BGH Urteil v. - 4 StR 59/14

Revision in Strafsachen: Antrag der Staatsanwaltschaft auf Wiedereinbeziehung eines ausgeschiedenen Tatteils; Strafmilderung bei geringer krimineller Energie

Gesetze: § 22 StGB, § 23 Abs 2 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 179 StGB, § 154a Abs 1 Nr 1 StPO, § 154a Abs 2 StPO, § 154a Abs 3 S 2 StPO

Instanzenzug: LG Essen Az: 27 KLs 8/13

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen versuchten Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person" zu der Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.

21. Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Die Beschwerdeführerin beantragt zwar, das angefochtene Urteil in vollem Umfang aufzuheben (§ 344 Abs. 1 StPO); der Senat versteht die maßgebliche Revisionsbegründung jedoch dahin, dass nicht der Schuldspruch angefochten sein soll, sondern nur der Strafausspruch. Mit ihren Einzelbeanstandungen wendet sich die Rechtsmittelführerin lediglich gegen die Strafzumessung (vgl. Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 9 mwN); der abschließende Satz, dass sich "noch die Frage (stelle), ob bei dem festgestellten Sachverhalt die Strafe nicht den §§ 177 Abs. 1, 22, 23 StGB hätte entnommen werden müssen", führt entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Terminszuschrift zu keinem anderen Ergebnis. In der Hauptverhandlung vom hat die Strafkammer nämlich „auf Antrag" der Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung nach § 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO auf den - später ausgeurteilten - Vorwurf des (versuchten) sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person beschränkt. Mit einem Antrag auf Wiedereinbeziehung gemäß § 154a Abs. 3 Satz 2 StPO in der Revisionsinstanz könnte die Staatsanwaltschaft die das Verfahren abschließende Entscheidung über ihr Rechtsmittel nicht hindern (vgl. , BGHSt 21, 326, 328 ff., vom - 1 StR 870/83, NJW 1984, 1365, und vom - 1 StR 505/99 unter Ziff. I.3). Ergänzend bemerkt der Senat, dass, zumal bei einer Revision der Staatsanwaltschaft, sich aus Antrag und Begründung das Ziel des Rechtsmittels ohne weiteres klar ergeben sollte (vgl. Nr. 156 Abs. 2 RiStBV).

3Der Senat hat das der Strafkammer im Schuldspruch unterlaufene Fassungsversehen berichtigt (vgl. § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO); dem steht die Teilrechtskraft nicht entgegen (vgl. ).

42. Mit ihren Einzelausführungen vermag die Staatsanwaltschaft einen Rechtsfehler in der Strafzumessung des angefochtenen Urteils nicht aufzuzeigen. Der Tatrichter hat den ihm zukommenden und vom Revisionsgericht nur eingeschränkt nachprüfbaren Bewertungsspielraum (vgl. mwN) nicht überschritten.

5Zwar sind die Erwägungen zur Strafrahmenmilderung gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB knapp ausgefallen. Soweit die Strafkammer das "deutlich geringere Erfolgsunrecht" anführt, hat sie jedoch entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht lediglich darauf abgestellt, dass die Tat im Versuchsstadium steckengeblieben ist. Mit der beanstandeten Erwägung hat das Landgericht vielmehr ersichtlich - und rechtsfehlerfrei - hervorheben wollen, dass der Rechtsgutsangriff von eher geringer krimineller Energie getragen war. Damit hat die Strafkammer mit Recht einen wesentlichen, versuchsbezogenen Umstand in den Blick genommen (vgl. , BGHSt 35, 347, 355). Darüber hinaus besorgt der Senat im Blick auf die sich unmittelbar anschließenden Ausführungen zur konkreten Strafzumessung nicht, dass die für die Prüfung einer Strafrahmenverschiebung erforderliche Gesamtabwägung der Tatumstände und der Persönlichkeit des Täters (vgl. , BGHSt 16, 351, vom , aaO, vom - 1 StR 39/04, NStZ 2004, 620 und vom - 2 StR 287/13) unterblieben ist.

6Im Übrigen erschöpfen sich die Rechtsmittelangriffe der Staatsanwaltschaft in dem Versuch, die eigene Strafzumessung - teils unter Heranziehung urteilsfremden Vorbringens - an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Damit kann die Revision keinen Erfolg haben. Die Strafzumessung im angefochtenen Urteil genügt auch den Anforderungen an die Begründung einer dem unteren Rand des gewählten Strafrahmens angenäherten Strafe (vgl. , NStZ-RR 2003, 52, 53; Urteil vom - 2 StR 77/10, NStZ-RR 2010, 237, 238). Der Senat ist entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Terminszuschrift und des Generalstaatsanwalts in Hamm, welcher der Revision beigetreten ist, schließlich nicht der Auffassung, dass sich die verhängte Strafe nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, soweit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt (vgl. BGH - Großer Senat für Strafsachen -, Beschluss vom - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349).

7Der Strafausspruch weist auch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 301 StPO); rechtsfehlerfrei hat das Landgericht insbesondere § 47 Abs. 1 StGB angewandt und dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose gemäß § 56 Abs. 1 StGB versagt.

Sost-Scheible                          Roggenbuck                      Cierniak

                       Mutzbauer                             Bender

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Fundstelle(n):
HAAAE-68602