Finanzgericht sorgt mit unpräziser Begründung für Irritation
Anmerkung zum aus der Sicht des Berufsstandes der Bilanzbuchhalter
[i]Sächsisches FG, Urteil vom 23. 7. 2014 - 2 K 580/14 NWB SAAAE-75025 Das Finanzgericht Sachsen hat mit seinem Urteil vom - 2 K 580/14 eine selbständige Buchhalterin als Bevollmächtigte zurückgewiesen, weil sie nicht befugt ist, Umsatzsteuer-Voranmeldungen zu erstellen und zu übermitteln. Liest man die Überschrift, neigt man dazu, das Ganze beiseite zu legen: Denn es ist (leider) seit jeher geltendes Recht, dass selbständige Buchhalter und Bilanzbuchhalter keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Mandanten abgeben dürfen. Trotzdem sorgt das Urteil des Finanzgerichts für Irritationen, und das liegt an der Begründung. Denn das Urteil unterscheidet nicht richtig zwischen § 6 Nr. 3 StBerG und Nr. 4 dieser Vorschrift.
Denn in [i]Unbestritten treffen Menschen Wertungender Urteilsbegründung wird unter 1 c) Satz 1 Folgendes festgestellt: „Da die Klägerin nicht nur zuvor von Steuerpflichtigen übermittelte Daten weiterleitet, sondern sie auch eingibt, nimmt sie – wie oben ausgeführt – eine Tätigkeit vor, die nicht nur mechanische Buchung, sondern auch Wertung und Gestaltung ist.“ Und weiter: „Die Frage, ob und in welchem Umfang Umsätze bei der Umsatzsteuervoranmeldung gebucht werden, entscheidet nicht das Datenverarbeitungsprogramm, sondern derjenige, der die Daten zur Buchung eingibt. Insofern ist mit jedem Buchungsvorgang auch eine steuerrechtlich relevante planerische Auslegungsentscheidung verbunden.“ Diese Tatsache ist nun unumstritten und wird von den entsprechenden Verbänden immer und immer wieder bei Gesprächen mit Politik und Wirtschaft angesprochen.
Aber: Geschichtlich [i]Ettig, in: Endriss (Hrsg.), Bilanzbuchhalter-Handbuch, 9. Aufl., Herne 2013, S. 1599muss man noch etwas weiter zurückgehen, als dies in der Urteilsbegründung der Fall ist. Wann wurde denn das so genannte Buchführungsprivileg der Steuerberater etwas gelockert und in § 6 Nr. 4 StBerG gesetzlich verankert? Die Erleichterung resultiert aus zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 1980 und 1982, und schon in einem Erlass vom der obersten Finanzbehörden der Länder ist zu finden, dass zwar nach Nr. 3 des § 6 StBerG das Kontieren und die Hilfe bei der laufenden Lohnbuchhaltung weiterhin als Hilfeleistung in Steuersachen anzusehen und damit unzulässig sind. Jedoch sind nach Nr. 4 Personen mit kaufmännischer Gehilfenprüfung und ausreichender Berufserfahrung befugt, im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit laufende Geschäftsvorfälle zu verbuchen und die zugrunde liegenden Belege mit dem Buchungssatz zu versehen (kontieren).
Damit ist klar gesagt, wer diese Hilfeleistung in Steuersachen erbringen darf. Und zur Bildung eines Buchungssatzes gehört nun mal die Umsatzsteuer dazu. Bernd Rätke analysiert die unzureichende Begründung des FG Sachsen ausführlich in seinem Beitrag ab Seite 231 in diesem Heft. Leider erschwert ein Problem dieser Art die selbständige S. 202Arbeit eines Buchhalters nach wie vor ungemein, und solche Begründungen führen dann zu entsprechender Verunsicherung im Berufsstand und selbst bei Gerichten.
Hält Deutschland mit der Privilegierung der steuerberatenden Berufe an alten Zöpfen fest? Wie fortschrittlich sind wir tatsächlich und wie öffnen wir uns innerhalb der Europäischen Union?
Unser Nachbarland [i]Bilanzbuchhaltergesetz in ÖsterreichÖsterreich zeigt, wie gesetzliche Veränderungen im Interesse der Wirtschaft und durchaus auch der Finanzverwaltung möglich sind. Bereits seit 1999 sind hier selbständige Bilanzbuchhalter zur Buchhaltung und Bilanzierung in bestimmten Grenzen berechtigt, und seit 2007 gibt es ein klar geregeltes Bilanzbuchhaltergesetz. Warum ist dies in Deutschland nicht möglich?
2013 habe ich mich an Bundesfinanzminister Schäuble und die damalige Bundesministerin für Arbeit und Soziales von der Leyen mit dieser Frage gewandt. Das BMF sieht keine Notwendigkeit, Veränderungen der geltenden Rechtslage vorzunehmen. Es wird ausgeführt, dass der selbständige Bilanzbuchhalter ja die Möglichkeit einer Kooperation mit den Steuerberatern hat. Die Berufsordnung der Steuerberater sieht dies in § 17 BOStB vor.
Grundsätzlich sollte [i]Befugniserweiterung bleibt sinnvolldie Steuerberatung den Steuerberatern vorbehalten bleiben. Im Bereich der Buchhaltung und der Lohnbuchhaltung ist jedoch eine Befugniserweiterung für die Bilanzbuchhalter dringend notwendig und sinnvoll. Das BMF hielt es in der Antwort seinerzeit für problematisch, dass bei einer Befugniserweiterung u. a. auch dann das notwendige neue Kontrollorgan zu schaffen sei. Das liefe einer Liberalisierung im Dienstleistungsbereich entgegen und würde zwangsläufig zu mehr Bürokratie führen. Nun ist aber jeder selbständige Buchhalter und Bilanzbuchhalter kammerpflichtig bei der jeweiligen Industrie- und Handelskammer. Die IHK könnten dann auch die Zulassung übernehmen – genau wie dies in Österreich die Wirtschaftskammer Österreichs (WKO) übernimmt. Geordnete Verhältnisse, Qualitätssicherung, Sicherung des Steueraufkommens durch qualifizierte Dienstleister und Rechtssicherheit für die Unternehmen und ihre Berater – warum soll das nicht auch in Deutschland möglich sein?
Im Vorfeld der 8. Änderung des Steuerberatungsgesetzes stand der Berufsstand der Bilanzbuchhalter 2008 kurz davor, die Befugniserweiterung zu erhalten. Doch mit fadenscheinigen Argumenten wurde der Gesetzentwurf nicht umgesetzt.
Wieder einmal zeigt das Urteil des FG Sachsen, dass alle selbständigen Buchhalter und Bilanzbuchhalter selbst oder durch ihre Verbände stetig ihre Forderung gegenüber der Politik zur Befugniserweiterung kundtun müssen. Interessenvertretung der Buchhalter und Bilanzbuchhalter und auch ihrer Auftraggeber sind der DIHK und die Industrie- und Handelskammern. Jeder sollte zumindest seine IHK zum Handeln auffordern, auch die Interessen der Selbständigen zu vertreten und diese bei der tagtäglichen Arbeit zu unterstützen.
Bärbel Ettig
Fundstelle(n):
BBK 2015 Seite 201 - 202
NWB IAAAE-85347