BAG Urteil v. - 7 AZR 853/12

Befristungskontrollklage - Arbeitnehmerüberlassung

Gesetze: § 17 S 1 TzBfG, § 14 Abs 1 TzBfG, § 1 Abs 1 S 1 AÜG, § 2 Abs 4 S 4 AÜG, § 3 Abs 1 Nr 1 AÜG, § 9 Nr 1 AÜG, § 10 Abs 1 S 1 AÜG, AÜGÄndG 1, § 44b Abs 1 SGB 2, § 6 Abs 2 S 1 SGB 2, § 44g Abs 1 SGB 2

Instanzenzug: ArbG Krefeld Az: 5 Ca 2379/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 15 Sa 336/12 Urteil

Tatbestand

1Mit seiner Befristungskontrollklage wendet sich der Kläger gegen die Befristung seines letzten mit der Beklagten geschlossenen Arbeitsvertrags. Zudem macht er einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend.

2Die Beklagte ist eine gemeinnützige Gesellschaft, deren Gesellschafter zu gleichen Teilen der Kreis V und die „Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis V mbH“ sind. An der Wirtschaftsförderungsgesellschaft ist der Kreis seinerseits zu 95,93 % beteiligt. Die Beklagte erzielt als gemeinnützige Gesellschaft keine Gewinne. Ihre vorrangige Aufgabenstellung ist die Betreuung und gegebenenfalls Vermittlung von Langzeitarbeitslosen. Diese Aufgabenstellung wird aus Fördermaßnahmen für Langzeitarbeitslose und andere Zielgruppen des jeweiligen Zuwendungsgebers finanziert. Seit Mitte 2005 betreibt die Beklagte zudem auch Personalgestellung im Zusammenhang mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die Beklagte verfügt nicht über eine Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.

3Der Personaleinsatz im Rahmen der Personalgestellung erfolgte zunächst bei der Arbeitsgemeinschaft (künftig: ARGE) Kreis V. Gesetzliche Grundlage der ARGEn war die Ursprungsfassung des SGB II (Gesetz vom , BGBl. I S. 2954), die zunächst insoweit in wesentlichen Punkten unverändert blieb. Später erfolgte der Einsatz in der Gemeinsamen Einrichtung zwischen dem Kreis V und der Bundesagentur für Arbeit nach § 44b SGB II, wie er mit Wirkung zum durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (künftig: Organisationsweiterentwicklungsgesetz, Gesetz vom , verkündet am , BGBl. I S. 1112) geschaffen wurde.

4Im Rahmen der Personalgestellung durch die Beklagte war auch der Kläger als Fachassistent im „Bearbeitungsservice Leistungen SGB II“ eingesetzt. Dem lagen folgende Verträge zugrunde: Aufgrund Vertrags vom wurde der Kläger zum bis zum sachgrundlos befristet eingestellt. Aufgrund Vertrags vom wurde er befristet weiterbeschäftigt ab dem bis zum . Ein Änderungsvertrag vom sah eine befristete Weiterbeschäftigung ab dem bis zum vor. Mit weiterem Änderungsvertrag vom wurde in entsprechender Weise eine befristete Weiterbeschäftigung ab dem bis zum vereinbart.

5Die Personalgestellungen der Beklagten an die ARGE Kreis V hatten ihre vertragliche Grundlage in Vereinbarungen zwischen der ARGE und der Beklagten. Anwendbar war zunächst die Vereinbarung vom , verlängert am , dann vom , verlängert aufgrund weiterer gemeinsamer Erklärung vom bis . Die der Beklagten entstandenen Personalkosten wurden zuzüglich Verwaltungskosten und gesetzlicher Umsatzsteuer von der ARGE an die Beklagte gezahlt. Die gemeinsame Erklärung vom lautet wie folgt:

6Die in diesem Schreiben angesprochenen Gesetzesentwürfe beruhten darauf, dass das Bundesverfassungsgericht mit Entscheidung vom (- 2 BvR 2433/04 ua. - BVerfGE 119, 331) die ursprüngliche Konzeption der Bildung von ARGEn nach dem SGB II für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung bis zum gesetzt hatte.

7Zeitgleich mit dem damit erforderlich gewordenen Gesetzgebungsprozess informierte der Geschäftsführer der Beklagten die im Wege der Gestellung tätigen Arbeitnehmer mit einer Mitarbeiterinformation vom . Darin teilte er mit, die Meinungsbildung des Kreises V, ob im Wege eines „Optionsantrages“ der Kreis V die Grundsicherung für Arbeitsuchende selbst durchführen wolle oder ob die Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit in einem Jobcenter fortgesetzt werde, dauere noch an. Die Kreisverwaltung sehe zur Zeit in dem Modell eines optimierten Jobcenters die größeren Vorteile. Mit einer Entscheidung durch den Kreistag sei gleichwohl erst Ende September des Jahres 2010 zu rechnen. Ein Optionsantrag könne bis zum mit Wirkung zum gestellt werden. Deshalb könne die Personalgestellung durch die Beklagte für das Jahr 2011 noch unverändert beibehalten werden. Er, der Geschäftsführer, habe sich mit der ARGE-Geschäftsführung darüber verständigt, die Vereinbarung über die Personalgestellung „in einem ersten Schritt“ bis zum zu verlängern.

8Am beschloss der Kreistag des Kreises V Folgendes:

9Damit hatte sich der Kreistag gegen das Optionsmodell entschieden und beschlossen, es solle in den Personalgestellungsvertrag der Beklagten mit der ARGE eingetreten werden. In Umsetzung des Kreistagsbeschlusses schlossen die Beklagte, der Kreis V und die ARGE für den Kreis V am 23./ einen „Vertrag zur Überleitung der Vereinbarung über die Personalgestellung zur Wahrnehmung von Aufgaben nach Kapitel 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch II“. In der Präambel dieser Vereinbarung war festgestellt, dass der Landkreis V und die Bundesagentur für Arbeit eine Gemeinsame Einrichtung nach dem SGB II bilden wollten, der Landkreis V aber nicht über ausreichend eigenes Personal verfüge, um der Gemeinsamen Einrichtung genug Personen zur Durchführung ihrer Aufgaben zuzuweisen. Es werde deshalb die befristete Fortsetzung der Personalgestellungsvereinbarung zwischen der ARGE und der Beklagten ab dem bis zum vereinbart. Der Personalgestellungsvertrag lautet weiter auszugsweise:

10Mit Schreiben vom teilte der Kreis V der Beklagten mit, die Personalgestellung werde in der bisherigen Form nur noch bis zum fortgeführt. Danach werde er nur noch in reduzierter Form auf eine Personalgestellung seitens der Beklagten zurückgreifen und sich auf einschlägig ausgebildetes und universell einsetzbares Personal beschränken. Es heißt dann weiter:

11Mit seiner beim Arbeitsgericht am eingegangenen und der Beklagten am zugestellten Befristungskontrollklage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung seines letzten Arbeitsvertrags geltend gemacht. Zudem hat er seine Weiterbeschäftigung erstrebt. Er hat geltend gemacht, ein Sachgrund für seine Befristung liege nicht vor. Das Arbeitsverhältnis zur Beklagten habe auch nicht nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geendet.

12Der Kläger hat beantragt

13Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

14Sie hat geltend gemacht, für die Befristung des letzten Arbeitsvertrags der Parteien bestehe ein sachlicher Grund. Dazu hat sie behauptet, aufgrund der seinerzeit vorliegenden Referentenentwürfe zur Neuorganisation der Verwaltung nach dem SGB II habe sich der Kreis V, vertreten durch den Kreisdirektor, bereits in einer Verwaltungskonferenz am dafür entschieden, die Aufgaben des kommunalen Trägers in der Gemeinsamen Einrichtung „Jobcenter“ auch zukünftig als eigene Aufgabe mit eigenem Personal zu erledigen. Nachdem die endgültigen Gesetzesentwürfe die Möglichkeit einer Gestellung durch den kommunalen Träger vorgesehen hätten, habe ein weiteres Gespräch am stattgefunden. An diesem Gespräch habe auch der Geschäftsführer der Beklagten teilgenommen. Dabei habe der Kreis V, vertreten durch den Kreisdirektor, entschieden, dass die Beklagte wieder auf ihre Kernaufgaben, nämlich Trägerschaft von verschiedenen Arbeitsmarktprogrammen des Bundes und des Landes, zurückgeführt werde. Der Kreis V, vertreten durch den Kreisdirektor, habe unmissverständlich erklärt, dass vor diesem Hintergrund die Personalgestellung nur noch bis zum fortgeführt werde. Die Aufgaben im Jobcenter würden ab dem nur noch mit eigenem Personal des Kreises durchgeführt werden. Am habe es eine entsprechende Abstimmung zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und der Agentur für Arbeit K als weiterem Träger der Gemeinsamen Einrichtung gegeben. Die verbindliche Mitteilung des Kreisdirektors vom habe zur letzten Befristung geführt. An deren Rechtswirksamkeit ändere sich auch nicht dadurch etwas, dass sich die Übernahme des qualifizierten Personals im Laufe des Jahres 2011 verzögert habe und der Personalgestellungsvertrag noch bis Ende Juni 2012 fortgesetzt worden sei.

15Im Übrigen bestehe zwischen ihr und dem Kläger aufgrund der Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ohnehin kein Arbeitsverhältnis mehr.

16Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das arbeitsgerichtliche Urteil auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine ursprünglichen Klageanträge weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

17Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

18A. Gegen die Zulässigkeit der Revision bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Entgegen der Ansicht der Beklagten genügt die Revisionsbegründung den gesetzlichen Anforderungen (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Sie ist geeignet, die Entscheidung umfassend in Frage zu stellen (vgl.  - Rn. 18).

19Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, wegen einer fehlenden Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis sei nach § 9 Nr. 1 iVm. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten beendet und ein Arbeitsverhältnis zum Kreis V als Entleiher begründet worden. Dieser Rechtsfolge stehe nicht entgegen, dass es sich bei der Beklagten um einen Mischbetrieb handele, der auch andere Tätigkeiten als Arbeitnehmerüberlassung entfalte. Auch im letzten Arbeitsvertrag des Klägers sei ausdrücklich ein Einsatz im Wege der Personalgestellung für und bei der ARGE Kreis V vorgesehen und so später im Jobcenter fortgesetzt worden.

20Hinsichtlich der letzten tragenden Erwägung hat der Kläger in der Revisionsbegründung darauf hingewiesen, nach seinen bereits in das Verfahren eingeführten Verträgen sei auch ein anderweitiger Einsatz durch Bezugnahme auf den TVöD zulässig gewesen. Ein solcher sei bei der Beklagten auch der Sache nach möglich. Damit hat der Kläger die angefochtene Entscheidung in einem Punkt angegriffen, dessen andere Beurteilung nach dem Begründungszusammenhang des Berufungsurteils auch zu einem anderen Ergebnis führen würde. Da das Landesarbeitsgericht mit seiner Begründung sowohl die Befristungskontrollklage als auch den Beschäftigungsanspruch abgelehnt hat, richtet sich die Begründung des Klägers auch auf beide Streitgegenstände (vgl.  - Rn. 12).

21B. Die Revision ist begründet. Der Rechtsstreit ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

22I. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts ist rechtsfehlerhaft. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger seine vor dem erhobene Befristungskontrollklage trotz einer zu diesem Zeitpunkt etwa nach § 9 Nr. 1 AÜG eingetretenen Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags sowie der damit ggf. gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AÜG verbundenen Entstehung eines Arbeitsverhältnisses zum Kreis V wegen § 265 Abs. 1, § 325 Abs. 1 ZPO gegen die Beklagte hätte fortführen können. Denn entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Arbeitsvertrag der Parteien nicht am nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam geworden. Es kommt deshalb darauf an, ob die streitbefangene Befristung wirksam ist; insoweit bedarf es weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts.

231. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts, die Befristungskontrollklage sei bereits deshalb abzuweisen, weil nach den Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zum Zeitpunkt des Ablaufes der vereinbarten Vertragsdauer kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mehr bestanden habe, ist rechtsfehlerhaft.

24a) Es kann dahinstehen, ob der Kläger seine Befristungskontrollklage gegen die Beklagte unabhängig davon fortführen konnte, ob sein Arbeitsvertrag mit der Beklagten nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam wurde und zu diesem Zeitpunkt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AÜG ein Arbeitsverhältnis zum Kreis V entstand. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. etwa - Rn. 14 mwN) bleibt der seinen Betrieb veräußernde Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis vor dem Betriebsübergang gekündigt hat, für die gerichtliche Klärung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung auch nach dem Betriebsübergang passiv legitimiert; §§ 265, 325 ZPO sind in einem solchen Fall entsprechend anzuwenden. Für eine zulässigerweise bereits vor dem vereinbarten Fristende erhobene Befristungskontrollklage dürfte insoweit nichts anderes gelten. Ob die zum Betriebsübergang entwickelten Grundsätze auch dann anzuwenden sind, wenn nach Erhebung einer Befristungskontrollklage und vor dem durch diese streitbefangenen Beendigungszeitpunkt der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Arbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam wird und gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AÜG mit dem Eintritt der Unwirksamkeit ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher als zustande gekommen gilt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

25b) Allerdings ist das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des streitbefangenen Beendigungstermins grundsätzlich Voraussetzung für den Erfolg einer Befristungskontrollklage, denn der in § 17 Satz 1 TzBfG vorgesehene Klageantrag richtet sich auf die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Befristung nicht beendet ist. Vorliegend wurde aber entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts der Arbeitsvertrag der Parteien zum nicht nach § 9 Nr. 1 AÜG wegen Fehlens der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderlichen Erlaubnis unwirksam.

26aa) Vor dem bedurfte die Beklagte keiner Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Nach der vor diesem Zeitpunkt geltenden Fassung von § 1 AÜG (Bekanntmachung vom , BGBl. I S. 158) bedurften lediglich Arbeitgeber, die „gewerbsmäßig“ Arbeitnehmerüberlassung betrieben, einer Erlaubnis. Das setzte voraus, dass der Verleiher eine Gewinnerzielungsabsicht hatte (dazu  - Rn. 19 ff.). Die Parteien haben nicht vorgetragen, die gemeinnützige Beklagte habe eine derartige Absicht gehabt.

27bb) Ab dem dürfte zwar die von der Beklagten betriebene Arbeitnehmerüberlassung erlaubnispflichtig gewesen sein. Jedoch galt die Beklagte nach dem Rechtsgedanken von § 2 Abs. 4 Satz 4 AÜG jedenfalls im Dezember 2011 und damit auch zum streitbefangenen Beendigungszeitpunkt noch als im Besitz der erforderlichen Erlaubnis.

28(1) Mit Wirkung zum wurde durch das Erste Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung - vom (BGBl. I S. 642; künftig: Missbrauchsverhinderungsgesetz) die in § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG geregelte Erlaubnispflicht auf alle Arbeitgeber erstreckt, die „im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit“ Arbeitnehmerüberlassung betreiben (Art. 1 Nr. 2 Buchst. a), aa), Art. 2 Abs. 1 dieses Gesetzes; zur gezielten Änderung der Rechtslage: BT-Drs. 17/4804 S. 8). Das spricht dafür, dass die Beklagte ab diesem Zeitpunkt trotz ihrer nicht auf Gewinn ausgerichteten Tätigkeit wegen deren Entgeltlichkeit einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis bedurfte (zu dem nicht Gesetz gewordenen Vorschlag des Bundesrates, bestimmte gemeinnützige Einrichtungen vom Geltungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes auszunehmen: BT-Drs. 17/4804 S. 13; vgl. einerseits Leuchten NZA 2011, 608, 609, andererseits Hamann RdA 2011, 321, 323). Die Beklagte war nicht im Besitz einer derartigen Erlaubnis.

29(2) Auch wenn hiernach mit dem Landesarbeitsgericht davon ausgegangen wird, dass die Beklagte ab dem einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis bedurfte, so galt diese jedenfalls im Dezember 2011 als bestehend. Das folgt aus dem Rechtsgedanken von § 2 Abs. 4 Satz 4 AÜG.

30(aa) Nach § 2 Abs. 4 AÜG ist die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis auf ein Jahr zu befristen, der Antrag auf Verlängerung spätestens drei Monate vor Ablauf des Jahres zu stellen und es verlängert sich die Erlaubnis um ein weiteres Jahr, wenn die Erlaubnisbehörde die Verlängerung nicht vor Ablauf des Jahres ablehnt. Lehnt die Behörde die beantragte Erlaubnis ab, so gilt die Erlaubnis für die Abwicklung der erlaubt abgeschlossenen Verträge als fortbestehend, jedoch nicht länger als zwölf Monate.

31In ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich regelt die Bestimmung danach die Situation, dass ein Verleiher legal, weil erlaubt, Arbeitnehmerüberlassung betreibt, eine weitere Erlaubnis beantragt und aufgrund deren Versagung eine erlaubte Arbeitnehmerüberlassung nicht mehr möglich ist. In diesem Fall soll für längstens ein Jahr die Abwicklung der bestehenden Verträge ermöglicht werden. Dafür wird das Bestehen der Erlaubnis fingiert.

32Der Regelung liegt deshalb der Rechtsgedanke zugrunde, dass im Interesse aller Beteiligten die an sich erlaubnispflichtige Tätigkeit auch ohne Erlaubnis aufgrund fingierter Erlaubnis zu Abwicklungszwecken für längstens zwölf Monate fortgeführt werden kann, soweit sie vorher erlaubt war und sich der Entleiher vergeblich um eine Erlaubnis bemüht. Das Fehlen einer Erlaubnis soll der Abwicklung bestehender rechtmäßig im Rahmen erlaubter Arbeitnehmerüberlassung geschlossener Verträge dann nicht entgegenstehen.

33(bb) Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen ist der dieser Vorschrift zugrunde liegende Rechtsgedanke auch auf die Situation zu übertragen, in der - wie hier - die Pflicht zur Einholung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nicht deshalb entstand, weil die alte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis abzulaufen drohte, sondern weil erstmals durch die gesetzliche Neuregelung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes mit dem Missbrauchsverhinderungsgesetz eine Erlaubnispflicht entstand. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Verleiher - hier nicht in Betracht kommend - eine solche Erlaubnis beantragt hat und diese abgelehnt wurde oder ein diesem Tatbestand vergleichbarer Fall vorliegt. Denn ebenso wie im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 2 Abs. 4 AÜG handelt es sich um eine Konstellation, in der der Verleiher bislang legal Arbeitnehmerüberlassung betrieb und es ihm nunmehr erstmals an der erforderlichen Erlaubnis fehlt. Auch in einem solchen Fall kann mangels einer Erteilung der Erlaubnis die Abwicklung bestehender Verträge gefährdet sein.

34Gesetzgeberische Entscheidungen stehen der Anwendung des Rechtsgedankens des § 2 Abs. 4 Satz 4 AÜG nicht entgegen. Der Gesetzgeber des Missbrauchsverhinderungsgesetzes hat diese Situation (entgegen Arbeitsgericht Krefeld vom - 1 Ca 2551/11 - zu I 5 der Gründe; zust. Hamann jurisPR-ArbR 39/2012 Anm. 2) durch das Missbrauchsverhinderungsgesetz nicht abschließend geregelt. Allerdings wurde dieses Gesetz bereits am verkündet und es trat die hier maßgebliche Änderung nach seinem Art. 2 Abs. 1 erst am in Kraft. Dadurch sollte den Verleihern und Entleihern ausreichend Zeit gegeben werden, ihre vertraglichen Vereinbarungen und sonstigen Regelungen bei Bedarf an die neue Rechtslage anzupassen (BT-Drs. 17/4804 S. 11; dazu  - Rn. 37). Ihnen war damit auch die Möglichkeit eröffnet, die erforderliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu beantragen. Das Missbrauchsverhinderungsgesetz regelte jedoch nicht die Fälle, in denen auch bei Beantragung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis deren Erteilung von vornherein nicht in Betracht kam.

35(cc) Die Beklagte als Verleiher hat keine Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz beantragt. Demzufolge ist eine solche auch nicht abgelehnt worden. Es liegt jedoch eine mit der Ablehnung einer beantragten Erlaubnis vergleichbare Situation vor. Ein Antrag der Beklagten wäre lediglich eine unnötige Förmelei gewesen, weil eine derartige Erlaubnis nicht hätte erteilt werden können. Dem hätte nämlich § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG entgegengestanden.

36Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG ist eine Erlaubnis zu versagen, wenn der Antragsteller die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die dort im Einzelnen genannten Vorschriften nicht einhält. Das Gesetz sieht hiernach die Versagung der Erlaubnis in den Fällen zwingend vor, in denen der Verleiher sich mit seiner Tätigkeit als Verleiher außerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegt. Dies war bei der Beklagten der Fall. Die von ihr betriebene Personalgestellung für einen Einsatz beim Jobcenter Kreis V als Gemeinsamer Einrichtung des Kreises V und der Bundesagentur für Arbeit war von vornherein gesetzwidrig, weil eine Zuweisung von Tätigkeiten bei der Gemeinsamen Einrichtung lediglich durch deren Träger - also die Bundesagentur für Arbeit und die kreisfreien Städte und Kreise (§ 6 Abs. 1 Satz 1 SGB II) - sowie die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 SGB II herangezogenen Gemeinden und Gemeindeverbände zulässig ist. Es folgt dies aus dem SGB II in der durch das Organisationsweiterentwicklungsgesetz geschaffenen ab dem geltenden Fassung. Das zeigt insbesondere die Systematik und Entstehungsgeschichte des Gesetzes:

37Nach § 44b Abs. 1 Satz 4 SGB II werden die Aufgaben der Gemeinsamen Einrichtung von Beamten und Arbeitnehmern wahrgenommen, denen entsprechende Tätigkeiten „zugewiesen“ sind. Die „Zuweisung von Tätigkeiten“ bei der Gemeinsamen Einrichtung ist ihrerseits in § 44g SGB II geregelt. Absatz 1 dieser Vorschrift betrifft die Zuweisung von Beamten und Arbeitnehmern der „Träger und der nach § 6 Absatz 2 Satz 1 herangezogenen Gemeinden und Gemeindeverbände“ in der Übergangssituation des Inkrafttretens des Organisationsweiterentwicklungsgesetzes. § 44g Abs. 2 SGB II regelt, dass spätere Zuweisungen nach den tarif- und beamtenrechtlichen Regelungen erfolgen. § 44g Abs. 4 SGB II bestimmt dann, dass die mit der Bundesagentur, dem kommunalen Träger oder einer nach § 6 Abs. 2 Satz 1 SGB II herangezogenen Gemeinde oder einem Gemeindeverband bestehenden Arbeitsverhältnisse unberührt bleiben. Diese Bestimmungen stehen in einem inneren Zusammenhang. Sie erlauben nur solche Zuweisungen, wie sie im Grundsatz bereits in § 44g Abs. 1 SGB II erfasst werden, also solche von Beamten und Arbeitnehmern der Träger und der herangezogenen Gemeinden und Gemeindeverbände.

38Das entspricht dem Willen des historischen Gesetzgebers. Danach werden die Aufgaben der Gemeinsamen Einrichtung durch Beschäftigte der jeweiligen Träger wahrgenommen (BT-Drs. 17/1555 S. 16). Er ist zudem davon ausgegangen, dass für die Beschäftigten der Gemeinsamen Einrichtungen ein einheitlicher Tarifvertrag durch eine Tarifgemeinschaft der Bundesagentur und der kommunalen Träger geschaffen werden könnte, die mit den zuständigen Gewerkschaften für alle Gemeinsamen Einrichtungen einen einheitlichen Tarifvertrag aushandeln (BT-Drs. 17/1555 S. 28).

39Nach diesem vom Gesetzgeber beabsichtigten in sich geschlossenen System ist ein Einsatz von Arbeitnehmern, die mit anderen Arbeitgebern - hier der Beklagten - einen Arbeitsvertrag geschlossen haben, nicht mit dem SGB II vereinbar.

40(dd) Demnach war die hier lediglich noch im Dezember vorgesehene Abwicklung der vor Inkrafttreten des Missbrauchsverhinderungsgesetzes abgeschlossenen und ab dessen Inkrafttreten möglicherweise der Erlaubnispflicht unterliegenden Arbeitnehmerüberlassungsverträge eine Abwicklung bestehender Verträge, für die nach dem Rechtsgedanken des § 2 Abs. 4 AÜG die Erlaubnis als bestehend gilt. Das gilt selbst dann, wenn man die dort vorgesehene Zwölfmonatsfrist schon ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt, nämlich der Verkündung des Missbrauchsverhinderungsgesetzes am , beginnen lassen wollte.

412. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kommt eine eigene Sachentscheidung des Senats nicht in Betracht (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen, anhand derer die Wirksamkeit der Befristungsabrede überprüft werden könnte.

42Die Überprüfung der Rechtswirksamkeit der Befristung ist nicht deshalb entbehrlich, weil die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge und die am geschlossene Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang dieser Richtlinie (ABl. EG L 175 vom S. 43) nicht für Leiharbeitnehmer gilt ( - [Della Rocca]). Das Teilzeit- und Befristungsgesetz enthält insoweit keine Ausnahmen für Leiharbeitnehmer (vgl.  - Rn. 19).

43Da die Arbeitsverhältnisse der Parteien insgesamt länger als zwei Jahre gedauert haben, kommt eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG nicht in Betracht. Ersichtlich liegen auch die Voraussetzungen von § 14 Abs. 2a oder § 14 Abs. 3 TzBfG nicht vor. Daher bedarf die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 1 TzBfG. In Betracht kommt der Sachgrund des vorübergehenden Bedarfs nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG. Das Landesarbeitsgericht wird insoweit die vom Senat entwickelten Grundsätze (vgl. nur  - Rn. 25 ff.) anzuwenden haben. Dabei wird es insbesondere zu prüfen haben, welche Bedeutung dem erst am gefassten, endgültigen Beschluss des Kreistags des Kreises V über die Organisation der Grundsicherung für Arbeitslose zukommt. Das Landesarbeitsgericht wird weiter zu berücksichtigen haben, dass ein vorübergehender Bedarf des Arbeitgebers, der sich aus der Planung eines Betriebsübergangs ergibt, keinen Sachgrund für eine Befristung darstellt ( - Rn. 40 mit Nachweisen). Von weiteren Hinweisen sieht der Senat ab.

44II. Die Zurückverweisung erfasst auch den Weiterbeschäftigungsantrag.

Fundstelle(n):
BB 2015 S. 115 Nr. 3
KAAAE-80057