SteuerStud Nr. 8 vom Seite 445

Sommerzeit im Steuerrecht? – Über Falschbetankung und Falschberatung

Prof. Dr. Christoph Uhländer | Herausgeber | steuerstud-redaktion@nwb.de

Die Rechtsanwendung im Steuerrecht ist (eigentlich) ganz einfach: Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, § 38 AO. „Gesetz“ ist bekanntlich jede Rechtsnorm, § 4 AO. Schwieriger wird es jedoch für alle Beteiligten, wenn der Gesetzgeber im Steuerrecht Typisierungen mit Abgeltungswirkung für bestimmte Lebenssachverhalte vorsieht oder grundsätzliche Problemfelder gesetzlich einfach nicht mehr regelt.

Aktueller Fall: Streitig war, ob Reparaturkosten infolge der Falschbetankung eines Pkw auf der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte neben der Entfernungspauschale als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden können. Hier hat der NWB OAAAE-67846 angemerkt, dass ausweislich der Gesetzesmaterialien § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG den Steuervereinfachungsgedanken klar postuliert: „Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen.“ Die Reparaturaufwendungen infolge der Falschbetankung sind damit – anders als Unfallkosten (vgl. dazu Schmidt/Loschelder, EStG, § 9 Rz. 126, 33. Auflage, München 2014) – nicht als Werbungskosten neben der Entfernungspauschale abziehbar.

Umgekehrt führt auch die Nichtregelung regelungsbedürftiger Sachverhalte im Steuerrecht in eine Sackgasse: Die Besteuerungsfolgen von sog. Sanierungsgewinnen haben nach dem Wegfall des § 3 Nr. 66 EStG a. F. keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage mehr. Die Beratungspraxis versucht im Rahmen des Sanierungserlasses ( NWB XAAAA-88108) zu angemessen Ergebnissen zu kommen. Lehnt das Finanzamt den Sanierungserlass ab und legt der Berater gegen diesen Ablehnungsbescheid keinen Einspruch ein, haftet der Berater auf Schadensersatz, wenn er es unterlässt, seinen Mandanten darauf hinzuweisen, dass dieser Anspruch auf eine steuerliche Sonderbehandlung nach dem Sanierungserlass hat ( NWB OAAAE-53907). Dies gilt für den BGH ungeachtet der aktuellen Streitfragen, ob der Sanierungserlass als Verwaltungsanweisung mangels gesetzlicher Grundentscheidung rechtswidrig ist oder eine europarechtswidrige Beihilfe darstellt. Der Berater muss danach nicht nur das typisierende Steuergesetz kennen, sondern auch einschlägige Verwaltungsanweisungen, die für seinen Mandanten eine steuerliche Sonderbehandlung ermöglichen könnten.

Ich wünsche Ihnen trotzdem eine angenehme Sommerzeit und bin mir sicher, dass mit der Lektüre der aktuellen SteuerStud-Ausgabe kein weiteres Orakel im Steuerrecht verbunden ist.

Herzliche Grüße

Ihr

Christoph Uhländer

Fundstelle(n):
SteuerStud 8/2014 Seite 445
NWB RAAAE-69598