StuB Nr. 12 vom Seite 1

ErbSt-Reform: Weder schnell noch minimalinvasiv

Dr. Andreas Rohde | Bonn

Nachdem das BVerfG das Erbschaftsteuerrecht als verfassungswidrig eingestuft und den Gesetzgeber aufgefordert hat, bis Juni 2016 ein verfassungsgemäßes Gesetz zu verabschieden, verkündete das BMF umgehend, eine schnelle und „minimalinvasive“ Neuregelung zu schaffen. Der nun vorgelegte Referentenentwurf (vgl. Kurzinfo auf S. 479 dieser Ausgabe) rückt dieses Ziel in weite Ferne. Insbesondere von einer minimalinvasiven Änderung kann nicht gesprochen werden.

Die Entwurfsumsetzung würde zu einem höheren administrativem Aufwand, rechtlichen Unklarheiten und zu Fehlsteuerungen bei der Unternehmensnachfolgegestaltung führen und wäre wiederum erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt.

Der Referentenentwurf senkt, wie gefordert, die Grenze für die Anwendung des Lohnsummenkriteriums auf drei Mitarbeiter ab. Bei Betrieben bis zehn Arbeitnehmern sollen dabei geringere Mindestlohnsummen zur Anwendung kommen. Um Kleinunternehmen von den administrativen Vorgaben zu befreien, sollte stattdessen erwogen werden, auf die bekannte Grenze des Kündigungsschutzgesetzes von zehn Arbeitnehmern zurückzugreifen.

Der Referentenentwurf ersetzt den Begriff des Verwaltungsvermögens durch eine positive Definition des begünstigten Vermögens. Hiernach soll Vermögen begünstigt werden, das seinem Hauptzweck nach überwiegend der betrieblichen Tätigkeit dient. Bei allen Fragen im Detail wird hier den Forderungen des BVerfG im Grundsatz wohl Rechnung getragen.

Der umstrittenste Punkt ist die Bedürfnisprüfung beim Erwerb großer Betriebsvermögen, der im Regelfall schon bei 20 Mio € pro Erwerb liegen soll. Richtigerweise wäre hier auf den Unternehmenswert abzustellen; die Frage der Begünstigung hängt an der Einordnung des Unternehmens als begünstigungswürdig und nicht davon ab, an wie viele Erwerber übertragen wird. Ansonsten bestünde ein steuerlicher Anreiz für die Zersplitterung des Gesellschafterkreises. Die Ausgestaltung als Freigrenze und nicht als Freibetrag wirft die bekannten verfassungsrechtlichen Fragen auf. Bei Erwerben über 20 Mio € soll eine Verschonungsbedarfsprüfung möglich sein, bei der nicht nur das ererbte, sondern auch das übrige Vermögen des Begünstigten zur Hälfte mit einbezogen werden soll. Derjenige, der also aus eigener Arbeit oder aus Vorschenkungen Vermögen angespart hat, steht schlechter da als derjenige, der alles „verprasst“ hat. Hier sollte zur Entschärfung all der sich aufdrängenden verfassungsrechtlichen Fragen dringend über die im Urteil des BVerfG angelegte Lösung nachgedacht werden, Unternehmen bis zu einem Wert von 100 Mio € generell zu begünstigen und darüber hinaus beispielsweise mit Stundungsregelungen zu arbeiten.

Es wäre wünschenswert, auf dem Gebiet der Nachfolgeplanung endlich Rechtssicherheit durch ein verfassungsfestes Gesetz zu erreichen. Diesem Anspruch wird der vorgelegte Referentenentwurf nicht gerecht. Es drängt sich die Frage auf, ob dies durch eine Korrektur innerhalb der jetzigen Gesetzessystematik überhaupt gelingen kann oder ob nicht doch eine grundlegendere Lösung gefunden werden muss. Jedenfalls ist der Gesetzentwurf im Interesse der Rechtssicherheit und des Mittelstands deutlich nachzubessern.

Andreas Rohde

Fundstelle(n):
StuB 12/2015 Seite 1
NWB OAAAE-93004