BGH Beschluss v. - 2 StR 39/15

Instanzenzug:

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, sowie ausgesprochen, dass drei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

2Die Strafrahmenwahl des Landgerichts in den Fällen II.2. und II.3. der Urteilsgründe begegnet rechtlichen Bedenken. Sieht das Gesetz einen minder schweren Fall vor und ist - wie hier nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB - ein vertypter Milderungsgrund gegeben, muss zunächst geprüft werden, ob ein minder schwerer Fall vorliegt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zuerst auf die allgemeinen Milderungsgründe abzustellen. Vermögen diese die Annahme eines minder schweren Falles allein zu tragen, stehen die den vertypten Milderungsgrund verwirklichenden Umstände für eine weitere Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist dagegen nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, sind zusätzlich die den vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die Bewertung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den allein aufgrund des vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (vgl. ).

3Dies hat das Landgericht nicht beachtet. Es hat in den Fällen II.2. und II.3. der Urteilsgründe jeweils einen minder schweren Fall der gefährlichen Körperverletzung verneint, ohne die Frage zu erörtern, ob auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes gemäß § 21 StGB ein minder schwerer Fall auszuschließen wäre. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden, dass das Landgericht dies bedacht hat.

4Der Erörterungsmangel hat sich auf die Strafzumessung im Fall II.2. der Urteilsgründe nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt, zumal der gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen des § 224 Abs. 1 Halbsatz 1 günstiger ist als der Sonderstrafrahmen gemäß § 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB.

5Jedoch kann der Senat nicht sicher ausschließen, dass die Strafe im Fall II.3. der Urteilsgründe für den Angeklagten günstiger bemessen worden wäre, wenn das Landgericht unter Berücksichtigung des § 21 StGB vom Vorliegen eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung ausgegangen wäre. Diese Frage hat der neue Tatrichter zu prüfen. Der Senat macht auch angesichts der Höhe der vom Landgericht verhängten Strafe für Fall II.3. von drei Jahren Freiheitsstrafe im Vergleich mit den anderen Einzelstrafen (Geldstrafe von 90 Tagessätzen im Fall II.1. und Freiheitsstrafe von neun Monaten im Fall II.2. der Urteilsgründe) nicht von der Möglichkeit gemäß § 354 Abs. 1a StPO Gebrauch.

6Die Aufhebung der Einsatzstrafe zwingt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe. Die Kompensationsentscheidung bleibt unberührt.

Fundstelle(n):
RAAAE-93175