BMF - IV D 3 - S 7185/09/10001-04

Umsatzsteuerbefreiung von ehrenamtlichen Tätigkeiten nach § 4 Nummer 26 UStG;
Informatorisches Gespräch am im BMF

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich danke Ihnen für Ihre engagierte Mitwirkung bei dem o. g. Gespräch sowie Ihr gemeinsames Schreiben vom , in welchem Sie die inhaltlichen Eckpunkte des Gesprächs zusammenfassen und um Bestätigung Ihrer Ausführungen bitten.

Unter Bezugnahme auf die Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder nehme ich zu Ihren Ausführungen, auch soweit sie nicht Gegenstand der Besprechung waren, wie folgt Stellung:

Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und der daran anknüpfenden Ausführungen in dem werden Ihre Ausführungen hinsichtlich einer gesonderten Definition des Begriffs Ehrenamt geteilt. Denn nach den vom BFH aufgestellten Kriterien gehören zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten alle Tätigkeiten,

  • die in einem anderen Gesetz als dem UStG ausdrücklich als solche genannt werden,

  • die man im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als ehrenamtlich bezeichnet oder

  • die vom materiellen Begriff der Ehrenamtlichkeit umfasst werden; dieser setzt das Fehlen eines eigennützigen Erwerbsstrebens, die fehlende Hauptberuflichkeit und den Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung voraus.

Nicht geteilt werden hingegen Ihre Überlegungen zur grundsätzlichen Prüfreihenfolge dieser Kriterien. Auch wenn eine Tätigkeit in einem anderen Gesetz oder im allgemeinen Sprachgebrauch als ehrenamtlich bezeichnet wird, diese aber dennoch in einem Umfang ausgeführt wird, der die Annahme einer beruflichen Ausübung rechtfertigen würde oder sie aus Gründen der gebotenen engen Auslegung des Ehrenamtlichkeitsbegriffs nicht mit diesem vereinbar erscheint, ist eine weitergehende Überprüfung an Hand der Kriterien des materiellen Begriffs der Ehrenamtlichkeit stets erforderlich. Ein Automatismus, der jegliche weitere Prüfung mit Bezug zum rechtlichen Kern des Begriffs „Ehrenamt” ausschließt und die Befreiung auf rein formale Aspekte reduziert, lässt sich weder der breitgefächerten Rechtsprechung des BFH entnehmen noch entspricht er dem Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift.

Eine andere Schlussfolgerung ist auch vor dem Hintergrund der Unionsrechtslage nicht vertretbar. Denn einerseits beruht die Steuerbefreiung für ehrenamtliche Tätigkeiten lediglich auf einer Protokollerklärung zu Artikel 4 der Richtlinie 77/388/EWG, deren Anwendungsbereich und Reichweite mit Blick auf den im nationalen Recht umsatzsteuerlich befreiten Bereich nicht unumstritten ist. Andererseits sind Steuerbefreiungen stets eng auszulegen, weil sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt.

Darüber hinaus vermag ich Ihre Einschätzung nicht zu teilen, wonach die Bezeichnung einer Tätigkeit als Ehrenamt in einem materiellen Gesetz für die Annahme einer Befreiung bereits genügen soll. Da diese Fragestellung insoweit nicht Gegenstand der Erörterung war, möchte ich an dieser Stelle ergänzend auf die Rechtsprechung des (BStBl 2010 II S. 88), und im (BStBl 2008 II S. 918), hinweisen. Danach ist die Ehrenamtlichkeit einer Tätigkeit kraft gesetzlicher Regelung nicht anzunehmen, wenn es sich bei der Regelung lediglich um eine Bestimmung handelt, die im Bereich der Selbstverwaltung als Satzung erlassen wurde. Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben dieser Rechtsprechung folgend daher beschlossen, dass die Ehrenamtlichkeit kraft gesetzlicher Regelung nicht anzunehmen ist, wenn es sich um eine Bestimmung in einer im Bereich der Selbstverwaltung erlassenen Satzung handelt.

Ihren Ausführungen zum zeitlichen Umfang der ehrenamtlichen Tätigkeit stimme ich insoweit zu, als der zeitliche Aufwand für verschiedene ehrenamtliche Tätigkeiten sehr unterschiedlich sein kann und eine Beschränkung auf eine bestimmte Stundenzahl keinen geeigneten Anhaltspunkt für das Vorliegen der ehrenamtlichen Tätigkeit darstellt. Daher wurde auch keine zeitliche Nichtbeanstandungsgrenze in Abschnitt 4.26.1 UStAE aufgenommen. Gleichwohl kann aber der Zeitaufwand der Tätigkeit als solcher auf eine hauptberufliche Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung hindeuten.

Ihre Annahme, wonach kein Raum für eine weitere hauptberuflich ausgeübte Tätigkeit besteht, wenn die ehrenamtlich tätige Person neben dem Ehrenamt einen Hauptberuf bzw. eine Haupteinkunftsquelle hat, vermag ich hingegen nicht zu teilen. Denn es ist nachvollziehbar, dass das zeitliche Engagement für ein Ehrenamt an die Erfordernisse vor Ort anknüpft und in vielen Bereichen einen flexiblen Einsatz der ehrenamtlich Tätigen voraussetzt. Diesen Anforderungen wird aber bereits dadurch Genüge getan, dass auf eine zeitliche Regelung/Beschränkung in Form einer konkreten Stundenzahl verzichtet wird.

Die Schlussfolgerung, dass damit auch die inhaltliche Prüfung ggf. weiterer Betätigungen entfällt und es sich „automatisch” um ehrenamtliche Tätigkeiten handelt, wenn bei mehreren Betätigungsfeldern zumindest eine Tätigkeit ausgeübt wird, die als Hauptberuf bzw. Haupteinnahmequelle identifiziert werden kann, steht sowohl im Widerspruch zu den Prüfkriterien des BFH an die (einzelne) ehrenamtliche Tätigkeit als auch zu den Gegebenheiten in der Praxis. Denn häufig ist es so, dass die Möglichkeit zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben nicht nur auf dem freiwilligen Engagement einer Person beruht, sondern auf Grund von beruflicher und/oder gesellschaftlicher Stellung an diese herangetragen wird. In diesem Zusammenhang ist ein Nebeneinander von verschiedenen sich ggf. ergänzenden, überlagernden oder aufeinander aufbauenden Betätigungen sowohl im ehrenamtlichen als auch im unternehmerischen Bereich denkbar. Auf eine Überprüfung dieser einzelnen Bereiche kann jedoch mit Blick auf die gesetzlichen Anforderungen nicht verzichtet werden.

Der Vollständigkeit halber möchte ich abschließend noch darauf verweisen, dass Ihre Ausführungen zu Fragen der Art und Weise der Satzungsformulierung und zur Glaubhaftmachung des tatsächlichen Zeitaufwands geteilt werden.

Die obersten Finanzbehörden der Länder erhalten einen Abdruck dieses Schreibens.

Mit freundlichen Grüßen

Anlage: Eingabe vom

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BMF v. - IV D 3 - S 7185/09/10001-04

Fundstelle(n):
AAAAE-73544