BSG Beschluss v. - B 10 EG 12/14 B

Elterngeld - Einkommensermittlung - Differenzierung zwischen selbständiger und nicht selbständiger Tätigkeit - Verfassungsmäßigkeit - Nichtzulassungsbeschwerde

Gesetze: § 2 Abs 1 S 3 Nr 2 BEEG, § 2 Abs 1 BEEG vom , § 2 Abs 7 BEEG vom , Art 3 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 GG, § 160a SGG

Instanzenzug: Az: S 3 EG 6/11 Urteilvorgehend Sächsisches Landessozialgericht Az: L 7 EG 1/13 Urteil

Gründe

1I. Nach der Geburt seiner Zwillinge L. und C. am beantragte der Kläger, der im Zeitraum vom bis zur Geburt der Zwillinge im Umfang von 50 Wochenstunden als Zahnarzt selbstständig erwerbstätig gewesen war, die Gewährung von Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) für den ersten (April 2007) und fünften Lebensmonat (August 2007) unter Zugrundelegung des Umstandes, dass er seine selbstständige Tätigkeit im April 2007 lediglich zwei Stunden pro Woche ausüben wolle und im August 2007 die Praxis für drei Wochen geschlossen sei. Der beklagte Landkreis gewährte ihm daraufhin vorläufig Elterngeld in Höhe von 2280 Euro monatlich für den ersten und fünften Lebensmonat der Töchter unter Hinweis auf die Angabe des tatsächlich erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum mit der nachfolgenden Möglichkeit einer Nachzahlung bzw Erstattung gezahlten Elterngeldes (Bescheid vom ). Auf den im September 2008 nachgereichten Steuerbescheid für das Kalenderjahr 2006 sowie betriebswirtschaftliche Auswertungen für April 2007 und August 2007 mit einem Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit für 2006 in Höhe von 124 912 Euro und einem Gewinn für August 2007 in Höhe von 21 524,30 Euro und in Höhe von 7612,52 Euro für April 2007 setzte der Beklagte das Elterngeld für den ersten und fünften Lebensmonat in Höhe von 675 Euro monatlich fest (300 Euro pro Geschwisterkind sowie Geschwisterbonus in Höhe von 75 Euro; Bescheid vom ). Den überzahlten Betrag in Höhe von 3210 Euro forderte er mit gesondertem Bescheid vom gleichen Tage zurück. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom , und Urteil des Sächsischen ).

2Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Er beruft sich mit einer umfangreichen Begründung auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

3II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden.

4Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung. Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

6Ungeachtet des Umstandes, ob der Kläger überhaupt ordnungsgemäße Rechtsfragen gestellt hat, da diese im Wesentlichen eine Subsumtion der angegriffenen gesetzlichen Regelungen enthalten, fehlt es an hinreichenden Ausführungen des Klägers zur Klärungsbedürftigkeit der mit seinen Fragen angesprochenen rechtlichen Gegebenheiten. Insoweit wäre zunächst eine intensivere Auseinandersetzung mit der vorliegenden und auch vom Kläger benannten höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlich gewesen, um darzulegen, inwiefern sich darin nicht bereits genügend Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen finden lassen (vgl dazu allgemein BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2). Die Behauptung, die Rechtsfrage sei trotz der zitierten einschlägigen Rechtsprechung des BSG weiterhin klärungsbedürftig unter anderem deshalb, weil die vom LSG herangezogene Entscheidung des - (SozR 4-7837 § 2 Nr 14) der klägerischen Rechtsauffassung ebenso wenig entgegenstehe bzw die gestellten Rechtsfragen kläre wie die - SozR 4-7837 § 2 Nr 3), vom (B 10 EG 18/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 23) und vom (B 10 EG 2/13 R; B 10 EG 4/13 R sowie B 10 EG 12/13 R), genügt den Darlegungserfordernissen nicht. Der Senat hat insbesondere mit Urteil vom (B 10 EG 10/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 14) ausgeführt, dass das für Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit entwickelte modifizierte Zuflussprinzip nicht auf Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit anzuwenden ist. Das bei der Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigende Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit ist in dem Zeitraum erzielt, in dem es dem Elterngeldberechtigten tatsächlich zugeflossen ist (strenges Zuflussprinzip). Der Senat hat im Rahmen seiner Rechtsprechung zum modifizierten Zuflussprinzip bei Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit bereits darauf hingewiesen, dass für Einkommen aus selbstständiger Arbeit in § 2 Abs 8 und 9 BEEG eigenständige Regelungen geschaffen sind, die den Besonderheiten dieser Einkunftsarten Rechnung tragen und Rückschlüsse auf die Auslegung des § 2 Abs 7 BEEG nicht zulassen ( - BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 31). Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser genannten Rechtsprechung hat der Kläger ebenso unterlassen wie eine Auseinandersetzung mit der Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen überhaupt. Die bloße Behauptung, dass die bei dem Kläger vorliegende Konstellation nicht durch die Vorschriften des BEEG aufgefangen bzw berücksichtigt werde, reicht insoweit nicht aus.

7Der Senat hat sich in der Vergangenheit umfangreich zu einem möglichen Verfassungsverstoß des BEEG gegen Art 1, Art 3 bzw Art 6 GG, insbesondere unter Überprüfung des § 2 BEEG hinsichtlich der Höhe des Elterngeldes als kombinierte Lohnersatz- und Sozialleistung auseinandergesetzt (vgl BSG insbesondere - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2; Urteil vom - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7; Urteil vom - B 10 EG 20/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 8; Urteil vom - B 10 EG 21/09 R - Juris; Urteil vom - B 10 EG 8/10 R - Juris; vgl auch Beschlüsse vom - B 10 EG 1/11 B - und vom - B 10 EG 12/12 B). Diese Entscheidungen hat das BVerfG bestätigt (vgl insbesondere Nichtannahmebeschlüsse vom - 1 BvR 2712/09 - ZFSH/SGB 2011, 537 = NJW 2011, 2869; vom - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214 und vom - 1 BvR 1457/11 - Juris), ohne sich von dessen Erwägungen zu distanzieren. Insbesondere in seiner letztgenannten Entscheidung hat das BVerfG nochmals ausdrücklich festgestellt, dass der Gesetzgeber mit dem Anknüpfen an das Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei der Bemessung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs 1 BEEG ein legitimes Differenzierungsziel verfolgt. Zwar hat ein Nichtannahmebeschluss des BVerfG nicht die Bindungswirkung einer Entscheidung dieses Gerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm (vgl § 31 Abs 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz), er kann jedoch zur Klärung einer Rechtsfrage beitragen, soweit darin die Rechtsauffassung einer Kammer des BVerfG zum Ausdruck kommt (vgl Senatsbeschluss vom - B 10 EG 12/12 B - RdNr 6).

8Darüber hinaus enthält die Beschwerdebegründung des Klägers keine grundlegend neuen gewichtigen Argumente für eine Verfassungswidrigkeit der Berechnungsweise des Elterngeldes nach § 2 BEEG. Er hat weder eine erneute Klärungsbedürftigkeit der bezeichneten Rechtsfragen dargelegt, noch sich mit der Rechtsprechung des BVerfG auseinandergesetzt. Soweit sich der Kläger auf eine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG und sinngemäß auch auf Art 1 Abs 1 und Art 6 Abs 2 GG stützt, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass sich aus diesen Verfassungsnormen im vorliegenden Zusammenhang für den Kläger weitergehende Rechte herleiten lassen könnten, als aus Art 6 Abs 1 GG, wie er vom Senat verstanden worden ist. Selbst wenn sich das BSG und das BVerfG in einigen der oben genannten Entscheidungen im Wesentlichen mit § 2 Abs 7 BEEG auseinandergesetzt haben, so sind darin auch verfassungsrechtliche Erwägungen zu § 2 Abs 1 BEEG mitenthalten, da § 2 Abs 7 BEEG nur ergänzende Bestimmungen zu der Grundsatzregelung in § 2 Abs 1 BEEG vorsieht. Insoweit hat der Senat gerade mit seiner Entscheidung vom - B 10 EG 10/12 R - (SozR 4-7837 § 2 Nr 22) weiter klargestellt, dass die Vorschriften zur Berechnung der Leistungshöhe nach § 2 Abs 1 und 7 BEEG nicht gegen das GG verstoßen, insbesondere nicht gegen Art 3 Abs 1 bis 3 GG iVm Art 6 Abs 1 und Art 20 Abs 1 GG. Hierzu fehlen entsprechende Darlegungen des Klägers, ebenso wie überhaupt zum allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

9Auch fehlen Ausführungen zur Rechtsprechung des BVerfG. Danach gestalten die bestehenden Regelungen zur Bestimmung des für die Elterngeldberechnung heranzuziehenden Bemessungszeitraums den der gesamten Elterngeldregelung zugrundeliegenden Gedanken konsequent aus ( -, aaO, Juris RdNr 8), denn gerade im Bereich der Familienförderung ist der Regelungsspielraum des Gesetzgebers weit (vgl BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; vgl insgesamt jüngst BVerfG Beschlüsse der 2. Kammer des 1. Senats vom - 1 BvR 1811/08 - ZFSH/SGB 2011, 337 und vom - 1 BvR 2712/09 - ZFSH/SGB 2011, 537 = NJW 2011, 2869 sowie vom - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214 = Juris RdNr 13, 20). Bereits mit der Einrichtung von Elterngeld und Elternzeit wird nach der Rechtsprechung des BVerfG die Möglichkeit der Eigenbetreuung von Kindern in beachtlichem Umfang gefördert. Zu einer weitergehenden Förderung der Kindesbetreuung innerhalb der Familie war der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet (vgl - ZFSH/SGB 2011, 537 = NJW 2011, 2869 = Juris RdNr 9). Dabei ist auch die gesetzgeberische Entscheidung bei der Bemessung des Elterngeldes an das bisherige Erwerbseinkommen anzuknüpfen, von legitimen Zwecken getragen ( - NJW 2012, 214 = Juris RdNr 20). Dass aufgrund der Ausgestaltung des Elterngeldes als Kompensationsleistung für geburtsbedingten Einkommensverlust Unterschiede in der Förderung zwischen Familien je nach dem vorgeburtlichen Einkommen der Eltern entstehen, ist nach der Rechtsprechung des BVerfG noch verfassungskonform, auch weil Eltern ohne vorgeburtliches Einkommen nicht ohne Förderung bleiben ( - NJW 2012, 214 = Juris RdNr 17). Dabei stellt sich das Elterngeld auch nach der Rechtsprechung des Senats nicht als offensichtlich "unsozial" dar, zumal einem solchen Effekt durch die Beschränkung der Anspruchshöhe und -dauer enge Grenzen gesetzt sind (vgl - Juris RdNr 38; Urteil vom - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 65). Zudem ist nach der Rechtsprechung des BVerfG auch das Ziel der Sanierung der Staatsfinanzen durch Einsparungen auf der Ausgabenseite eine übergreifende und legitime Aufgabe des Gesetzgebers zugunsten des Staatsganzen ( - SozR 3-4100 § 242q Nr 2 S 10 f mwN).

10Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

11Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

12Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2014:281014BB10EG1214B0

Fundstelle(n):
ZAAAE-80480