PiR Nr. 5 vom Seite 1

Die Veräußerung als Regelungsobjekt der IFRS

WP/StB Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann | Herausgeber | pir-redaktion@nwb.de

Zwei Fokus-Beiträge des vorliegenden Hefts befassen sich aus ganz unterschiedlichen Perspektiven mit der Veräußerung als Bilanzierungsobjekt. Dabei widmen sich die einem branchentypischen Anwendungsproblem des neuen Standards IFRS 15. Dieser behandelt flächendeckend die üblichen Veräußerungsvorgänge in Industrie und Handel. Er ersetzt die bisherigen Standards IAS 11 und IAS 18 und wird ab 2017, vielleicht auch erst ein Jahr später, anzuwenden sein. Ersten Kommentierungen zufolge sollen sich keine gravierenden Änderungen für die Rechnungslegungspraxis der betroffenen Unternehmen ergeben. Diese Beurteilung erscheint allerdings recht voreilig. Sie mag in manchen Branchen zutreffen, z. B. in der Automobilindustrie, in anderen dagegen nicht (z. B. im Telekommunikationsbereich). In unserem Fokus-Beitrag wird die Anwendung des IFRS 15 in der Softwareindustrie anhand von Beispielen analysiert. Über die Branchenspezifika hinaus verdienen dabei die Ausführungen zu den Mehrkomponentenverträgen Aufmerksamkeit. Solche Geschäftsmodelle wachsen wie Pilze aus dem Boden. IFRS 15 ist hierzu rechtzeitig auf den Zug – mag man die Regelungen im Einzelnen auch kritisieren – aufgesprungen. Im Vergleich dazu: Die EU-Bilanzrichtlinie und auch der vorliegende Gesetzentwurf zu deren Transformation üben sich (nicht nur) in diesem Fall in Enthaltsamkeit. Man wird sehen, ob die Regeln von IFRS 15 in solchen Fällen Einzug in die nationale Rechnungslegung halten werden.

Beim Erlass von IFRS 15 handelt es sich, wenn man so will, um einen „großen Wurf“. Damit aber erschöpft sich keineswegs die Produktionsmaschinerie in London. Laufend werden gerade durch Anregungen aus der Praxis spezielle Bilanzierungsprobleme dem Board und dem Interpretation Committee (IC) vorgetragen. Der in dem von Matthias Albrecht behandelte IFRS 5 bezieht sich auch auf die Veräußerung, allerdings nicht von Einzelvermögenswerten und von tatsächlich vorgenommenen Veräußerungen, sondern auf die bilanzielle Abbildung von anstehenden Abgaben ganzer „Gruppen“. Der Autor befasst sich zunächst mit einer Widersprüchlichkeit innerhalb des Standards selbst. Sodann kommt eine Kollision des IFRS 5 mit den Regelungen des (noch anzuwendenden) IAS 39 zur Sprache. Diese Kollision eröffnet sich, wenn die Abgangsgruppe nur aus Finanzinstrumenten besteht, denn deren Regelungsbereich ist aus demjenigen des IFRS 5 ausgenommen. Als Ergebnis seiner Untersuchung empfiehlt unser Autor die Aufnahme des Standards in das Projekt des post implementation review.

Ein weiteres kleineres Projekt des IASB wird in dem von Christian Maier und Benjamin Roos aufgegriffen. Der Board befasst sich mit sog. Klarstellungen zur Klassifizierung von Schulden als lang- und kurzfristig. Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei die Behandlung einer Verletzung der Kreditvereinbarungen mit langfristiger Orientierung ( breach of covenants): Ist dann der bisherige Ausweis als langfristig in ein kurzfristiges Schuldverhältnis umzuqualifizieren mit der möglichen Folge eines schlechteren Kreditratings? Die Anzeichen für eine Abwärtsbewegung des betreffenden Unternehmens werden dann durch bilanzielle Darstellungen noch verstärkt. Hinzu kommt hier einmal mehr das Wertaufhellungsproblem, wenn gerade im Rahmen hektischer Verhandlungen mit Kreditgebern eine Einigung zur Verlängerung des Engagements erst nach dem Stichtag erfolgt, der breach of covenants allerdings noch im alten Jahr erfolgt ist.

Beste Grüße

Wolf-Dieter Hoffmann

Fundstelle(n):
PiR 5/2015 Seite 1
JAAAE-89356