SteuerStud Nr. 12 vom Seite 693

Abzugsfähigkeit der Erstausbildungskosten – eine (un)endliche Geschichte?

RiFG Prof. Dr. Volker Kreft | steuerstud-redaktion@nwb.de

Seit 2002 tritt der VI. Senat des BFH nach Änderung seiner Rechtsprechung dafür ein, dass alle Bildungsaufwendungen – auch Kosten anlässlich der ersten Berufsausbildung und des Erststudiums – bei entsprechender beruflicher Veranlassung vollständig als Erwerbsaufwendungen abzugsfähig sind. Nachdem der BFH den ersten Versuch des Gesetzgebers, diese Rechtsprechung durch Einführung des § 12 Nr. 5 EStG zu brechen, noch durch eine steuersystematische Gesetzesauslegung „parieren“ konnte, errichtete der Gesetzgeber durch Einführung von Abzugsverboten für Erstausbildungskosten (§§ 4 Abs. 9, 9 Abs. 6 EStG) quasi „Fort Knox“, um sich vor weiteren „Angriffen“ des BFH zu schützen. Die vielfach hiergegen in der steuerrechtlichen Literatur vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. hierzu ausführlich Kreft, SteuerStud 10/2014 S. 599, 605 ff. NWB GAAAE-72878) schienen zunächst ohne Gehör zu bleiben, denn der für Betriebsausgaben zuständige VIII. Senat des BFH stellte im Urteil vom - VIII R 22/12 NWB SAAAE-52254 für das Abzugsverbot des § 4 Abs. 9 EStG die Übereinstimmung mit dem Grundgesetz fest. Dem ist aktuell jedoch der VI. Senat des BFH in verschiedenen, am veröffentlichten Vorlagebeschlüssen vom – VI R 2/12 NWB SAAAE-78515, VI R 8/12 NWB CAAAE-78516 u. a. – entgegengetreten und hat dadurch der scheinbar unendlichen Geschichte um die Abzugsfähigkeit der Erstausbildungskosten ein weiteres Kapital hinzugefügt. Die Fortsetzung des Kampfes der Staatsgewalten wird nun auf dem Spielfeld des Verfassungsrechts ausgetragen, mit einem neuen Schiedsrichter – dem BVerfG.

In allen Streitfällen scheiterte der Werbungskostenabzug und die begehrte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes an dem (rückwirkend ab VZ 2004 geltenden) gesetzlichen Abzugsverbot; ein theoretisch möglicher Sonderausgabenabzug gem. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG (bis 6.000 €/Jahr) ging ins Leere. Da in jedem der Fälle die Aufwendungen für die Berufsausbildung notwendige Voraussetzung für die nachfolgende Berufsausübung waren, m. a. W. ein Erwerbsbezug der Aufwendungen unzweifelhaft feststand, verstößt das Abzugsverbot nach Auffassung des VI. Senats gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit in der Ausgestaltung des objektiven Nettoprinzips. Bei den ausgewählten sog. Pilotenfällen, die durch hohe Ausbildungskosten und anschließende Tätigkeit als angestellter Berufspilot mit hohen steuerpflichtigen Gehältern gekennzeichnet sind, ist ein Verstoß gegen dieses Prinzip besonders evident. Da Erstausbildungskosten nach der Überzeugung der BFH-Richter auch zu den existenzsichernden Privatausgaben gehören und der Sonderausgabenabzug in aller Regel ins Leere geht, wird auch ein Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip gerügt. Die gegen die Anordnung der Rückwirkung der Regelung im Hinblick auf das aus Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitete Rückwirkungsverbot vorgebrachten Bedenken, vermochten die BFH-Richter dagegen nicht zu teilen. Es bleibt zu hoffen, dass sich das BVerfG der Problematik annimmt und zumindest dieses verfassungsrechtliche Kapitel zu Ende schreibt. Ein Ende der gesamten Geschichte scheint angesichts der Pläne des Gesetzgebers, die insoweit Neuregelungen im JStG 2015 vorsehen (vgl. hierzu bereits ausführlich: Steuer und Studium EXPRESS, Sondernewsletter zum geplanten JStG 2015 vom ), nicht in Sicht. Mit der geplanten Legaldefinition des Begriffs der „erstmaligen Berufsausbildung“ in §§ 4 Abs. 9, 9 Abs. 6 EStG will der Gesetzgeber ein weiteres Mal die günstigere Rechtsprechung des VI. Senats des NWB JAAAD-98389) aushebeln.

Abschließend bleibt uns nur noch, Ihnen dennoch ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen, verbunden mit allen guten Wünschen für das Jahr 2015.

Herzliche Grüße

Ihr

Volker Kreft

Fundstelle(n):
SteuerStud 12/2014 Seite 693
NWB YAAAE-79028