BVerwG Urteil v. - 2 A 9/13

Zur Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG

Gesetze: § 15 Abs 2 AGG, § 15 Abs 4 AGG, § 15 Abs 4 S 2 AGG, § 24 Nr 1 AGG, § 28 BBesG, § 27 BBesG, Art 2 Abs 2 EGRL 78/2000, Art 6 Abs 1 EGRL 78/2000

Tatbestand

I

1Der Kläger beansprucht eine Besoldung nach der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe, weil er meint, die besoldungsrechtliche Einstufung nach dem Lebensalter benachteilige ihn wegen seines Lebensalters.

2Der 1980 geborene Kläger steht als Regierungsobersekretär (Besoldungsgruppe A 7 BBesO) im Dienst der Beklagten. Ab Januar 2008 wurde er nach der Dienstaltersstufe 4 besoldet. Mit am bei der Behörde eingegangenem Schreiben vom beantragte der Kläger unter Hinweis darauf, das Besoldungsrecht wirke altersdiskriminierend, die "rückwirkende Bemessung (seines) Grundgehalts nach der Stufe 12" für die Zeit ab Januar 2008 bis Juni 2009. Diesen Antrag legte die Behörde als Widerspruch aus, den sie mit Widerspruchsbescheid vom als unbegründet zurückwies.

3Den dagegen von dem nunmehr anwaltlich vertretenen Kläger am erneut erhobenen Widerspruch sowie seinen darin enthaltenen weiteren Antrag, ihm auch ab dem fortlaufend ein Grundgehalt nach der höchsten Besoldungsstufe der Besoldungsgruppe A 7 BBesO zu zahlen, wies die Behörde mit Widerspruchsbescheid vom abermals als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Neuberechnung der Besoldung und auf eine darauf gestützte Nachzahlung bestehe nicht. Weder verstoße das Bundesbesoldungsgesetz gegen das in der Richtlinie 2000/78/EG normierte Verbot der Altersdiskriminierung noch sei der erhobene Anspruch zeitnah geltend gemacht worden.

4Am hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt, die Beamtenbesoldung nach Besoldungsstufen in Anknüpfung an das Lebensalter verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung und die Voraussetzungen für Schadenersatz aufgrund des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs lägen vor.

5Nachdem der Kläger seine zunächst auf den Zeitraum vom bis zum erstreckte Zahlungsklage für die Zeit ab dem und die Feststellungsklage zurückgenommen hat, beantragt er zuletzt sinngemäß,

den Beklagten unter Aufhebung der Widerspruchsbescheide vom und vom zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum vom bis zum einen Betrag in Höhe von 4 747,90 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit nachzuzahlen.

6Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die dem Senat vorliegende Behördenakte verwiesen.

Gründe

II

8Der Senat entscheidet über die Klage im Einverständnis der Verfahrensbeteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

9Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Im Übrigen ist die Klage, für die der Senat nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO erst- und letztinstanzlich zuständig ist, unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte für den Zeitraum von Januar 2008 bis Juni 2009 weder einen Anspruch auf höhere Besoldung noch auf Schadensersatz oder auf eine Entschädigung.

10Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragten zusätzlichen Besoldungsleistungen aus der höchsten Stufe (Stufe 12) seiner Besoldungsgruppe (A 7 BBesO) für den Zeitraum bis . Der Senat hat zwar auf der Grundlage und in Übernahme der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ( [ECLI:EU:C:2014:2005], Specht - NVwZ 2014, 1294) bereits entschieden, dass die Besoldung der Beamten der Besoldungsordnung A nach den §§ 27, 28 BBesG a.F. Beamte unmittelbar aufgrund ihres Lebensalters benachteiligt. Eine Einstufung der betroffenen Beamten in eine höhere oder gar in die höchste Dienstaltersstufe ihrer Besoldungsgruppe zum Ausgleich dieser ungerechtfertigten Diskriminierung ist jedoch ausgeschlossen. Da von der Diskriminierung potenziell sämtliche Beamte erfasst sind, besteht kein gültiges Bezugssystem, das als Grundlage herangezogen werden kann. Ein besoldungsrechtlicher Anspruch des betreffenden Beamten besteht daher nicht (vgl. im Einzelnen 2 C 6.13 - ZBR 2015, 160 Rn. 13 ff., 18 ff.).

11Ebenso wenig steht dem Kläger Schadensersatz zu. Ein solcher Anspruch folgt weder aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf noch aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch ( 2 C 6.13 - ZBR 2015, 160, Rn. 25 ff.).

12Auch ein Anspruch auf Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG steht dem Kläger nicht zu. Ein solcher Anspruch scheitert hier daran, dass der Kläger die gesetzliche Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG von zwei Monaten zur schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG nicht gewahrt hat. Die Frist beginnt nach § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Ist eine Rechtslage unsicher und unklar, beginnt die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG mit der objektiven Klärung der Rechtslage durch eine höchstrichterliche Entscheidung (BVerwG, Urteil des Senats vom - 2 C 6.13 - Rn. 51 ff.).

13Die entscheidungserhebliche Rechtslage ist hier durch die Verkündung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen Hennigs und Mai am (C-297/10 und C-298/10 [ECLI:EU:C:2011:560]) geklärt worden. Denn in diesem Urteil ist den Mitgliedstaaten der Bedeutungsgehalt von Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG in Bezug auf ein mit den §§ 27 und 28 BBesG a.F. vergleichbares Besoldungssystem verdeutlicht worden ( a.a.O. Rn. 104). Das Schreiben des Klägers vom , mit dem er seinen Anspruch auf Bemessung seines Grundgehalts nach der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, begründet den Antrag ausdrücklich unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH in Sachen Hennigs und Mai vom . Die an dieses Urteil anknüpfende Zwei-Monats-Frist gemäß § 15 Abs. 4 AGG lief am ab. Damit hat der Kläger den Anspruch nicht fristgerecht geltend gemacht.

14Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

vom

Der Wert des Streitgegenstands wird gemäß § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG bis zum Zeitpunkt der teilweisen Klagerücknahme auf 29 214,58 € und für die Zeit danach auf 4 747,90 € festgesetzt.

Fundstelle(n):
JAAAE-92466