SteuerStud Nr. 9 vom Seite 505

Sanierungsgewinne – ein Sanierungshindernis

Prof. Dr. Georg Crezelius | Herausgeber | steuerstud-redaktion@nwb.de

Ein Blick in die Insolvenzordnung zeigt, dass Kapitalgesellschaften im Falle der Überschuldung insolvenzreif sind. Um dies zu vermeiden und damit das Unternehmen im Wege einer Sanierung zu erhalten, verzichten Gläubiger vielfach komplett oder teilweise auf ihre Forderungen gegen die Gesellschaft. Die führt bilanziell zum Wegfall einer Verbindlichkeit und demzufolge (formal) zu einem Gewinn. Wie geht nun das Steuerrecht mit einer derartigen Konstellation um?

Bis einschließlich 1997 existierte der (damalige) § 3 Nr. 66 EStG, der Sanierungsgewinne steuerfrei stellte. Damit wurde vermieden, dass der durch den Gläubigerverzicht bilanziell entstehende Gewinn zu einer Steuerbelastung führt bzw. einen evtl. vorhandenen Verlustvortrag aufbraucht. Nach Streichung des § 3 Nr. 66 EStG a. F. ist dies in der Tat die steuerrechtliche Konsequenz. Helfen können daher nur Billigkeitsmaßnahmen aufgrund des NWB XAAAA-88108. Dies ist allerdings nur eine „Hilfsmaßnahme“, die im Übrigen nicht rechtssicher ist, da umstritten ist, ob der „Sanierungserlass“ der Finanzverwaltung nach Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a. F. gesetzmäßig ist. Im Übrigen können sich die Billigkeitsmaßnahmen des BMF-Schreibens allein auf die Einkommensteuer oder die Körperschaftsteuer beziehen, nicht aber auf die Gewerbesteuer, bei welcher die Billigkeitsmaßnahme in der Kompetenz der jeweiligen Kommune liegt. In vielen Fällen ist daher festzustellen, dass zwar einerseits die Finanzverwaltung für Zwecke der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer Billigkeitsmaßnahmen gewährt, die Gemeinden sich derartigen Maßnahmen jedoch versagen. Dies ist mehr als unbefriedigend, weil im Falle der Steuerpflicht des bilanziell entstehenden Gewinns bei der jeweiligen Gesellschaft eine Steuerrückstellung zu bilden ist, die dann sofort wieder zur Überschuldung führen kann. Daher besteht dringender Regelungsbedarf, eine Regelung entsprechend § 3 Nr. 66 EStG a. F. wieder einzuführen. Dies ist auch in der Sache gerechtfertigt, weil der durch die Sanierungsmaßnahmen der Gläubiger entstehende Gewinn letztlich nur ein buchmäßiger ist, der nicht auf einer genuin unternehmerischen Tätigkeit beruht. Im Ergebnis fehlt der Anlass für den Besteuerungseingriff.

Darüber hinaus existiert noch ein weiteres Sanierungshindernis, und zwar dann, wenn nicht ein Fremdgläubiger auf seine Forderung verzichtet, sondern vielmehr der Gesellschafter-Gläubiger. Hier wird nach derzeitiger Auffassung geprüft, ob bzw. in welcher Höhe der Anspruch des Gesellschafter-Gläubigers werthaltig ist. Allein der werthaltige Teil der Forderung wird zu steuerrechtlichem Eigenkapital, demgegenüber der nicht werthaltige Teil zu einem Gewinn der Gesellschaft führt, wiederum mit den o. g. Konsequenzen. Verzichtet der Gesellschafter-Geschäftsführer – wie oft – auf seine Pensionszusage, die bei der Kapitalgesellschaft passiviert ist, sollen sich nach derzeitiger Ansicht die gleichen Konsequenzen ergeben wie bei einem Forderungsverzicht. Da der werthaltige Teil als Einlage betrachtet wird, soll sie notwendigerweise voraussetzen, dass die Einlage als eine Leistung aus der Gesellschaftersphäre betrachtet wird. Die Folge: Es kommt zu fiktiven lohnsteuerpflichtigen Einkünften des Gesellschafter-Geschäftsführers, obschon rein tatsächlich ein Zufluss gar nicht stattfindet! Auch dieses Sanierungshindernis zeigt, dass Steuerrecht und Insolvenzrecht bzw. Zivilrecht nicht abgestimmt sind. Während nämlich das Insolvenzrecht mittlerweile nicht die Zerschlagung des Unternehmens in den Vordergrund stellt, sondern vielmehr seine Sanierung, hat das Steuerecht diese Entwicklung (noch) nicht nachvollzogen. Hier besteht dringender Regelungsbedarf, denn jede Zerschlagung eines Unternehmens führt zum Verlust von Arbeitsplätzen und aus der Sicht des Fiskus zur Vernichtung einer Steuerquelle.

Herzliche Grüße

Ihr

Georg Crezelius

Fundstelle(n):
SteuerStud 9/2014 Seite 505
NWB MAAAE-71343