BFH Urteil v. - VIII R 5/11

Berücksichtigung von Verlustanteilen eines stillen Gesellschafters als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen

Leitsatz

1. Nach § 11 Abs. 2 EStG dürfen Verlustanteile eines typischen stillen Gesellschafters steuerrechtlich erst dann als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden, wenn der Geschäftsinhaber den Jahresabschluss festgestellt hat und der Verlustanteil des stillen Gesellschafters auf der Ebene der Gesellschaft berechnet und von seiner Einlage abgebucht worden ist. Entscheidend ist dabei nicht der Zeitpunkt, für den der Jahresabschluss erstellt wird, sondern der Zeitpunkt, in welchem dies tatsächlich geschieht.
2. Bei der Bestimmung des nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG ausgleichsfähigen Verlustes ist neben der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten und erbrachten festen Einlage des stillen Gesellschafters auch der Verlust eines Guthabens auf dem Gesellschafter-Darlehenskonto zu berücksichtigen, wenn es nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs mit dem Verlustkonto zu saldieren war.

Gesetze: EStG § 9, EStG § 11 Abs. 2, EStG § 15a Abs. 1 Satz 1, EStG § 20 Abs. 1 Nr. 4

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde in dem Streitjahr 2001 mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Er war stiller Gesellschafter der X-GmbH & Co. Kommanditgesellschaft (KG). Die KG hatte ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Februar bis 31. Januar. Nach dem Vertrag über die stille Gesellschaft vom hatte der Kläger eine Einlage in Höhe von 100.000 DM zu leisten, die aufgrund der Vereinbarung vom auf 200.000 DM erhöht wurde. Er war an den stillen Reserven der KG nicht beteiligt und hatte nur die Informations- und Kontrollrechte nach § 233 des Handelsgesetzbuchs (HGB). Die Einlage des stillen Gesellschafters sollte auf einem Einlagekonto, Verlustanteile sollten auf einem Verlustkonto verbucht werden. Alle sonstigen sein Verhältnis zur stillen Gesellschaft betreffenden Buchungen, insbesondere Gewinngutschriften und Auszahlungen, sollten auf einem Privatkonto verbucht werden. An einem Gewinn und Verlust der Gesellschaft nahm der stille Gesellschafter mit 50 % teil, an einem Verlust jedoch nur bis zur Höhe seiner Einlage. Bei Beendigung der Gesellschaft hatte der stille Gesellschafter einen Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben. Zu dessen Berechnung waren das Einlage-, das Privat- und das Verlustkonto zu saldieren. Der stille Gesellschafter war verpflichtet, einen negativen Saldo des Privatkontos bei Beendigung der Gesellschaft auszugleichen.

2 Die vom Kläger geleistete Einlage wurde durch Verluste zum vollständig aufgezehrt und bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen in Höhe von 200.000 DM als Werbungskosten berücksichtigt.

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Die stille Gesellschaft wurde zum beendet. Für den Kläger wurde in der Bilanz der KG ein „Darlehenskonto” geführt, das zum , dem Stichtag der Beendigung der stillen Gesellschaft, folgende Positionen auswies:  
Darlehenskonto
 
 
Vortrag
87.428,56 DM
 
Einlage
1.366,05 DM
 
Entnahme
679,44 DM
 
Verlust
./. 343.913,65 DM
 
 
./. 255.798,48 DM
 

4 Der negative Saldo in Höhe von 255.798,48 DM wurde von dem Kläger nicht ausgeglichen.

5 Mit seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2001 machte der Kläger bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zunächst Werbungskosten aus der stillen Beteiligung in Höhe von 343.914 DM geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) lehnte nach der Durchführung einer Außenprüfung die Berücksichtigung der geltend gemachten Werbungskosten in dem Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den ab. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7 K 1025/10 F (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1316) als unbegründet abgewiesen und die Revision zugelassen.

6 Der Kläger beantragt sinngemäß, den aufzuheben und den Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass in Höhe des Verlustes seines Privatkontos bei Beendigung der stillen Gesellschaft Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 455.997,41 DM berücksichtigt werden.

7 Das FA beantragt unter Bezugnahme auf die Entscheidung des FG, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8 II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

9 Das FG ist im Streitfall zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Verlust des Privatkontos des Klägers bei der stillen Gesellschaft steuerrechtlich nicht zu berücksichtigen sei, weil es sich um einen Verlust in der privaten Vermögenssphäre handele (dazu unter II.1.). Eine Berücksichtigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen setzt gemäß § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG, § 15a Abs. 1 EStG, § 11 Abs. 2 EStG jedoch voraus, dass der Verlust in der Bilanz der KG von dem Einlagekonto des Klägers im Streitjahr 2001 abgebucht worden ist (dazu unter II.2.) und dass der Kläger über seine feste Einlage in Höhe von 200.000 DM hinaus eine Einlage in das Vermögen der KG geleistet hat (dazu unter II.3.). Die Sache ist insoweit nicht spruchreif, weil das FG —aus seiner Sicht zu Recht— hierzu keine Feststellungen getroffen hat (dazu unter II.4.).

10 1. Der bei der Beendigung der stillen Gesellschaft durch die Saldierung des Privat- und Verlustkontos entstandene Einlageverlust des Klägers ist gemäß § 9 EStG, § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG i.V.m. § 15a Abs. 1 EStG als Werbungskosten bei der Ermittlung der Kapitaleinkünfte zu berücksichtigen.

11 a) Der Kläger war als typisch stiller Gesellschafter an der KG beteiligt. Anteile des typisch stillen Gesellschafters an dem Verlust des Unternehmens des Geschäftsinhabers sind nach der gesetzlichen Regelung des Streitjahres als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen (, BFHE 183, 407, BStBl II 1997, 724, m.w.N.). Die Verrechenbarkeit des Verlustes mit anderen Einkünften wird jedoch aufgrund der Verweisung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG auf § 15a EStG eingeschränkt. Danach darf der einem stillen Gesellschafter zuzurechnende Anteil am Verlust nicht mit anderen Einkünften ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Das ist der Fall, wenn der Verlustanteil die geleistete Einlage übersteigt.

12 b) Entgegen der Auffassung des FG war bei der Bestimmung des nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG ausgleichsfähigen Verlustes nicht nur die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte und erbrachte feste Einlage in Höhe von 200.000 DM zu berücksichtigen. Auch das in der Bilanz der KG auf den auf dem Darlehenskonto des Klägers als Vortrag ausgewiesene Guthaben erhöhte das Kapitalkonto des Klägers i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG, da es nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs mit dem Verlustkonto zu saldieren war. Dies hatte zur Folge, dass der Kläger nicht nur seine feste Einlage in Höhe von 200.000 DM, sondern auch sein auf dem Darlehenskonto verbuchtes Guthaben verlor, sodass der Verlust auch insoweit nach § 9 EStG, § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Werbungskosten bei der Ermittlung der Kapitaleinkünfte zu berücksichtigen ist (vgl. , BFHE 209, 353, BStBl II 2005, 598).

13 Diese Verlustbeteiligung ist von dem Ausfall der Forderung des stillen Gesellschafters auf Rückzahlung der Einlage wegen Insolvenz des Geschäftsinhabers zu unterscheiden (BFH-Urteil in BFHE 183, 407, BStBl II 1997, 724), bei dem es sich lediglich um einen Verlust in der einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Vermögenssphäre handelt.

14 Die Vorentscheidung, die auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht, ist danach aufzuheben.

15 c) Der in der Bilanz nach der Verrechnung mit dem Guthaben ausgewiesene verbleibende Verlust in Höhe von ./. 255.798,48 DM wurde von dem Kläger nicht ausgeglichen. Es bestand auch gesellschaftsvertraglich keine Ausgleichspflicht, da nach dem Gesellschaftsvertrag nur ein negativer Saldo des Privatkontos auszugleichen war, sodass dem Kläger insoweit keine Werbungskosten entstanden sind.

16 2. Die in Form des Einlageverlustes entstandenen Werbungskosten sind im Streitjahr (2001) nur abziehbar, soweit sie i.S. des § 11 Abs. 2 EStG abgeflossen sind. Dies setzt voraus, dass in dem Jahresabschluss für 2001 der KG der Verlustanteil von dem Darlehenskonto des Klägers abgebucht und der Jahresabschluss im Veranlagungszeitraum 2001 aufgestellt worden ist.

17 a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH dürfen nach § 11 Abs. 2 EStG Verlustanteile eines typisch stillen Gesellschafters steuerrechtlich erst dann als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn der Geschäftsinhaber den Jahresabschluss festgestellt hat und der Verlustanteil des stillen Gesellschafters auf der Ebene der Gesellschaft berechnet und von seiner Einlage abgebucht worden ist. Entscheidend ist dabei nicht der Zeitpunkt, für den der Jahresabschluss erstellt wird, sondern der Zeitpunkt, in welchem dies tatsächlich geschieht. Erst dann verliert der stille Gesellschafter seine wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Einlage (z.B. , BFHE 151, 434, BStBl II 1988, 186; vom VIII R 57/95, BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755, und VIII R 73/95, BFH/NV 1998, 300; vom III R 33/96, BFH/NV 2001, 415; vom VIII R 36/01, BFHE 199, 477, BStBl II 2002, 858; vom VIII R 21/06, BFHE 219, 165, BStBl II 2008, 126; , BFH/NV 2007, 1118).

18 b) In der Bilanz der KG zum wurden auf dem Darlehenskonto des Klägers ein positiver Vortrag in Höhe von 87.428,56 DM, Einlagen in Höhe von 1.366,05 DM und Entnahmen in Höhe von 679,44 DM ausgewiesen und mit dem auf den Kläger entfallenden Verlust in Höhe von 343.913,65 DM verrechnet. Zwar macht der Kläger geltend, dass sich aus der von ihm vorgelegten Aufstellung über die Kontenentwicklung zum ein Guthaben in Höhe von 455.997,41 DM ergebe. Da es für den Abfluss auf die Abbuchung im Jahresabschluss des Geschäftsinhabers ankommt, kann jedoch lediglich ein steuerlich ausgleichsfähiger Verlust in Höhe von 88.115,17 DM (87.428,56 DM + 1.366,05 DM Einlagen ./. 679,44 DM Entnahmen) anerkannt werden, sofern der Jahresabschluss der KG für den bis im Veranlagungszeitraum 2001 erstellt worden ist. Das FG hat zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses der KG keine Feststellungen getroffen und dies im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

19 3. Die steuerliche Berücksichtigung des Verlustes in Höhe von 88.115,17 DM setzt weiter voraus, dass vom Kläger im Jahr 1998 eine Vermögenseinlage in Höhe von 980.474 DM geleistet worden ist (vgl. , BFH/NV 1998, 823).

20 a) Unstreitig war die feste Kapitaleinlage des Klägers in Höhe von 200.000 DM bereits durch die Verlustverrechnung zum aufgebraucht. Ein neues Verlustausgleichsvolumen konnte sich somit nur ergeben, wenn der Kläger eine weitere Einlage i.S. von § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG „geleistet”, d.h. tatsächlich erbracht und diese bei Beendigung der Gesellschaft endgültig verloren hat.

21 b) Nach der von dem Kläger vorgelegten Aufstellung seiner bei der stillen Gesellschaft geführten Konten vom bis konnte ein positives Kapitalkonto bei Beendigung der Gesellschaft nur dann bestehen, wenn sich der Kläger zum mit einer weiteren Vermögenseinlage in Höhe von 980.474,53 DM an dem Handelsgewerbe der KG beteiligt hat. Das FG hat —aus seiner Sicht zu Recht— hierzu keine Feststellungen getroffen.

22 4. Das FG hat danach im zweiten Rechtsgang festzustellen, ob der Jahresabschluss der KG zum im Veranlagungszeitraum 2001 aufgestellt worden ist und ob die nach den Aufzeichnungen des Klägers zum Bilanzstichtag erbrachte Einlage in Höhe von 980.474,53 DM tatsächlich geleistet worden ist. Nur in diesem Fall wären dem Kläger im Streitjahr 2001 durch die Abbuchung des Verlustes in dem Jahresabschluss der KG Werbungskosten in Höhe von 88.115,17 DM entstanden. Es hat dabei Folgendes zu beachten:

23 a) Sollte der Kläger eine Geldzahlung oder eine Sacheinlage in Höhe von 980.474,53 DM in das Gesellschaftsvermögen der KG geleistet haben, hat er eine Vermögenseinlage i.S. des § 230 HGB erbracht und der KG nicht lediglich ein Darlehen gewährt, da eine Verrechnung mit Verlusten dem Wesen des Darlehens fremd ist (vgl. , BFHE 181, 148, BStBl II 1997, 36; vom II R 96/91, BFHE 172, 523, BStBl II 1994, 88; in BFHE 209, 353, BStBl II 2005, 598).

24 Soweit die Einlage nicht als Geld- oder Sachleistung in das Gesellschaftsvermögen der KG gelangt ist, sondern durch die Übernahme von Verbindlichkeiten, ist eine Erfüllungsübernahme, die lediglich im Innenverhältnis erfolgt ist, für einen Zufluss i.S. des § 11 Abs. 1 EStG nicht ausreichend. Schuldübernahmen führen auch nicht zu einem „erweiterten Verlustausgleich”, da § 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG eine derartige Erweiterung ausdrücklich nur für Kommanditisten und nicht für einen stillen Gesellschafter vorsehen (BFH-Urteil in BFHE 219, 165, BStBl II 2008, 126).

25 b) Der Kläger ist im Besteuerungsverfahren der Aufforderung des FA, nachzuweisen, dass er tatsächlich eine Einlage in Höhe von 980.474,53 DM geleistet hat, unter Hinweis auf eine vom FA durchgeführte Außenprüfung nicht nachgekommen. Das FA ist jedoch auch nach einer Außenprüfung an seine tatsächliche und rechtliche Würdigung in früheren Veranlagungszeiträumen nicht gebunden (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 1998, 578, unter 2.b der Gründe, m.w.N.; vom IV R 13/08, BFH/NV 2012, 1112). Danach trifft den Kläger die Feststellungslast (objektive Beweislast) hinsichtlich der tatsächlichen Umstände der Einlage, da sich diese steuermindernd auswirken (, BFH/NV 2012, 200).

26 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2014 S. 1193 Nr. 8
EStB 2014 S. 256 Nr. 7
GmbH-StB 2014 S. 226 Nr. 8
GmbHR 2014 S. 894 Nr. 16
HFR 2014 S. 784 Nr. 9
KÖSDI 2014 S. 18954 Nr. 8
StBW 2014 S. 687 Nr. 18
QAAAE-67841