BGH Beschluss v. - V ZB 168/13

Instanzenzug:

Gründe

I.

1 Die Parteien sind Eigentümer aneinandergrenzender Grundstücke. Der Kläger verlangt von der Beklagten das Zurückschneiden und Halten von auf ihrem Grundstück stehenden Gehölzen dergestalt, dass deren Äste und Zweige nicht über die gemeinsame Grundstücksgrenze herüberragen.

2 Das Amtsgericht hat der Klage hinsichtlich eines Nadelbaums und zweier Birken unter dem Vorbehalt stattgegeben, dass die Gemeinde eine für das Zurückschneiden erforderliche Genehmigung erteilt. Hinsichtlich einer weiteren Birke und eines Flieders hat es der Klage ohne Vorbehalt insoweit stattgegeben, als die Beklagte diese Gehölze so halten muss, dass deren Äste und Zweige nicht über die gemeinsame Grundstücksgrenze herüberragen. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde will die Beklagte die Aufhebung dieser Entscheidung und den Erfolg der Berufung, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht erreichen.

II.

3 Nach Ansicht des Berufungsgerichts übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € nicht (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), sondern beträgt allenfalls 525 €. Bei der Verurteilung zur Beseitigung einer Eigentumsstörung bemesse sich der Wert der Beschwer nach dem Interesse des Beklagten, sich gegen die Kosten einer Ersatzvornahme zu wehren. Nach diesem Grundsatz beschwere die unter dem Vorbehalt der behördlichen Genehmigung stehende Verurteilung die Beklagte mit 0 Euro, weil der Kläger mangels Berechtigung zur Beantragung der Genehmigung diese nicht beibringen könne. Die vorbehaltlose Verurteilung beschwere die Beklagte mit 525 €. Auf den von der Beklagten vorgelegten Kostenvoranschlag einer Fachfirma für das Zurückschneiden komme es nicht an, weil maßgebend die dem Kläger für die Ersatzvornahme entstehenden Kosten seien. Er habe den Rückschnitt der Gehölze bis zum Jahr 2010 selbst durchgeführt, so dass davon auszugehen sei, dass er auch weiterhin dazu in der Lage sei.

4 Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

III.

5 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Dieser Zulässigkeitsgrund ist unter anderem dann gegeben, wenn das Berufungsgericht dem Rechtsmittelführer den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwert. Eine solche Erschwerung liegt zwar nicht in jedem Fehler bei der Bemessung der Beschwer, sondern ist nur gegeben, wenn das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Senat, Beschluss vom - V ZB 193/10, NZM 2011, 488 Rn. 8). Hier hat das Berufungsgericht den Zugang zur Berufung aber deshalb unzumutbar erschwert, weil es bei der Ausübung seines Ermessens die in Betracht zu ziehenden Umstände nicht umfassend berücksichtigt hat (vgl. , NJW-RR 2010, 1081 Rn. 10).

6 2. Das Rechtsmittel ist begründet.

7 a) Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass nach der Rechtsprechung des Senats sich der Wert der Beschwer des zur Beseitigung einer Eigentumsstörung verurteilten Beklagten nach dessen Interesse bemisst, sich gegen die Kosten einer Ersatzvornahme zu wehren, die ihm durch die Zwangsvollstreckung des Urteils nach § 887 ZPO droht (Urteil vom - V ZR 168/92, BGHZ 124, 313, 319). Maßgeblich sind somit die für die Beseitigung der Störung anfallenden Kosten (, NJW-RR 2012, 1103 Rn. 14).

8 b) Ob dieser Wert für die unter dem Vorbehalt der behördlichen Genehmigung stehende Verurteilung der Beklagten mit 0 Euro anzusetzen ist, erscheint zweifelhaft. Denn wenn - wie hier - ein Nachbar an der Durchsetzung eines ihm zustehenden privatrechtlichen Anspruchs auf Rückschnitt der Äste eines Baums (§ 910 Abs. 1 BGB) durch dieses Recht überlagernde öffentlichrechtliche Bestimmungen einer Baumschutzsatzung gehindert wird, muss er ebenso wie der Eigentümer des Baums befugt sein, selbst eine Ausnahme von dem baumschutzrechtlichen Verbot zu beantragen und im Streit darüber den Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten (VGH Mannheim, NVwZ 1995, 402, 403; ebenso Senat, Urteil vom - V ZR 82/91, BGHZ 120, 239, 246 zu § 31 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG aF). Dem Zweifel muss jedoch nicht weiter nachgegangen werden. Denn die Beklagte legt nicht dar und verweist auch auf keinen Vortrag in den Tatsacheninstanzen, wie hoch die Kosten für das Zurückschneiden der Äste und Zweige gemäß Ziff. 1.1. der amtsgerichtlichen Verurteilung sind.

9 c) Sie hat jedoch in ihrem Schriftsatz vom dargelegt und mit der Anlage B 10 glaubhaft gemacht, dass bereits die Kosten für das einmalige Halten einer Birke und eines Flieders so, dass deren Äste und Zweige nicht über die gemeinsame Grundstücksgrenze herüberragen, 749,70 € betragen. Dies durfte das Berufungsgericht nicht deshalb für unerheblich halten, weil es nicht auf den Aufwand der Beklagten, sondern auf den des Klägers für die Ersatzvornahme ankomme und wegen dessen Verhalten bis zum Jahr 2010 davon auszugehen sei, dass er auch weiterhin den Rückschnitt der Äste und Zweige persönlich vornehmen werde, so dass es auf die Kosten einer Fachfirma nicht ankomme. Diese Argumentation ist fehlerhaft. Zum einen entbehrt die Annahme, der Kläger werde weiterhin den Rückschnitt persönlich vornehmen, der Grundlage. Rechtlich verpflichtet ist er zu einem solchen Tun nicht. Zum anderen sind die Kosten der Ersatzvornahme, wenn der Kläger den Rückschnitt durch ein Fachunternehmen vornehmen lässt, ebenso hoch wie die der Beklagten durch die Beauftragung eines Fachunternehmens entstehenden Kosten.

10 d) Nicht nachvollziehbar und deshalb rechtlich nicht haltbar ist die Schätzung des Berufungsgerichts, die Kosten einer Ersatzvornahme betrügen 525 €. Weder der Hinweis der Vorsitzenden der Berufungskammer vom noch der die Berufung verwerfende Beschluss enthalten irgendeinen Anhaltspunkt dafür, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Schätzung beruht.

11 3. Die angefochtene Entscheidung hat somit keinen Bestand. Sie ist gemäß § 577 Nr. 4 Satz 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat es seiner Ermessensentscheidung über die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) die vorstehende rechtliche Beurteilung des Senats zugrunde zu legen (§ 577 Abs. 4 Satz 4 ZPO).

IV.

12 Die Festsetzung des Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beruht auf §§ 3, 9 ZPO. Grundlage ist -mangels anderer Anhaltspunkte -das von der Beklagten vorgelegte Kostenangebot (Anl. B 10 zu dem Schriftsatz vom ).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
XAAAE-66229