BSG Beschluss v. - B 8 SO 14/15 B

Instanzenzug: S 16 SO 56/08

Gründe:

I

1Im Streit sind Leistungen bzw höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII).

2Die Klage hatte beim Sozialgericht Speyer (SG) keinen, beim Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz nur teilweise Erfolg (; ). Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und formuliert folgende Rechtsfragen:

"Was stellt in der Bundesrepublik Deutschland ein angemessenes Einkommen im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention dar?

Was ist ein Einkommen, das eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglicht?

Stellt eine Regelung des SGB V eine vom SGB IX abweichende Regelung dar, die für die gesetzliche Krankenkasse bindend ist, auch wenn eine derartige Regelung im SGB IX überhaupt nicht vorkommt?

Ist bei der Berechnung einer Zahlung der Zeitpunkt maßgeblich, zu der sie fällig wird, oder der Zeitpunkt, zu dem sie abgebucht wird?

Nach welchen Regelungen ist das Pflegegeld nach § 64 SGB XII kürzbar?"

Sie macht des Weiteren eine Divergenz der Entscheidung des LSG zu Entscheidungen des und - 1 BvR 347/98) sowie des ) geltend. Zudem habe das LSG die Sache verfahrensfehlerhaft nicht dem BVerfG vorgelegt und damit gegen Art 100 Abs 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) verstoßen.

II

3Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

4Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

5Es kann dahinstehen, ob überhaupt konkrete Rechtsfragen formuliert sind, die sich ernsthaft stellen oder nur Fragen aufgeworfen sind, deren Beantwortung durch den Senat allenfalls kommentar- bzw lehrbuchmäßig abstrakt erfolgen könnte, wozu das angestrebte Revisionsverfahren jedoch nicht dient. Denn es fehlt jedenfalls schon an der ausreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit - konkret-individuell sachlich entscheiden müssen (BSG SozR 1500 § 160 Nr 39 und § 160a Nr 31). Dies erfordert es, dass die Beschwerdeführerin den nach ihrer Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerdebegründung in keiner Weise, denn es fehlt bereits an der hinreichenden Darlegung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Die Klägerin teilt weder mit, welche Leistungen in welcher Höhe sie erhält, welche (weiteren) Bedarfe bestehen, noch, welche Leistungen der Beklagte abgelehnt hat. Die Darlegung des Sachverhalts erschöpft sich vielmehr in einer allgemein gehaltenen Beschreibung ihrer Behinderung und der (Rechts-)Behauptung, das LSG habe in seiner Entscheidung verkannt, dass das ihr zur Verfügung stehende Einkommen (welches?) keine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft erlaube bzw Pflegegeld anders als geschehen hätte gekürzt werden müssen. Die Klägerin hätte zur Darlegung der Klärungsfähigkeit den Sachverhalt aber so schildern müssen, dass der Senat in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob ihr überhaupt ein Anspruch auf weitere Leistungen zustehen. Soweit die Beschwerdebegründung dahin zu verstehen ist, dass die Entscheidung des LSG inhaltlich falsch sein soll, vermag dies die Revisionsinstanz nicht zu eröffnen. Denn Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

6Eine Divergenz liegt nur dann vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des BVerfG bzw des BSG aufgestellt hätte; eine Abweichung ist erst dann zu bejahen, wenn das LSG diesen Kriterien - wenn auch unter Umständen unbewusst - widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Doch formuliert die Klägerin weder einen tragenden abstrakten Rechtssatz des LSG noch einen solchen des BSG, auch einen des BVerfG nur in Bezug auf die Entscheidung vom , geschweige denn legt sie eine Abweichung dar. Vielmehr erschöpft sich ihr Vorbringen auch insoweit in einer inhaltlichen Kritik an der Richtigkeit der Entscheidung des LSG.

7Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend gemacht, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargelegt werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34 und 36; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 160a RdNr 16 mwN). Da die Klägerin geltend macht, das LSG habe durch die Nichtvorlage an das BVerfG gegen Art 100 GG verstoßen und damit das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds behauptet (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 1 Zivilprozessordnung), bedarf es zwar nicht der Darlegung, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36). Vielmehr wird der Einfluss auf die Entscheidung insoweit unwiderlegbar vermutet (BSGE 4, 281, 288; BSG SozR 1500 § 136 Nr 8). Doch ist auch insoweit der Vortrag konkreter Anhaltspunkte erforderlich, aus denen sich der gerügte Verstoß ergibt. Daran fehlt es auch insoweit. Vielmehr formuliert die Klägerin nur eine eigene These, weshalb "die Regelungen des SGB IX und des SGB XII" verfassungswidrig seien. Weder legt sie dar, von welchen konkreten Regelungen sie überhaupt ausgeht, noch, ob und inwiefern das LSG diese ausgelegt und zu dem Schluss gelangt ist, die Vorschriften verstießen nicht gegen übergeordnetes (Verfassungs-)Recht.

8Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Fundstelle(n):
ZAAAE-93596