NWB Nr. 22 vom Seite 1617

„Reinen Tisch machen“

Klaus Kehrein | Dipl.-Finanzwirt (FH) | Steuerberatungskanzlei Konopatzki & Rudloff GbR, Kaiserslautern

Die Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung – gut gemeint oder gut gemacht?

Noch vor der Sommerpause will das BMF den Gesetzentwurf für verschärfte Regelungen für die straffreie Selbstanzeige vorlegen. Haben die Finanzminister von Bund und Ländern damit ein Damoklesschwert oder ein Schweizer Taschenmesser ausgepackt?

Für Selbstanzeiger soll es ab 2015 wesentlich teurer werden, so u. a. die Finanzminister Norbert Walter-Borjans (NRW) und Nils Schmid (Baden-Württemberg). Ist diese Aussage Panikmache, um Steuersünder schnell zur Selbstanzeige zu bewegen?

Rund 25.000 € Steuernachzahlungen waren je Selbstanzeige bisher durchschnittlich nachzuzahlen. Nur in wenigen Ausnahmefällen (z. B. im Fall Hoeneß) ist ein Millionenbetrag fällig. In weit über 90 % aller Selbstanzeigefällen muss der Steuerhinterzieher die Strafzuschläge von zurzeit 5 % (ab 50.001 €) und künftig 10 % ab 25.001 €, 15 % ab 100.001 € und 20 % ab 1.000.001 € nicht befürchten. Sehr oft wird unpräzise kommuniziert bzw. unterschlagen, dass diese Grenzen „je Tat“ Anwendung finden und es sich keinesfalls um die insgesamt hinterzogenen Steuern handelt. Als Tat i. S. des § 398a AO gilt z. B. die Einkommensteuerverkürzung für das Jahr 2012.

Folgendes Beispiel soll verdeutlichen, dass die Strafverschärfungen selten greifen: Ein vermögender Steuerpflichtiger mit Wohnsitz in Deutschland (unbeschränkt einkommensteuerpflichtig) unterhält bei einer ausländischen Bank ein Depot mit einem Vermögen von 4 Mio. €. Dieses Depot wirft dem Steuerpflichtigen einen Ertrag von 100.000 €/Jahr ab, eine Verzinsung von 2,5 %, die heute selten erreicht wird. Wenn diese Kapitaleinkünfte im Rahmen einer Selbstanzeige nacherklärt werden, sind nach § 32d Abs. 1 EStG 25 % bzw. 25.000 € Einkommensteuer/Abgeltungsteuer zu zahlen. Fazit: Sowohl nach jetziger Gesetzeslage als auch nach der beabsichtigten verschärften Neuregelung fällt kein Strafzuschlag an.

Auch die Ausdehnung auf zehn Jahre stellt im Ergebnis keine Strafverschärfung da. Bereits heute melden die mit der Bearbeitung einer Selbstanzeige beauftragten Steuerberater und Fachanwälte nicht nur für den strafrechtlich relevanten Zeitraum von fünf Jahren, sondern in der Regel für den steuerrechtlich nicht verjährten Zeitraum von mindestens zehn Jahren die nicht oder unzutreffend erklärten Besteuerungsgrundlagen nach. Die Finanzverwaltung gibt sich grundsätzlich nicht mit der Selbstanzeige für fünf Jahre zufrieden und fordert auch für die zurückliegenden weiteren Jahre die zutreffenden Besteuerungsgrundlagen an. Dies kann die Finanzverwaltung zwar nicht erzwingen, droht aber bei Nichtabgabe mit nicht vorteilhaften Schätzungen.

Doch gleich, ob die geplanten Änderungen tatsächlich als Verschärfung angesehen werden können, der Steuerbürger sollte grundsätzlich schnellstmöglich den Weg in die Steuerehrlichkeit antreten und „reinen Tisch machen“.

Klaus Kehrein

Fundstelle(n):
NWB 2014 Seite 1617
NWB MAAAE-65064