BFH Urteil v. - IV R 44/12

Kostenübernahme bei einer Anteilsübertragung als betriebliche Veranlassung; Anspruch auf rechtliches Gehör; Kostentragung des Beigeladenen

Leitsatz

1. Die Auswechslung der Gesellschafter aufgrund einer Anteilsübertragung betrifft grundsätzlich nur das Gesellschaftsverhältnis. Der Betrieb der Gesellschaft bleibt dadurch in der Regel unberührt. Die Übernahme der den Gesellschaftern durch die Anteilsübertragung entstehenden Kosten durch die Gesellschaft ist daher regelmäßig nicht betrieblich veranlasst.
2. Das Recht der Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht die Klägerin "erhören", sich also ihren rechtlichen Anschichten oder ihrer Sachverhaltswürdigung anschließen müsste.

Gesetze: EStG § 4 Abs. 4, FGO § 96 Abs. 2, FGO § 135 Abs. 3, FGO § 139 Abs. 4, GG Art. 103 Abs. 1

Instanzenzug: ,

Tatbestand

1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine gewerblich tätige GmbH & Co. KG mit vom Kalenderjahr abweichendem Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni. Gesellschafter waren zunächst die X-GmbH als Komplementärin ohne Kapitalbeteiligung und F als einziger Kommanditist.

2 Mit Wirkung zum übertrug F einen Teil seiner Kommanditbeteiligung auf seine Ehefrau (E). Mit notariellem Vertrag vom übertrug F den verbleibenden Anteil mit Wirkung zum auf seinen Sohn S. Darüber hinaus übertrug er in diesem Vertrag ein an die Klägerin vermietetes Grundstück auf S. Als Gegenleistung verpflichtete sich S, ein im Sonderbetriebsvermögen des F gehaltenes Darlehen in Höhe von ca. 5.700 € zu übernehmen und an diesen einen monatlichen Geldbetrag in Höhe von 5.000 € als dauernde Last bis zu dessen Tod zu zahlen. Im Vertrag wurde zudem vereinbart, dass die Kosten für die Beurkundung, für erforderliche Genehmigungen und für den Vollzug des Vertrags der Erwerber zu tragen habe. Dementsprechend stellte der beurkundende Notar unter dem dem S Notarkosten in Höhe von ... in Rechnung, die durch die Klägerin beglichen wurden.

3 Mit Wirkung zum ... Januar 2003 übertrug E ihre Kommanditanteile auf S.

4 Mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) vom . stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) für 2003 —im Wesentlichen erklärungsgemäß— unter Vorbehalt der Nachprüfung Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von . € fest. Mit Bescheid vom . änderte das FA den Bescheid antragsgemäß hinsichtlich der —hier nicht streitgegenständlichen— anrechenbaren Kapitalertragsteuer.

5 Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass die Notarkosten —entgegen der der Feststellungserklärung der Klägerin zugrunde liegenden Auffassung— nicht als Betriebsausgaben bei der Ermittlung des Gesamthandsgewinns zu berücksichtigen seien. Vielmehr sei die Zahlung durch die Klägerin als Entnahme zu werten. Mit Änderungsbescheid für 2003 vom . stellte das FA daraufhin —unter Berücksichtigung weiterer im Rahmen der Außenprüfung getroffener Feststellungen— Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von . € fest.

6 Der hiergegen gerichtete, durch den ausgeschiedenen Gesellschafter F eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Nach Hinzuziehung der Klägerin und der E wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

7 Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage der Klägerin nach Beiladung des S aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1688 abgedruckten Gründen als unbegründet ab.

8 Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe unter Missachtung des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr gültigen Fassung (EStG) betrieblich veranlasste Notarkosten nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassen. Zudem macht die Klägerin Verfahrensfehler geltend. Das Urteil verstoße gegen den Inhalt der Akten. Das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt und kein rechtliches Gehör gewährt.

9 Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid für 2003 vom ... in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... dahin zu ändern, dass der Gesamthandsgewinn der Klägerin, hilfsweise der Gewinnanteil des S, um die Notarkosten in Höhe von 10.939,61 € gemindert wird.

10 Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11 S ist Rechtsnachfolger der mit Senatsbeschluss vom . beigeladenen E und F. Mit Schriftsatz vom . hat S das gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 239 Abs. 1 der Zivilprozessordnung unterbrochene Revisionsverfahren aufgenommen.

Gründe

12 II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der im Klageverfahren gestellte Hilfsantrag der Klägerin bereits unzulässig war (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Notarkosten den Gesamthandsgewinn der Klägerin nicht mindern (dazu II.2.). Ob die Notarkosten den dem S zuzurechnenden Gewinnanteil mindern können, durfte das FG indes sachlich nicht entscheiden, da die Klage insoweit bereits unzulässig war (dazu II.3.). Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch (dazu II.4.).

13 1. Der Senat legt das Klage- und Revisionsbegehren der Klägerin dahin aus, dass sie die Berücksichtigung der Notarkosten in Höhe von . € als den Gesamthandsgewinn, hilfsweise als den dem S zuzurechnenden Gewinnanteil mindernde Betriebsausgabe begehrt.

14 a) Als prozessuale Willenserklärungen sind Klage- und Revisionsschrift in gleicher Weise wie Willenserklärungen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) analog § 133 BGB auszulegen. Dabei sind zur Bestimmung des Gegenstands des Klagebegehrens (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) alle bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen (vgl. z.B. , BFH/NV 2012, 1479, m.w.N.). An die Fassung der Anträge ist das Gericht nicht gebunden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).

15 b) Die Klage gegen einen Feststellungsbescheid kann verschiedene Ziele verfolgen. Ein Feststellungsbescheid fasst einzelne Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen zusammen, die —soweit sie eine rechtlich selbständige Würdigung enthalten und eines rechtlich selbständigen Schicksals fähig sind— selbständiger Gegenstand des Klagebegehrens sein können. Solche selbständigen Feststellungen sind insbesondere die Qualifikation der Einkünfte, das Bestehen einer Mitunternehmerschaft, die Höhe des Gesamtgewinns, des laufenden Gewinns, eines Veräußerungsgewinns oder eines Sondergewinns bzw. einer Sondervergütung (vgl. z.B. , BFH/NV 2010, 2246, m.w.N.).

16 c) Im Streitfall wendet sich die Klägerin sowohl im Klageverfahren als auch im Revisionsverfahren gegen die Nichtberücksichtigung der Notarkosten in Höhe von insgesamt . €. Weder dem Klage- noch dem Revisionsvorbringen lässt sich dabei eine Beschränkung auf den Gesamthandsgewinn entnehmen. Der Senat legt das Begehren der Klägerin daher dahin aus, dass sie zwar vorrangig —wie von ihr ursprünglich bereits in ihrer im Rahmen der Feststellungserklärung eingereichten Gewinnermittlung berücksichtigt— eine Minderung des Gesamthandsgewinns begehrt, hilfsweise aber auch eine Berücksichtigung im Rahmen des den S betreffenden Gewinnanteils geltend macht.

17 2. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das FG entschieden, dass die Zahlung der Notarkosten durch die Klägerin den Gesamthandsgewinn der Gesellschaft nicht mindere und das FA den Vorgang zu Recht als Entnahme beurteilt habe.

18 a) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG sind Entnahmen alle Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke entnommen hat. Betriebsausgaben sind demgegenüber Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG).

19 b) Wie das FG zu Recht ausführt, betrifft die Auswechslung der Gesellschafter aufgrund einer Anteilsübertragung grundsätzlich nur das Gesellschaftsverhältnis. Der Betrieb der Gesellschaft bleibt dadurch in der Regel unberührt. Die Übernahme der den Gesellschaftern durch die Anteilsübertragung entstehenden Kosten ist daher regelmäßig nicht betrieblich veranlasst.

20 Dahinstehen kann, ob und ggf. in welchen Fällen eine Gesellschaft ein steuerlich anzuerkennendes Interesse an der Beteiligung einer bestimmten Person als Gesellschafter haben kann. Denn das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die Klägerin ein entsprechendes betriebliches Interesse an der Beteiligung gerade des S jedenfalls nicht nachgewiesen habe und deshalb davon auszugehen sei, dass die Beteiligung des S aus privaten Gründen erfolgt sei. Es hat dabei in zulässiger Weise entscheidend darauf abgestellt, dass es sich bei dem Erwerber um den Sohn des bisherigen Betriebsinhabers handelte und keine für den Betrieb der Klägerin bedeutsame besondere Qualifikation des S dargelegt worden sei.

21 Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren vorträgt, sie sei im Innenverhältnis verpflichtet gewesen, die Notarkosten zu tragen, ist dies schon deshalb unbeachtlich, weil es sich um einen neuen Tatsachenvortrag handelt, der im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden darf (§ 118 Abs. 2 FGO sowie ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. , BFHE 242, 28, BStBl II 2013, 907; vom IV R 45/00, BFHE 200, 317, BStBl II 2003, 21, m.w.N.).

22 3. Ebenfalls dahinstehen kann, ob —wie die Klägerin sowohl im Klage- als auch im Revisionsverfahren hilfsweise begehrt— die Notarkosten im Rahmen des dem S zuzurechnenden Gewinnanteils (ggf. über Korrekturen in einer Ergänzungsbilanz oder als Sonderbetriebsausgaben in der Sonderbilanz des S) zu berücksichtigen sein könnten. Denn insoweit war die Klage bereits unzulässig.

23 Als zum Einspruchsverfahren des F Hinzugezogene konnte die Klägerin den angegriffenen Änderungsbescheid mit ihrer Klage nur in dem Umfang angreifen, in dem er durch einen zulässigen Einspruch des F angegriffen worden war. F war durch eine etwa unterlassene Berücksichtigung der Notarkosten im Rahmen des dem S zuzurechnenden Gewinnanteils jedoch nicht beschwert und daher insoweit nicht einspruchsbefugt.

24 4. Die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensrügen greifen nicht durch.

25 a) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) liegt nicht vor. Das Recht der Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. z.B. , BFH/NV 2013, 376). Die Gewährung des rechtlichen Gehörs bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht die Klägerin „erhören”, sich also ihren rechtlichen Ansichten oder ihrer Sachverhaltswürdigung anschließen müsste (z.B. , BFH/NV 2013, 515). Allein daraus, dass das FG aus dem Sachverhalt andere Schlüsse zieht als die Klägerin, ergibt sich mithin kein Verstoß gegen das Recht auf Gehör.

26 b) Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe gegen die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) und den klaren Inhalt der Akten verstoßen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) sieht der Senat von einer Begründung ab (§ 126 Abs. 6 FGO).

27 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Dem Beigeladenen können nach § 135 Abs. 3 FGO keine Kosten auferlegt werden, da er weder einen Sachantrag gestellt noch ein Rechtsmittel eingelegt hat. Da er das Verfahren weder durch Sachvortrag noch durch die Stellung eines eigenen Sachantrags wesentlich gefördert hat, entspricht es nicht der Billigkeit, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nach § 139 Abs. 4 FGO aufzuerlegen (vgl. , BFH/NV 2009, 1452).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 1085 Nr. 8
GmbH-StB 2015 S. 248 Nr. 9
GmbHR 2015 S. 831 Nr. 15
KÖSDI 2015 S. 19460 Nr. 9
NWB-EV 2015 S. 261 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 28/2015 S. 2042
StBW 2015 S. 649 Nr. 17
StuB-Bilanzreport Nr. 14/2015 S. 555
TAAAE-93358