NWB Nr. 49 vom Seite 3665

„Der Soli wird nicht geschlachtet“

Professor Dr. Hans-Joachim Kanzler | Rechtsanwalt und Steuerberater | Mitherausgeber der NWB

Der Koalitionsvertrag und seine Umsetzung – Die Gestaltung der steuerrechtlichen Zukunft Deutschlands

Ein Jahr ist schnell vorüber, vor allem wenn es nicht in voller Länge zur Verfügung steht. Vor gut einem Jahr einigten sich CDU/CSU und SPD 66 Tage nach der Bundestagswahl auf den Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode, der unter das Motto „Deutschlands Zukunft gestalten“ gestellt und erst am unterzeichnet wurde. Die steuerpolitischen Aussagen dieses Vertrags, die allgemein als eher ernüchternd oder gar dürftig bezeichnet wurden, ließen jedenfalls keine grundlegenden Reformen erwarten und die Hoffnung, dass Regierungsarbeit und Gesetzgebung größere Inspiration erkennen lassen, hat sich nicht erfüllt. Beide agieren nicht, sondern reagieren: Auf Vorgaben der EU, Regelungsaufträge des BVerfG, missliebige Entscheidungen des BFH, Kritik des Bundesrechnungshofs und tagespolitische Ereignisse, wie das Verfahren gegen einen prominenten Steuerhinterzieher. Dabei mutet es schon etwas kurios an, wenn dieser Fall einer gründlich gescheiterten Selbstanzeige zum Anlass wird, die Rechtslage derart zu verschärfen, dass eine wirksame Selbstanzeige künftig kaum noch möglich sein wird. Auf diesen Umstand weist der Gesetzentwurf zur Änderung der AO des EGAO beschönigend hin: „Der Ermittlungsaufwand für die Behörden der Länder verringert sich, da sich der Erklärungsumfang für die Selbstanzeigenden vergrößert“ (BT-Drucks. 18/3018 S. 9).

Die beiden großen Gesetzesvorhaben, das bereits in Kraft getretene KroatienAnpG und das noch zu verabschiedende ZollkodexAnpG, auch als „JStG 2015“ bezeichnet, sind Artikelgesetze, deren Titel ihren Inhalt eher verschleiern als bezeichnen. Die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben wurde vielmehr zum Anlass genommen, vielfältige weitere Maßnahmen zu ergreifen. So sollen im ZollkodexAnpG Empfehlungen des Bundesrechnungshofs, wie eine Neuregelung der Durchschnittssatzgewinnermittlung für Landwirte, umgesetzt werden. Vor allem aber wird in beiden Gesetzen die Rechtsprechung des BFH korrigiert. Getreu der im Koalitionsvertrag verkündeten Absicht, die sog. Nichtanwendungserlasse restriktiv zu handhaben, werden jetzt gleich Nägel mit Köpfen gemacht und Nichtanwendungsgesetze erlassen, bei denen die Rückwirkung zur Regel wird.

Nicht zuletzt wurde der Solidaritätszuschlag wiederholt wie die sprichwörtliche Sau durchs Dorf getrieben, aber nicht – wie die ursprüngliche Bedeutung dieses Spruchs vermuten ließe – um den Soli zu schlachten, sondern ihm das ewige Leben zu verschaffen. So dachte der Bundesfinanzminister kurzzeitig aber lautstark darüber nach, den Soli in die Einkommensteuer zu integrieren. Dann wäre er auf wundersame Weise verschwunden und würde doch noch ordentlich ferkeln. Andere zeigen sich weniger beeindruckt von einem drohenden Veto des BVerfG und propagieren ebenso medienwirksam den permanenten Soli, der chamäleonhaft einmal diesem und einmal jenem Zweck dienen könnte.

Mit Blick auf die Verheißungen des Koalitionsvertrags dürfen wir also noch weiter auf die Gestaltung der steuerrechtlichen Zukunft Deutschlands hoffen.

Hans-Joachim Kanzler

Fundstelle(n):
NWB 2014 Seite 3665
GAAAE-80216