„Nicht nur die Finanzverwaltung entlasten“
Verfahrensmodernisierungsgesetz – Wir fordern Vorteile auch für Steuerpflichtige und ihre Berater
Mit dem Diskussionsentwurf zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens hat das BMF einen Vorstoß in Richtung Digitalisierung gemacht. Neu ist, dass damit bereits vor dem eigentlichen Referentenentwurf eine tiefgreifende Diskussion in Gang gesetzt wurde, an der sich alle Betroffenen aktiv beteiligen können. Der steuerberatende Beruf begrüßt eine Anpassung der Abgabenordnung an das EDV-Zeitalter. Die „Erleichterungen“ des Verfahrens dürfen aber nicht nur die Finanzverwaltung entlasten. Unbestritten ist, dass dieses Vorhaben nur dann Erfolg haben kann, wenn alle Seiten, also auch Steuerpflichtige und ihre Berater, von der Effizienzsteigerung durch digitale Kommunikation profitieren. Ein zentraler Punkt ist die Sicherstellung, dass die geplanten Verfahren vor einer gesetzlichen Implementierung auch tatsächlich funktionieren. Unser Ziel und Anspruch muss sein: Qualität vor Schnelligkeit.
Doch der Reihe nach. Unsere seit Jahren erfolgreich praktizierte Steuerkultur wird an das digitale Zeitalter angepasst, bleibt aber in ihrem Kern erhalten. Der Amtsermittlungsgrundsatz soll grundsätzlich erhalten bleiben, aber modifiziert werden. Eine Selbstveranlagung nach angelsächsischem Muster ist dabei nicht gewünscht. Geplant ist, die Einzelfallbetrachtung durch eine risikoorientierte Gruppenbetrachtung zu ersetzen. Aus Sicht des Berufsstandes muss dabei aber sichergestellt werden, dass jeder Steuerbürger die Möglichkeit hat, abweichende Gesetzes- und Richtlinieninterpretationen erklären zu können.
Wir begrüßen den grundsätzlichen Verzicht auf Papierbelege, weil der bestehende Medienbruch damit beseitigt wird. Die angedachten Belegvorhaltepflichten dürfen aber nicht dazu führen, dass ein erhöhter Bürokratieaufwand dadurch entsteht, dass alles elektronisch vorgehalten werden muss, um gegebenenfalls just-in-time an die Finanzverwaltung zu liefern. Forderungen des Berufsstandes nach einer Bescheidrückübertragung mit einer Abweichungsanalyse, die fristgerechte Zurverfügungstellung aller Steuerprogramme oder das rechtssichere ersetzende Scannen von Belegen sind im Entwurf nur als Prüfauftrag erwähnt, aber nicht vorgesehen. Damit auch Steuerpflichtige und ihre Berater von diesem Modernisierungsvorhaben profitieren, müssen diese Forderungen berücksichtigt werden.
Schließlich begrüßen wir die gesetzlich fixierte Abgabepflicht für vom Berufsstand angefertigte Erklärungen zum 28. Februar des Zweitfolgejahres. Die zufallsgesteuerte Vorabanforderung von Steuererklärungen lehnt der Berufsstand hingegen ab, da dies zu einem unzumutbaren Eingriff in die Kanzleiorganisation führt. Bayern und NRW haben gute Erfahrungen mit dem Kontingentierungsmodell als Alternative zu Vorweganforderungen gesammelt. Darüber sollte man nachdenken.
Hartmut Schwab
Fundstelle(n):
NWB 2015 Seite 953
NWB GAAAE-87241