BAG Urteil v. - 9 AZR 477/21

Instanzenzug: Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven Az: 11 Ca 11117/20 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Bremen Az: 1 Sa 25/21 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses durch unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Abs. 1 AÜG sowie - hilfsweise - über die Wirksamkeit einer Befristung.

2Auf der Grundlage des Gesetzes über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter vom (BGBl. I S. 352) idF vom (BGBl. I S. 2848) (Gesamthafenbetriebsgesetz) ist für Bremen-Bremerhaven ein Gesamthafenbetrieb (GHB) gebildet worden. Dieses Gesetz regelt ua.:

3In der aufgrund des Gesamthafenbetriebsgesetzes geschlossenen Vereinbarung zwischen dem Hafenbetriebsverein im Lande Bremen e.V. und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, Bezirksverwaltung Weser-Ems, vom (Errichtungsvereinbarung) heißt es ua.:

4Die vom Senator für Arbeit der Freien Hansestadt Bremen genehmigte Verwaltungsordnung für den Gesamthafenbetrieb im Lande Bremen vom , gültig ab (Verwaltungsordnung) regelt ua.:

5Der Kläger wurde vom Gesamthafenbetriebsverein im Lande Bremen e.V. (GHBV) durch schriftlichen Arbeitsvertrag vom als Gesamthafenarbeiter eingestellt. Im Arbeitsvertrag heißt es ua.:

6Weder der GHB noch der GHBV verfügt über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Der GHBV teilt das Personal unter Berücksichtigung des Arbeitsanfalls und der Anfragen der Hafeneinzelbetriebe täglich in die einzelnen Schichten ein. Dabei wird eine Gruppe als sog. freie Spitze abwechselnd an verschiedenen Terminals bei verschiedenen Hafeneinzelbetrieben eingesetzt, während ein anderer Teil der Gesamthafenarbeiter im Rahmen einer sog. Quote regelmäßig demselben Hafeneinzelbetrieb zugeordnet wird. Der GHBV beorderte den Kläger in der Regel zur Erledigung von Hafenarbeit in den von der Beklagten unterhaltenen Hafeneinzelbetrieb. Vor Erhebung seiner am bei Gericht eingegangenen Klage war er dort zuletzt am tätig. Auch danach wurde er im Hafenbetrieb der Beklagten eingesetzt.

7Der Kläger hat die Auffassung vertreten, zwischen ihm und der Beklagten bestehe nach § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 AÜG spätestens seit dem ein Arbeitsverhältnis. Der GHBV betreibe zumindest bei unionsrechtskonformer Auslegung des AÜG Arbeitnehmerüberlassung, ohne die dafür erforderliche behördliche Erlaubnis zu besitzen. Der Kläger behauptet, durchgehend durch den GHBV bei der Beklagten eingesetzt worden zu sein. Er sei entsprechend § 12 Abs. 2 der Verwaltungsordnung des GHBV der Beklagten in fester Quote zugeteilt gewesen, was einer nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung entgegenstehe.

8Soweit § 9 Abs. 4 der Verwaltungsordnung vorsieht, dass mit der Order durch die Verteilungsstelle zwischen dem Hafeneinzelbetrieb und dem Gesamthafenarbeiter für die Dauer der Beschäftigung ein (befristeter) Arbeitsvertrag geschlossen wird, stehe dies dem Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit dem Hafeneinzelbetrieb nicht entgegen. Das Entstehen eines lediglich auf eine Schicht befristeten Arbeitsverhältnisses zu der Beklagten gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 AÜG komme nicht in Betracht, weil ein die Befristung des Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigender Grund nicht vorliege.

9Zur Begründung seines Hilfsantrags hat der Kläger vorgebracht, dass eine Befristung des nach Maßgabe des § 9 Abs. 4 der Verwaltungsordnung begründeten (weiteren) Arbeitsverhältnisses mit dem Hafeneinzelbetrieb auf die Dauer der Beschäftigung kein sachlicher Grund bestehe. Aufgrund der über Jahre hinweg praktizierten Tagesbefristungen liege zudem ein institutionalisierter Rechtsmissbrauch vor. Schließlich sei auch das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG nicht gewahrt.

10Der Kläger hat zuletzt beantragt festzustellen,

11Die Beklagte hat ihren Antrag auf Abweisung der Klage ua. darauf gestützt, dass das AÜG vorliegend keine Anwendung finde, weil das Gesamthafenbetriebsgesetz jenem als das speziellere Gesetz vorgehe. Der GHBV überlasse auch nicht Arbeitnehmer im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG, weil anderen Personaldienstleistern die Vermittlung und Überlassung von Hafenarbeitern im Bereich des GHB untersagt sei und der GHBV insoweit nicht am Marktgeschehen teilnehme. Schließlich stehe dem Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung iSd. AÜG entgegen, dass aufgrund der Order der Verteilstelle des GHBV jeweils für die Einsatzdauer ein Arbeitsverhältnis zum Hafeneinzelbetrieb entstehe.

12Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

13Die Revision hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger kann weder Feststellung verlangen, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, noch, dass ein Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten nicht aufgrund der Befristung vom mit dem geendet hat.

14A. Der Hauptantrag ist unbegründet.

15I. Der Antrag ist als allgemeiner Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

161. Nach gebotener Auslegung ist der Antrag festzustellen, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis besteht, gegenwartsbezogen zu verstehen. Der Kläger hat keinen ausdrücklichen Zeitpunkt bezeichnet, sondern nur geltend gemacht, ein Arbeitsverhältnis sei gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG kraft gesetzlicher Fiktion zustande gekommen. Die begehrte Feststellung eines Arbeitsverhältnisses bezieht sich damit auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz. Soweit der Kläger den Standpunkt einnimmt, das Arbeitsverhältnis bestehe spätestens seit dem , handelt es sich lediglich um ein Begründungselement, das nicht dahin zu verstehen ist, er begehre die Feststellung des Arbeitsverhältnisses ab diesem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt.

172. Das für den so verstandenen Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer mit der allgemeinen Feststellungsklage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Entleiher auf Grundlage der Vorschriften des AÜG geltend machen ( - Rn. 17; - 9 AZR 735/15 - Rn. 22). Das Feststellungsinteresse entfällt nicht dadurch, dass der Kläger über den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hinaus sein - vermeintlich unwirksames - Arbeitsverhältnis zum GHB erfüllt hat. Nach Maßgabe des § 615 Satz 2 BGB ist er gehalten, Einkommen durch anderweitige Verwendung seiner Dienste zu erzielen.

183. Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er bezeichnet sowohl die Parteien des Arbeitsverhältnisses, dessen Feststellung der Kläger mit dem Hauptantrag begehrt, als auch den Umfang der Arbeitszeit (Vollzeit). Zur Bestimmung der Art der Beschäftigung (Hafenarbeiter) und der Vergütungsgrundlage (bei der Beklagten anwendbare Tarifverträge) ist ergänzend die Klagebegründung heranzuziehen (vgl.  - Rn. 28).

19II. Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass zwischen den Parteien kein unbefristetes Arbeitsverhältnis kraft gesetzlicher Fiktion gemäß § 10 Abs. 1 iVm. § 9 Abs. 1 AÜG zustande gekommen ist.

201. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiert das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ua. bei Fehlen einer Erlaubnis des Verleihers zur Arbeitnehmerüberlassung. Nach dieser Vorschrift gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 AÜG unwirksam ist. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG sind Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern unwirksam, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat. § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG ordnet die Unwirksamkeit von Arbeitsverträgen zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern für den Fall an, dass die nach § 1 Abs. 1b AÜG zulässige Überlassungshöchstdauer überschritten wird.

212. Weder der Erlaubnisvorbehalt nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG noch das Rechtsfolgensystem des § 10 Abs. 1 iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 1a und Nr. 1b AÜG findet auf die Überlassung von Gesamthafenarbeitern durch den GHB an die Hafeneinzelbetriebe Anwendung. Die Vorschriften des Gesamthafenbetriebsgesetzes und die aufgrund dessen erlassenen Vorschriften verdrängen das Erfordernis einer behördlichen Erlaubnis für die Überlassung von Arbeitnehmern sowie die den Bestand des Arbeitsverhältnisses regelnden Bestimmungen in den § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 AÜG (Kolbe/Helmbold EuZA 2021, 406, 413; Petri Das Phänomen „Arbeitgeberzusammenschlüsse“ als Arbeitnehmerüberlassung S. 123 f.; Sandmann/Marschall/Schneider AÜG Stand: Oktober 2019 Art. 1 § 1 Rn. 42 f.; aA Boemke in Boemke/Lembke AÜG 3. Aufl. § 1 Rn. 45; MHdB ArbR/Schüren 5. Aufl. § 144 Rn. 38; Ulber-J. Ulber AÜG 5. Aufl. Einl. C Rn. 124 ff.).

22a) Erfüllt ein konkreter Lebensvorgang die abstrakten Tatbestandsmerkmale mehrerer Rechtsnormen, die im gleichen Rangverhältnis zueinander stehen, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sämtliche an den einheitlichen Tatbestand geknüpften Rechtsfolgen gleichrangig nebeneinander eintreten, sofern sie sich nicht gegenseitig ausschließen. Eine Verdrängung der einen Rechtsnorm durch eine andere besondere Rechtsnorm kann vorliegen, wenn ein Fall von Spezialität (lex specialis derogat legi generali) gegeben ist. Spezialität verlangt, dass die verdrängende Rechtsnorm sämtliche Merkmale der allgemeinen Norm enthält und dieser noch ein besonderes Merkmal zur Bildung seines Tatbestandsbegriffs hinzufügt ( - Rn. 66 mwN, BAGE 163, 282).

23b) Das Gesamthafenbetriebsgesetz geht dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vor.

24aa) Beide Gesetzeswerke stehen als Bundesgesetze im gleichen Rangverhältnis und regeln die Überlassung von Arbeitnehmern. Das Gesamthafenbetriebsgesetz regelt jedoch spezifische Rahmenbedingungen für die Errichtung eines GHB, der als besonderer Arbeitgeber auf deutschen Seehäfen ausschließlich für dort geleistete Hafenarbeit gebildet wird, um die in den Häfen anfallenden Arbeiten bedarfsorientiert zu verteilen und den Hafenarbeitern dauerhafte Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen (vgl. BT-Drs. 12/5016 S. 91). Der Anwendung des Gesamthafenbetriebsgesetzes steht nicht entgegen, dass es zeitlich vor dem AÜG erlassen wurde. Spezialitätsgrundsatz und Ablösungsprinzip stehen nicht gleichberechtigt nebeneinander. Vielmehr genießt Ersterer Vorrang: Die lex specialis prior geht der lex generalis posterior vor (Ossenbühl in Isensee/Kirchhof Handbuch des Staatsrechts V 3. Aufl. § 100 Rn. 94; Kolbe/Helmbold EuZA 2021, 406, 413).

25bb) Das AÜG bestimmt allgemein für das Verhältnis zwischen Verleiher, Entleiher und Leiharbeitnehmer die leiharbeitstypische gespaltene Arbeitgeberstellung. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG bedürfen Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, der Erlaubnis. Arbeitnehmer werden nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und deren Weisungen unterliegen. Die Überlassung und das Tätigwerden von Arbeitnehmern als Leiharbeitnehmer ist nur zulässig, soweit zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht und die Höchstüberlassungsdauer des § 1 Abs. 1b AÜG nicht überschritten wird.

26cc) Begrenzt auf den Gesamthafen ermöglicht das Gesamthafenbetriebsgesetz demgegenüber unbefristet die Möglichkeit, mit dem GHB einen Arbeitgeber zu schaffen, um das in den Hafeneinzelbetrieben anfallende, stark schwankende Arbeitsaufkommen bedarfsgerecht zu verteilen. Die Beschäftigung der dort angestellten Hafenarbeiter entspricht zwar im Hinblick auf die Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Hafeneinzelbetrieb derjenigen von Leiharbeitnehmern im Allgemeinen. Der Zweck einer gegenüber dem AÜG speziellen Arbeitgeberfunktion zur Überlassung von Personal, die staatliche Kontrolle und das Sanktionssystem sind jedoch im Gesamthafenbetriebsgesetz, der Errichtungsvereinbarung und der auf dieser Grundlage erlassenen Verwaltungsordnung eigenständig und abweichend geregelt.

27(1) Das Gesamthafenbetriebsgesetz verfolgt gegenüber dem AÜG einen eigenständigen Zweck. In § 1 Gesamthafenbetriebsgesetz werden die zuständigen Arbeitgeberverbände bzw. einzelne Arbeitgeber und Gewerkschaften ermächtigt, durch schriftliche Vereinbarung „zur Schaffung stetiger Arbeitsverhältnisse“ einen besonderen Arbeitgeber zu bilden (vgl. BT-Drs. 12/5016 S. 91). Als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien (vgl.  - zu II 1 der Gründe, BAGE 61, 29) soll eine dauerhafte Beschäftigung der Gesamthafenarbeiter sichergestellt werden. Als Arbeitnehmerschutzeinrichtung (HaKo-BetrVG/Kloppenburg 6. Aufl. § 1 Rn. 97; Richardi/Maschmann BetrVG 17. Auf. § 1 Rn. 94) ist der GHB nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Gesamthafenbetriebsgesetz nicht auf eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit gerichtet. Im Rahmen einer aufgespaltenen Arbeitgeberfunktion nimmt er die von den Hafeneinzelbetrieben übertragenen Arbeitgeberrechte wahr, ohne dass diese dadurch ihre Selbständigkeit verlieren (vgl.  - zu II 1 der Gründe, aaO). Gemäß § 2 Abs. 1 Gesamthafenbetriebsgesetz bestimmt der GHB dazu nach Maßgabe der geltenden Gesetze seine Rechtsform, Aufgaben, Organe und Geschäftsführung, speziell auch die Grundsätze für die Erhebung, Verwaltung und Verwendung von Beiträgen und Umlagen. Insbesondere obliegt es dem GHB, den Begriff der Hafenarbeit iSd. § 1 Abs. 1 Gesamthafenbetriebsgesetz bindend festzulegen.

28(2) Zur Umsetzung dieses Gesetzeszwecks haben die Tarifvertragsparteien den GHB durch Errichtungsvereinbarung vom gebildet. Die Aufgaben des GHB bestehen nach § 2 Abs. 1 der Errichtungsvereinbarung darin, die in den Häfen anfallenden Arbeitsangelegenheiten auf die Gesamthafenarbeiter zweckmäßig und gerecht zu verteilen sowie die Gesamthafenarbeiter im Rahmen der geltenden Tarife und betrieblichen Vereinbarungen sozial zu betreuen. Die Errichtungsvereinbarung sieht die Bildung verschiedener Organe vor und bestimmt deren Aufgaben im Rahmen der Vorgaben des Gesamthafenbetriebsgesetzes. Sie erstreckt sich aufgrund ihres Normcharakters und ihrer zwingenden Wirkung ähnlich einem Tarifvertrag (vgl. § 4 Abs. 1 TVG) auf alle vom Gesamthafenbetriebsgesetz erfassten Arbeitsrechtsbeziehungen und ist einem Tarifvertrag daher vergleichbar (vgl.  - zu B II der Gründe, BAGE 72, 12). Der nach § 3 der Errichtungsvereinbarung paritätisch besetzte Ausschuss für Personal und Arbeit erlässt gemäß § 4 der Errichtungsvereinbarung eine sowohl für Hafenbetriebe als auch für Gesamthafenarbeiter bindende Verwaltungsordnung, um die gestellten Aufgaben einer zweckmäßigen und gerechten Verteilung der Arbeitsangelegenheiten durchzuführen. Die Tarifvertragsparteien übertragen damit Regelungsbefugnisse auf dieses Beschlussorgan (vgl.  - zu II 3 der Gründe mwN, BAGE 61, 29). Der Ausschuss für Personal und Arbeit erließ die vom Senator für Arbeit der Freien Hansestadt Bremen genehmigte Verwaltungsordnung vom , dessen zwingende Bestimmungen wie ein Tarifvertrag Rechtsnormcharakter aufweisen. Die Erledigung der laufenden Verwaltungsangelegenheiten ist nach § 6 Errichtungsvereinbarung dem GHBV übertragen. Er nimmt nach § 6 Errichtungsvereinbarung die Geschäftsführung wahr und vertritt den GHB.

29(3) Der Genehmigungsvorbehalt des § 2 Abs. 2 des Gesamthafenbetriebsgesetzes ist auf die besondere Gefährdungslage im GHB zugeschnitten und hebt sich dadurch von dem allgemeinen Erlaubnisvorbehalt des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG ab (vgl. Kolbe/Helmbold EuZA 2021, 406, 413; Petri Das Phänomen „Arbeitgeberzusammenschlüsse“ als Arbeitnehmerüberlassung S. 123 f.; Sandmann/Marschall/Schneider AÜG Stand: Oktober 2019 Art. 1 § 1 Rn. 43; aA Schüren/Hamann/Hamann AÜG 6. Aufl. § 1 Rn. 17; MHdB ArbR/Schüren 5. Aufl. § 144 Rn. 38).

30(a) Als Ausgleich für die weitreichenden Regelungsbefugnisse verlangt das Gesetz eine umfassende, auf die einzelnen Befugnisse des GHB bezogene staatliche Aufsicht. Soweit der GHB nach Maßgabe der geltenden Gesetze seine Rechtsform, Aufgaben, Organe und Geschäftsführung einschließlich der Grundsätze für die Erhebung, Verwaltung und Verwendung von Beiträgen und Umlagen bestimmt, müssen die Regelungen gemäß § 2 Abs. 2 Gesamthafenbetriebsgesetz durch die oberste Arbeitsbehörde des Landes genehmigt werden. Soweit der GHB gemäß § 2 Abs. 3 Gesamthafenbetriebsgesetz nichtgewerbsmäßige Arbeitsvermittlung durchführt, ist er der Aufsicht der Bundesagentur für Arbeit unterstellt und an deren Weisungen gebunden.

31(b) Durch die in § 2 Abs. 2 letzter HS Gesamthafenbetriebsgesetz ausdrücklich bestimmte Widerruflichkeit der Genehmigung wird eine stetige staatliche Überwachung der Verwaltungspraxis gewährleistet. Etwaigen Missständen kann durch (Teil-)Widerruf begegnet werden (Kolbe/Rieble ZfA 2015, 125, 156 f.; Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 428b). Der staatlichen Aufsicht unterliegt damit nicht zuletzt die dem GHB nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 Errichtungsvereinbarung obliegende Aufgabe, die Gesamthafenarbeiter im Rahmen der geltenden Tarife und betrieblichen Vereinbarungen zu betreuen.

32(4) Die den Bestand des Arbeitsverhältnisses regelnden Bestimmungen in den § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 AÜG finden auf die Beschäftigung der Gesamthafenarbeiter keine Anwendung. Das Gesamthafenbetriebsgesetz verfolgt gegenüber dem AÜG auch insoweit ein eigenständiges Regelungsziel, dem das Sanktionssystem des AÜG widerspricht.

33(a) Der Gesetzgeber des AÜG geht davon aus, dass Arbeitnehmerüberlassung infolge von Konjunkturanfälligkeit und wechselnden Einsätzen allgemein mit Unsicherheiten für die Arbeitnehmer verbunden ist (BT-Drs. 18/9232 S. 1). Deshalb sollen die Bestimmungen des AÜG den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Schutz der überlassenen Arbeitnehmer sicherstellen (BT-Drs. VI/2303 S. 9) und die Überlassung auf ihre Kernfunktion als Instrument der zeitlich begrenzten - vorübergehenden - Deckung des Arbeitskräftebedarfs im Einsatzbetrieb beschränken (BT-Drs. 18/9232 S. 14). Das AÜG zielt dabei auf eine generelle Stärkung der Stellung des Leiharbeitnehmers ab (BT-Drs. 18/9232 S. 14). Dem Leiharbeitnehmerschutz dient auch die Unwirksamkeit des Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 1a und Nr. 1b AÜG, die mithilfe des § 10 Abs. 1 AÜG zu einem Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes mit dem Entleiher führt (BT-Drs. VI/2303 S. 13 f.). Diese zivilrechtliche Sanktion soll Verleiher und Entleiher zu einem gesetzmäßigen Verhalten veranlassen (BT-Drs. VI/2303 S. 13). Bei einem Wechsel des Vertragspartners nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG verbessert sich regelmäßig die Position des Leiharbeitnehmers. Der Inhalt des mit dem Entleiher gesetzlich begründeten Arbeitsverhältnisses bestimmt sich nach den im Entleiherbetrieb geltenden Vorschriften und Regelungen (§ 10 Abs. 1 Satz 4 AÜG). Zudem erhält der Leiharbeitnehmer eine dauerhafte Beschäftigungsperspektive in dem fingierten Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher.

34(b) Demgegenüber konterkarierte ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis mit dem Hafeneinzelbetrieb an Stelle des Gesamthafenbetriebs das Ziel des Gesamthafenbetriebsgesetzes. Die dort geregelte Ermächtigung der Tarifvertragsparteien, mit dem GHB für die Gesamthafenarbeiter einen besonderen Arbeitgeber zu schaffen, dient dem Interesse und Schutz der Beschäftigten an einer dauerhaften Beschäftigung in allen Betrieben des Gesamthafens (vgl. HaKo-BetrVG/Kloppenburg 6. Aufl. § 1 Rn. 97; Richardi/Maschmann BetrVG 17. Aufl. § 1 Rn. 94). Die Arbeitnehmer sollen nicht im Rahmen unstetiger, kurzfristiger Arbeitsverhältnisse zu den Hafeneinzelbetrieben („Tagelöhner“) beschäftigt, sondern vielmehr im Gesamthafen bedarfsorientiert bei allen Hafenbetrieben eingesetzt werden können. Durch die feste Bindung eines Gesamthafenarbeiters an einen bestimmten Hafeneinzelbetrieb kraft gesetzlicher Fiktion würden aber unstetige Arbeitsverhältnisse nicht vermieden, sondern vielmehr eine Situation hergestellt, die durch die Einrichtung des besonderen, die Hafeneinzelbetriebe zusammenfassenden Arbeitgebers gerade verhindert werden soll.

35(c) Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Gesamthafenarbeiter und Hafeneinzelbetrieb kraft gesetzlicher Fiktion nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ist auch nicht durch das Unionsrecht veranlasst.

36(aa) Der Senat kann offenlassen, ob der GHB die Gesamthafenarbeiter den Hafeneinzelbetrieben im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit zuweist und damit unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Leiharbeit (ABl. EU L 327 vom S. 9, im Folgenden Leiharbeitsrichtlinie) fällt. Eine wirtschaftliche Tätigkeit besteht darin, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Dazu zählen auch Dienste, die - ohne dass es sich um eine Ausübung hoheitlicher Befugnisse handelte - im allgemeinen Interesse und ohne Erwerbszweck im Wettbewerb mit den Diensten von Wirtschaftsteilnehmern erbracht werden, die einen Erwerbszweck verfolgen (vgl.  - [Manpower Lit] Rn. 37, 39). Der Ausschluss einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit in § 1 Satz 2 Gesamthafenbetriebsgesetz steht damit einer wirtschaftlichen Tätigkeit des GHB nicht entgegen (Schüren/Hamann/Hamann AÜG 6. Aufl. § 1 Rn. 17; Kolbe/Helmbold EuZA 2021, 406, 413; MHdB ArbR/Krois 5. Aufl. § 291 Rn. 108). Ob das in § 11 Abs. 1 Verwaltungsordnung geregelte Personalgestellungsvorrecht des GHB der erforderlichen Wettbewerbssituation mit sonstigen Personaldienstleistern entgegensteht (so Kolbe/Helmbold EuZA 2021, 406, 413), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die Frage ist nicht entscheidungserheblich.

37(bb) Die Leiharbeitsrichtlinie gibt die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer als zivilrechtliche Sanktion nicht vor ( - [Daimler] Rn. 97). Gemäß Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Leiharbeitsrichtlinie legen die Mitgliedsstaaten die Sanktionen fest, die im Falle eines Verstoßes gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie Anwendung finden, und treffen die erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchführung zu gewährleisten. Die Sanktionen müssen nach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 der Leiharbeitsrichtlinie wirksam, angemessen und abschreckend sein. Die Leiharbeitsrichtlinie sieht damit keine eigenen Sanktionen vor, sondern überlässt deren Auswahl den Mitgliedsstaaten. Wegen der Vielzahl möglicher Verstöße gegen Vorschriften des AÜG durch Verleiher und Entleiher sowie möglicher Sanktionen ist die Auswahl wirksamer, angemessener und abschreckender Sanktionen iSv. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 der Leiharbeitsrichtlinie nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, sondern Sache des Gesetzgebers ( - [Daimler] Rn. 97 ff.;  - Rn. 54, 56; - 9 AZR 51/13 - Rn. 32 ff., BAGE 146, 384). Daraus folgt, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG auf die spezielle Überlassungskonstellation nach dem Gesamthafenbetriebsgesetz auch aus unionsrechtlichen Erwägungen weder direkt noch analog Anwendung findet.

38(5) Angesichts dieser Besonderheiten des Gesamthafenbetriebsgesetzes bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, die Anwendung der den Bestand des Arbeitsverhältnisses regelnden Bestimmungen in den § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 AÜG sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil nach § 9 Abs. 4 Satz 1 der Verwaltungsordnung mit der Order durch die Verteilungsstelle des GHBV zwischen dem Hafeneinzelbetrieb und dem Gesamthafenarbeiter für die Dauer der Beschäftigung ein (zweiter) Arbeitsvertrag abgeschlossen werde.

39(a) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass es sich bei dem Abschluss eines tarifvertraglich fingierten Arbeitsvertrags für die Dauer des Einsatzes der Hafenarbeiter im Hafeneinzelbetrieb um eine gegenüber dem AÜG spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Entleiher handelt. Grundsätzlich ist die Arbeitnehmerüberlassung iSd. AÜG durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet ( - Rn. 29). Letzteres wird im Rechtsfolgensystem des § 10 Abs. 1 iVm. § 9 Abs. 1 AÜG vorausgesetzt, weil das (bis dahin nicht bestehende) Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher erst durch § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG begründet wird.

40(b) Ob durch § 9 Abs. 4 Satz 1 der Verwaltungsordnung ein zweites Arbeitsverhältnis im statusrechtlichen Sinne (so für den GHB  - zu B II der Gründe, BAGE 72, 12) oder lediglich ein tatsächliches Beschäftigungsverhältnis (so für den GHB Lübeck  - zu II 1 der Gründe, BAGE 61, 29) begründet werden soll und ob den Tarifvertragsparteien die Normsetzungsbefugnis zukommt, losgelöst von einer rechtsgeschäftlichen Umsetzung aus sich heraus Arbeitsverhältnisse zu schaffen (krit. MHdB ArbR/Klumpp 5. Aufl. § 239 Rn. 37; ErfK/Franzen 22. Aufl. TVG § 1 Rn. 43), bedarf ebenso wenig einer Entscheidung wie die Frage, ob und gegebenenfalls welche Bestimmungen des AÜG Anwendung finden, wenn der Leiharbeitnehmer neben dem Leiharbeitsverhältnis auch in einem Arbeitsverhältnis zum Entleiher steht. Durch das AÜG wird die Leiharbeitsrichtlinie umgesetzt. Die Leiharbeitsrichtlinie lässt zwar auch ein doppeltes Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitsunternehmen und dem Leiharbeitnehmer sowie zwischen dem entleihenden Unternehmen und dem Leiharbeitnehmer zu ( - [Della Rocca] Rn. 40), verlangt dieses aber nicht. Die Mindestvorgaben der Leiharbeitsrichtlinie werden bereits durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG gewahrt. Danach setzt die Überlassung zur Arbeitsleistung nur voraus, dass der Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt.

41B. Der hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag gestellte Befristungskontrollantrag des Klägers fällt dem Senat damit zur Entscheidung an. Die Revision ist auch insoweit unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Befristungskontrollklage zu Recht abgewiesen.

42I. Würde durch die Regelung in § 9 Abs. 4 der Verwaltungsordnung zwischen dem Kläger und der Beklagten kein Arbeitsverhältnis im statusrechtlichen Sinne begründet, wäre die Befristungskontrollklage bereits deshalb unbegründet, weil deren Erfolg grundsätzlich das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des streitbefangenen Beendigungstermins voraussetzt. Der in § 17 Satz 1 TzBfG vorgesehene Klageantrag richtet sich auf die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch Befristung beendet ist ( - Rn. 25).

43II. Wird zugunsten des Klägers unterstellt, dass gemäß § 9 Abs. 4 der Verwaltungsordnung ein für die Dauer der Beschäftigung befristeter Arbeitsvertag mit der Beklagten begründet worden ist, endete dieser aufgrund der Befristung am .

441. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Dieser ergibt sich aus dem mit dem Gesamthafenbetriebsgesetz intendierten besonderen Arbeitnehmerschutz.

45a) Dieser Tatbestand lässt sich zwar keinem der in dem Katalog des § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG genannten Sachgründe zuordnen. Die Aufzählung von Sachgründen in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 8 TzBfG ist jedoch nicht abschließend, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt. Dadurch sollen weder andere von der Rechtsprechung vor Inkrafttreten des TzBfG anerkannte noch weitere Sachgründe ausgeschlossen werden (BT-Drs. 14/4374 S. 18). Die unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 1999/70/EG und der inkorporierten EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung gebieten keine andere Beurteilung. Es ergibt sich weder aus der Richtlinie noch aus der Rahmenvereinbarung, dass die sachlichen Gründe in der Regelung des nationalen Rechts abschließend genannt sein müssen ( - Rn. 44; - 7 AZR 207/15 - Rn. 109, BAGE 158, 266; - 7 AZR 218/04 - zu III 2 b aa der Gründe, BAGE 112, 187). Allerdings können sonstige, in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 8 TzBfG nicht genannte Sachgründe die Befristung oder auflösende Bedingung eines Arbeitsvertrags nur dann rechtfertigen, wenn sie den in § 14 Abs. 1 TzBfG zum Ausdruck kommenden Wertungsmaßstäben entsprechen und den gesetzlich bezeichneten Sachgründen von ihrem Gewicht her gleichwertig sind ( - Rn. 29 mwN). Diese beschränken sich nicht auf Fallgestaltungen, in denen ein nur vorübergehender Bedarf an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers besteht, wie etwa durch die Tatbestände in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 4, 5, 6 und 8 TzBfG deutlich wird. Gemeinsam ist den in dem Sachgrundkatalog aufgelisteten Tatbeständen jedoch ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, anstelle eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses die rechtliche Gestaltungsmöglichkeit eines zeitlich begrenzten Arbeitsverhältnisses zu wählen ( - Rn. 30; - 7 AZR 340/14 - Rn. 14).

46b) Die Befristung der fingierten Arbeitsverträge mit den Hafeneinzelbetrieben für die Dauer der Beschäftigung im jeweiligen Hafeneinzelbetrieb steht im Einklang mit den Wertungsmaßstäben des § 14 Abs. 1 TzBfG.

47aa) Die zeitliche Begrenzung der Beschäftigung im Hafeneinzelbetrieb und die darauf aufbauende kongruente Befristung ist auf den schwankenden Beschäftigungsbedarf in den Hafeneinzelbetrieben zurückzuführen. Zwar rechtfertigt die allgemeine Unsicherheit über die zukünftig bestehende Beschäftigungsmöglichkeit an sich die Befristung nicht. Eine solche Unsicherheit gehört zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers, das er nicht durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags auf den Arbeitnehmer abwälzen darf (st. Rspr., vgl.  - Rn. 51; - 7 AZR 212/17 - Rn. 11).

48bb) Das Gesamthafenbetriebsgesetz trägt diesem Grundsatz Rechnung. Das unternehmerische Risiko eines kurzfristig stark schwankenden Personalbedarfs wird nicht auf die Hafenarbeiter abgewälzt, sondern vielmehr in deren Interesse an einer stetigen Beschäftigung auf den GHB als besonderen Arbeitgeber übertragen. Mit dieser rechtlichen Gestaltung hat der Gesetzgeber eine - auch wiederholt - nur zeitlich begrenzte Beschäftigung in den Hafeneinzelbetrieben bewusst gebilligt. Das geringe Schutzniveau in der Rechtsbeziehung zum Hafeneinzelbetrieb wird durch den Bestands- und Vergütungsschutz im Arbeitsverhältnis zum GHB aufgewogen. Dem steht nicht entgegen, dass gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 der Verwaltungsordnung für die Dauer der Beschäftigung ein (befristeter) Arbeitsvertrag zwischen Gesamthafenarbeiter und Hafeneinzelbetrieb fingiert wird. Das Ziel, durch eine die Hafeneinzelbetriebe übergreifende Einsatzmöglichkeit stetige Arbeitsverhältnisse und eine kontinuierliche Beschäftigung der Gesamthafenarbeiter zu gewährleisten, ließe sich nicht umsetzen, wenn nach § 16 TzBfG infolge unwirksamer Befristungen eine Vielzahl unbefristeter Arbeitsverhältnisse mit den Hafeneinzelbetrieben entstände. Der Konstruktion des GHB würde anderenfalls die Grundlage entzogen. Aus diesem Grund kann auch nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) keine missbräuchliche Nutzung der Befristungsmöglichkeit durch die Beklagte vorliegen, obwohl das besonders gravierende Ausmaß der Anzahl der (Tages-)Befristungen diese für sich genommen indizierte (vgl. zur Kontrolle nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs  - Rn. 23 ff., BAGE 157, 125). Die fingierte Begründung eines befristeten Arbeitsvertrags mit dem Hafeneinzelbetrieb hat damit für den Einsatzzeitraum nach § 9 Abs. 4 Satz 1 der Verwaltungsordnung nur Folgen für die Erfüllungspflichten. § 9 Abs. 4 Satz 2 der Verwaltungsordnung stellt dazu klar, dass „aus diesem so abgeschlossenen Arbeitsvertrag … für den Hafeneinzelbetrieb die Entlohnungspflicht“ entsteht, und entspricht damit § 2 Abs. 2 der Errichtungsvereinbarung.

492. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Befristungsregelung in § 9 Abs. 4 der Verwaltungsordnung scheitert entgegen der Ansicht des Klägers nicht an dem Schriftformerfordernis in § 14 Abs. 4 TzBfG. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. § 14 Abs. 4 TzBfG findet keine Anwendung, wenn der Arbeitsvertrag insgesamt auf einen einschlägigen Tarifvertrag Bezug nimmt, der seinerseits die Befristung vorsieht ( - Rn. 45; - 7 AZR 771/12 - Rn. 27, BAGE 148, 357). Die Parteien haben die Verwaltungsordnung in Nr. 6 des Arbeitsvertrags insgesamt in Bezug genommen. Bei dieser handelt es zwar nicht um einen Tarifvertrag. Aufgrund des Rechtsnormcharakters ihrer Regelungen (vgl. Rn. 28) sind die vorstehend aufgezeigten Grundsätze zur Unanwendbarkeit des Schriftformerfordernisses in § 14 Abs. 4 TzBfG jedoch auf die Verwaltungsordnung zu übertragen.

50C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:050722.U.9AZR477.21.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-23909