BGH Beschluss v. - IV ZR 444/13

Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur fondsgebundenen Rentenversicherung: Pflicht des Versicherers zur Ausstellung einer Anbieterbescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt

Gesetze: § 242 BGB, § 10a Abs 1 S 1 EStG vom , § 10a Abs 5 S 1 EStG vom , § 10a Abs 5 S 1 EStG vom , § 80 EStG, § 82 Abs 2 EStG, § 83 EStG, § 1 Abs 1 S 1 Nr 4 AltZertG

Instanzenzug: Az: 26 S 9/13 Urteilvorgehend Az: 123 C 271/12nachgehend Az: IV ZR 444/13 Beschluss

Gründe

1I. Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, Beiträge des Klägers zu einer bei der Beklagten unterhaltenen Berufsunfähigkeitsversicherung an die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (im Folgenden: zentrale Stelle) zu melden.

2Der Kläger war von 2004 bis 2009 zunächst bei der Rechtsvorgängerin Beklagten (im Folgenden: Beklagte) und anschließend bei der H.                     GmbH als Aktuar beschäftigt. 2005 erteilte die Beklagte ihm eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung in Form einer fondsgebundenen Rentenversicherung. Später wurde diese Zusage um eine selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung ergänzt, deren Leistungsdauer ausweislich des Versicherungsscheins zum befristet ist. Der Kläger wird zu diesem Zeitpunkt 60 Jahre und 7 Monate alt sein.

3Die Versicherungsbeiträge wurden während des Beschäftigungsverhältnisses durch Entgeltumwandlung erbracht. Nach dessen Ende übernahm der Kläger beide Verträge als Versicherungsnehmer und entrichtete die Beiträge selbst. 2010 forderte er die Beklagte auf, bei der Erlangung der sogenannten "Riester-Förderung" unter anderem für seine Berufsunfähigkeitsversicherung mitzuwirken und ihm zu diesem Zweck eine Bescheinigung nach § 10a Abs. 5 EStG über die von ihm geleisteten Beiträge zu erteilen sowie diese der zentralen Stelle zu melden. Dies verweigerte die Beklagte, da die hierfür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Das Finanzamt erkannte hierauf die Beiträge des Klägers zur Berufsunfähigkeitsversicherung in den Veranlagungszeiträumen 2010 und 2011 nicht als Altersvorsorgebeiträge an.

4Der Kläger behauptet, dass ihm aufgrund der unterlassenen Mitwirkung der Beklagten in den Veranlagungszeiträumen 2010 und 2011 Steuervorteile in Gesamthöhe von 550,72 € entgangen seien. Er begehrt den Ersatz dieses Betrages und künftige Meldung seiner Betragszahlung an die zentrale Stelle.

5Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

6II. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die Beklagte als Versicherer grundsätzlich eine aus § 242 BGB ergebende Nebenpflicht treffe, die vom Kläger geforderte Datenübermittlung vorzunehmen. Gleichwohl scheide ein solcher Anspruch hier aus, weil die streitgegenständliche Versicherung ersichtlich den Anforderungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AltZertG nicht genüge und damit die Voraussetzungen der §§ 10a, 82, 83 EStG nicht erfülle. Der Umstand, dass die Beklagte zuvor selbst von einer Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 63 EStG ausgegangen sei bzw. insoweit irreführende Angaben gemacht habe, sei unerheblich, da sie nicht verpflichtet werden könne, trotz Fehlens der Fördervoraussetzungen eine entsprechende Mitteilung zu machen. Vor diesem Hintergrund bestehe auch kein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen unterlassener Beitragsmeldung, zumal der bestrittene Schaden nicht näher dargelegt und unter Beweis gestellt worden sei.

7Die Revision hat das Berufungsgericht mit der Begründung zugelassen, dass es der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer zur Ausstellung einer "Anbieterbescheinigung" oder zur Datenübermittlung gemäß § 10a EStG verpflichtet sei, grundsätzliche Bedeutung beimesse.

8III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

91. Der vom Berufungsgericht angenommene Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist nicht gegeben.

10Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift nur zu, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Senatsbeschluss vom - IV ZR 319/02, VersR 2004, 225 unter 2a; st. Rspr.). Daran mangelt es hier. Die vom Berufungsgericht als grundsätzlich bedeutsam angesehene Rechtsfrage ist im Wesentlichen nicht entscheidungserheblich und im Übrigen nicht klärungsbedürftig.

11a) Auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer grundsätzlich zur Ausstellung einer Bescheinigung oder zur Datenübermittlung i.S. von § 10a Abs. 5 EStG verpflichtet ist, kommt es auch nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts im Streitfall nicht an. Denn es hat entscheidend darauf abgestellt, dass eine aus § 242 BGB folgende Nebenpflicht hier ausnahmsweise nicht greife, weil die Fördervoraussetzungen der §§ 10a, 82, 83 EStG ersichtlich nicht gegeben seien.

12b) Die Frage, ob der Versicherer im Sonderfall eines ersichtlich nicht die Voraussetzungen der steuerlichen "Riester-Förderung" erfüllenden Versicherungsvertrages zur Ergreifung der begehrten Maßnahmen verpflichtet ist, bedarf keiner höchstrichterlichen Klärung. Klärungsbedürftigkeit liegt vor, wenn eine Rechtsfrage zweifelhaft ist und höchst- richterlich noch nicht entschieden wurde (, NJW-RR 2010, 978 Rn. 3). An solchen Unklarheiten fehlt es hier.

13Die Rechtsfrage ist weder von einigen Obergerichten unterschiedlich beurteilt worden noch ist ein entsprechender Meinungsstreit in der Literatur bekannt. Auch im Übrigen unterliegt es keinem Zweifel, dass der Versicherer weder eine Bescheinigung nach § 10a Abs. 5 Satz 1 EStG in der bis zum geltenden Fassung ausstellen noch die Datenübertragung gemäß § 10a Abs. 5 Satz 1 EStG n.F. in der ab dem geltenden Fassung vornehmen muss, wenn der Versicherungsvertrag die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug des § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG evident nicht erfüllt.

142. Die Revision hat auch in der Sache keine Erfolgsaussicht. Das Berufungsgericht hat zu Recht erkannt, dass die fragliche Berufsunfähigkeitsversicherung gemäß §§ 10a Abs. 1 Satz 1, 82 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe b EStG ersichtlich nicht förderfähig ist.

15a) Dabei kann dahinstehen, ob schon das Fehlen einer lebenslangen Rente den Vorgaben des § 82 Abs. 2 Satz 1 EStG widerspricht, nach deren Maßgabe die Auszahlung der zugesagten Altersversorgungsleistung "in Form einer Rente oder eines Auszahlungsplans (§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes)" vorgesehen sein muss. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AltZertG erfordert im Falle der Leibrente eine lebenslange Leistung.

16Soweit sich der Kläger hiergegen auf die Ausführungen des Bundesministeriums der Finanzen in seinen Schreiben vom und vom beruft, nach welchen es im Hinblick auf die entfallende Versorgungsbedürftigkeit nicht zu beanstanden sei, wenn eine Rente zeitlich befristet sei (BStBl. I 2013 S. 1022, Rn. 312; BStBl. I 2010 S. 270, Rn. 272), dürften diese nicht dahin zu verstehen sein, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung auch selbständige Berufsunfähigkeitsversicherungen, die üblicherweise eine Leistungsbefristung vorsehen, als Direktversicherungen begünstigt wären (a.A. Niermann, BetrAV 2007, 310, 317).

17Zumindest enthalten beide Verwaltungsvorschriften an anderer Stelle den im Einklang mit § 82 Abs. 3 EStG stehenden Hinweis, Voraussetzung für die steuerliche Förderung der betrieblichen Altersversorgung durch den - hier vom Kläger angestrebten - Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG sei, dass die Auszahlung der zugesagten Altersversorgungsleistung in Form einer lebenslangen Rente oder eines Auszahlungsplans mit anschließender lebenslanger Teilkapitalverrentung vorgesehen ist, und eine steuerliche Förderung der Beitragsanteile zur Absicherung einer Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung komme in Betracht, wenn die Auszahlung in Form einer Rente vorgesehen sei (Schreiben vom , aaO Rn. 332; Schreiben vom , aaO Rn. 291). Die selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung des Klägers erfüllt diese Anforderungen nicht.

18Etwas anderes ergibt sich, anders als der Kläger meint, auch nicht daraus, dass hier eine bestehende Zusage auf betriebliche Altersversorgung nur um eine Anwartschaft auf eine Berufsunfähigkeitsrente "ergänzt" worden wäre. Denn die Renten- und die Berufsunfähigkeitsversicherung des Klägers beruhen auf gänzlich voneinander getrennten Verträgen, womit das Schicksal der einen vom Bestand der anderen unabhängig ist und die zweite auch nicht als Teil der ersten angesehen werden kann.

19b) Jedenfalls kommt eine einschränkende Auslegung der gesetzlichen Regelungen, die eine lebenslange Rente oder einen Auszahlungsplan mit anschließender lebenslanger Teilkapitalverrentung erfordern, allenfalls insoweit in Betracht, als in den beiden vorgenannten Verwaltungsvorschriften dargestellt. Danach wäre eine zeitliche Befristung nur im Hinblick auf die entfallende Versorgungsbedürftigkeit nicht zu beanstanden, im Falle der Invaliditätsversorgung namentlich dann, wenn die Erwerbsminderung endet, "insbesondere bei Verbesserung der Gesundheitssituation oder Erreichen der Altersgrenze" (Schreiben vom , aaO Rn. 312; Schreiben vom , aaO Rn. 272).

20Diese Voraussetzung erfüllt die streitgegenständliche Versicherung nicht. Die zeitliche Befristung erfolgte hier ungeachtet der eventuellen Versorgungsbedürftigkeit des Klägers. Ausweislich des Versicherungsscheins erlischt sein Rentenanspruch unabhängig vom Ende einer möglichen Berufsunfähigkeit am . Zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger weder die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 SGB VI (67 Jahre) noch die Altersgrenze für besonders langjährige Versicherte nach § 38 Nr. 1 SGB VI (65 Jahre) oder für die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente nach § 36 Satz 2 SGB VI (63 Jahre) erreicht. Auch unter Zugrundelegung der Rechtslage bei Zusageerteilung hätte er am noch keinen Anspruch auf Altersrente haben können (Regelaltersgrenze nach § 35 Nr. 1 SGB VI a.F.: 65 Jahre; Altersgrenze für die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente nach § 36 Nr. 1 SGB VI a.F.: 62 Jahre).

21c) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht mit seiner steuerrechtlichen Bewertung seine Prüfungskompetenzen nicht überschritten.

22Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind steuerrechtliche Vorfragen nicht der Beantwortung durch die Zivilgerichte entzogen, sondern vielmehr grundsätzlich von diesen selbständig zu beantworten, um einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten (, NJW 1980, 2710 unter 1; Urteil vom - V ZR 224/00, NJW-RR 2002, 376 unter II 2 b bb). Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine endgültige Beurteilung der Steuerfrage auf erhebliche Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art stößt und damit ernsthaft die Gefahr besteht, dass die Finanzbehörden die Frage abweichend von der Einschätzung der Zivilgerichte beurteilen (vgl. aaO). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - nicht vor.

23d) Die Annahme des Berufungsgerichts, dass selbst eine eventuell fehlerhafte Information des Klägers über die steuerliche Förderbarkeit der zugesagten Berufsunfähigkeitsversorgung keine Verpflichtung der Beklagten begründe, die begehrte Datenübermittlung nach § 10a EStG vorzunehmen, ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern.

24Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Versicherer als Anbieter im Sinne der §§ 80, 82 Abs. 2 EStG bei der Datenerfassung und -übermittlung kraft gesetzlicher Verpflichtung als Privater Verwaltungsaufgaben wahrnimmt (Jährling-Rahnefeld, SGb 2003, 82, 86 zur Stellung des Anbieters im Zulageverfahren). Mit dieser öffentlich-rechtlichen Aufgabenstellung wäre es nicht vereinbar, wenn er Bescheinigungen oder eine Datenübermittlung zur Vorbereitung eines Sonderausgabenabzugs durch den Versicherungsnehmer vornehmen müsste, der diesem unverkennbar nicht zusteht.

25e) Danach ist auch die Abweisung des Schadensersatzbegehrens des Klägers wegen unterlassener Beitragsmeldung nach § 10a Abs. 5 EStG n.F. nicht zu beanstanden. Wenn den Versicherer keine Pflicht zur Mitwirkung bei der Erzielung des Sonderausgabenabzugs durch den Versicherungsnehmer trifft, kann er diese auch nicht schadensersatzbegründend verletzen.

26f) Über einen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung hat das Berufungsgericht nicht entschieden, weil es nicht erkennen konnte, dass der Kläger seinen Anspruch gegebenenfalls auch hierauf stützen wollte. Deshalb ist hierüber, nachdem der Kläger einen Antrag gemäß § 321 Abs. 1 ZPO nicht gestellt hat, auch in der Revisionsinstanz nicht mehr zu befinden.

27IV. Der Senat weist abschließend darauf hin, dass mit der beabsichtigten Zurückweisung der Revision zugleich eine Aufhebung des Versäumnisurteils des auszusprechen und die Kostenentscheidung des dahingehend zu ändern ist, dass die Beklagte die durch ihre Säumnis im Termin vom veranlassten Kosten zu tragen hat.

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Fundstelle(n):
BAAAE-91796