 28 Abs. 4 SGB V in das Beihilferecht übertragen worden, um eine möglichst gleiche Belastung von Beamten und gesetzlich Versicherten zu erreichen. Dieser Zweck könne bei gesetzlich krankenversicherten Beamten nicht erreicht werden.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf ( BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; stRspr).

Diese Voraussetzungen sind nicht hier gegeben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung schon deshalb ausscheidet, weil es sich bei den Beihilfevorschriften um auslaufendes Recht handelt, das nur noch für eine Übergangszeit anzuwenden ist ( BVerwG 2 C 34.02 - BVerwGE 121, 103 <105 ff.>). Denn es besteht kein Bedarf an der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil die aufgeworfene Rechtsfrage aufgrund des Urteils des Senats vom - BVerwG 2 C 35.04 - (BVerwGE 125, 21 <31 ff.>) ohne weiteres beantwortet werden kann. Danach führt die gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV vorgeschriebene Minderung der beihilfefähigen Aufwendungen um 10 € je Kalendervierteiljahr je Beihilfeberechtigten und berücksichtigungsfähigen Angehörigen für jede erste Inanspruchnahme von ambulanten ärztlichen, zahnärztlichen oder psychotherapeutischen Leistungen nicht zu einer gleichheitswidrigen, weil ungerechtfertigten Benachteiligung der freiwillig gesetzlich krankenversicherten Beamten, denen eine entsprechende Praxisgebühr bereits gemäß § 28 Abs. 4 SGB V abverlangt wird.

In dem Urteil vom (a.a.O.) hat der Senat entscheiden, es verletze das Recht der gesetzlich krankenversicherten Beamten auf Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG nicht, dass ihre Zuzahlungen, Kostenanteile sowie Aufwendungen für von der Krankenversorgung ausgeschlossene Arznei-, Hilfs- und Heilmittel gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 2 BhV von der Beihilfe ausgeschlossen seien. Diese beihilferechtliche Schlechterstellung gegenüber den Beamten mit einer beihilfekonformen privaten Krankenversicherung sei Folge der bewussten Entscheidung für die gesetzliche Krankenversicherung. Daher müssten Nachteile hingenommen werden, die sich aus den grundlegenden strukturellen Unterschieden der Sicherungssysteme "gesetzliche Krankenversicherung" und "private Eigenvorsorge mit ergänzender Beihilfe des Dienstherrn" ergeben.

Der Senat hat weiter ausgeführt, die beiden Sicherungssysteme unterschieden sich im Hinblick auf die Finanzierung, die Leistungsvoraussetzungen, das Leistungsspektrum und die Leistungsformen. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe keine Entsprechung von Beitrags- und Leistungshöhe nach versicherungsmathematischen Grundsätzen. Die Leistungen seien einheitlich auf volle Absicherung für den Krankheitsfall angelegt. Die Beiträge würden solidarisch finanziert und richteten sich ausschließlich nach dem Einkommen des jeweiligen Versicherungspflichtigen, ohne die zu erbringenden Leistungen und das individuelle Risiko zu berücksichtigen.

Beamte könnten im Regelfall nicht an der gesetzlichen Krankenversicherung teilnehmen. Daher träfen sie die bei der Beihilfegewährung vorausgesetzte Eigenvorsorge zumeist durch den Abschluss einer privaten Krankenversicherung, die auf dem reinen Versicherungsprinzip beruhe. Hätten sie von der ihnen ausnahmsweise eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich gesetzlich zu versichern, so müssten sie sich an dieser Systementscheidung hinsichtlich der damit verbundenen Vor- und Nachteile festhalten lassen. So müssten sie in Kauf nehmen, dass krankheitsbedingte Aufwendungen nach den jeweiligen Systembedingungen nicht vollständig gedeckt würden. Auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn verlange nicht die lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen. Entscheidend sei, dass die Amtsangemessenheit der Alimentation gewährleistet sei (vgl. auch BVerwG 2 C 36.02 - BVerwGE 118, 277 <280 ff.>).

Es liegt auf der Hand, dass diese rechtliche Beurteilung auch für die Auswirkungen der Kürzungsregelungen gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV auf freiwillig gesetzlich krankenversicherte Beamte Geltung beansprucht. Denn deren Doppelbelastung aufgrund der entsprechenden Praxisgebühr, die sie gemäß § 28 Abs. 4 SGB V zu entrichten haben, ist eine zwangsläufige Folge ihrer bewussten Entscheidung für das Sicherungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie können nicht die Vorteile in Anspruch nehmen, die dieses System gegenüber der privaten Krankenversicherung bietet, und zugleich die beihilferechtliche Kompensation der Nachteile verlangen. Dies muss auch gelten, wenn neu eingeführte Belastungen der gesetzlich Versicherten beihilferechtlich auf die Beamten übertragen werden. Da die Beamten eigenverantwortlich entscheiden, ob überhaupt, in welchem System und wie sie sich hinsichtlich der von ihnen zu tragenden Krankenvorsorge versichern, ist der Dienstherr grundsätzlich nicht verpflichtet, auf die Folgen der von ihm nicht zu beeinflussenden Entscheidung bei der Beihilfegewährung Rücksicht zu nehmen. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass durch die sich aus § 28 Abs. 4 SGB V und § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV ergebende Doppelbelastung die Amtsangemessenheit der Alimentation in Frage gestellt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Fundstelle(n):
MAAAC-53581