BAG Urteil v. - 5 AZR 1046/12

Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt ("equal pay")

Gesetze: § 9 Nr 2 AÜG, § 10 Abs 4 AÜG, § 13 AÜG, § 1 TVG

Instanzenzug: ArbG Osnabrück Az: 2 Ca 250/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 6 Sa 33/12 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay.

2Der 1948 geborene Kläger ist - jedenfalls - seit dem bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, beschäftigt und seither einem Unternehmen des R-Konzerns, zuletzt seit dem der R GmbH, als Zählerableser überlassen. Der Kläger erhielt im Jahr 2008 einen Bruttostundenlohn von 9,07 Euro, im Jahr 2009 einen solchen von 9,25 Euro. Außerdem zahlte ihm die Beklagte für die Benutzung des Privat-Pkws eine Fahrtkostenerstattung iHv. 0,20 Euro pro im Einsatz gefahrenen Kilometer.

3Dem Arbeitsverhältnis lag zunächst ein Formulararbeitsvertrag vom zugrunde, in dem es ua. heißt:

4Am schlossen die Parteien rückwirkend zum eine von der Beklagten vorformulierte „Zusatzvereinbarung“, die lautet:

5Auf Anfrage des Klägers erteilte ihm die R AG mit Schreiben vom folgende Auskunft:

6Der Manteltarifvertrag der Tarifgruppe RWE vom (fortan: MTV RWE) sieht eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden im Durchschnitt vor und bestimmt zur Vergütung ua.:

7Die Vergütungsgruppe A 4 ist in der Anlage 1 zum MTV RWE wie folgt definiert:

8Mit der am eingereichten Klage hat der Kläger für die Jahre 2008 und 2009 unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG die Differenz zwischen der von der Beklagten erhaltenen Vergütung und dem Arbeitsentgelt, das die Entleiherin vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt haben soll, verlangt. Zur Höhe des Anspruchs hat sich der Kläger darauf berufen, seine Tätigkeit bei der Entleiherin unterfalle entsprechend der Auskunft der R AG der Vergütungsgruppe A 4 MTV RWE. Vergleichbare Stammarbeitnehmer erhielten zudem ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Bruttomonatsgehalts, eine jährliche Sonderzuwendung und steuerfreie Fahrgelder iHv. 0,30 Euro oder 0,33 Euro pro gefahrenen Kilometer.

9Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, ein Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt sei nicht entstanden, zumindest verfallen. Zudem habe der Kläger die Höhe des Anspruchs nicht ausreichend dargelegt. Auf die von der R AG erteilte Auskunft könne er sich nicht stützen, weil diese nicht Entleiherin sei.

11Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Gründe

12Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klage ist unbegründet, soweit der Kläger unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG weiteren Fahrtkostenersatz begehrt (Klageantrag zu 2.). Im Übrigen tragen die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Höhe der ausgeurteilten Forderung nicht. Dies führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.

13I. Der Klageantrag zu 2. ist unbegründet.

141. Echter Aufwendungsersatz ist kein Arbeitsentgelt. Er ist auch keine wesentliche Arbeitsbedingung iSv. § 10 Abs. 4 AÜG. Solche sind ausschließlich die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f, i der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Leiharbeit (fortan: RL) genannten Regelungsgegenstände ( - Rn. 29, BAGE 137, 249). Dazu gehört Aufwendungsersatz nicht. Nur soweit sich Aufwendungsersatz als „verschleiertes“ und damit steuerpflichtiges Arbeitsentgelt darstellt, ist er beim Gesamtvergleich der Entgelte zu berücksichtigen ( - Rn. 37).

152. Der Kläger hat die Zahlung weiteren Bruttoentgelts in Form steuerlich nicht begünstigter Fahrgelder nicht substantiiert dargelegt. Er hat in der Klageschrift vorgetragen, „die R AG“ zahle ihren Außendienstmitarbeitern steuerfreie Fahrgelder iHv. 0,30 Euro für jeden gefahrenen Kilometer. Damit hat er die Gewährung von echtem Aufwendungsersatz behauptet und - wie die Vorinstanzen - lediglich verkannt, dass solcher nicht von § 10 Abs. 4 AÜG umfasst ist. Später hat er vorgebracht, bei der Entleiherin würden Fahrtkosten „nach der gültigen Reisekostenregelung der RWE vergütet“. Unter Berufung auf diese hat der Kläger behauptet, es würden 0,33 Euro pro Kilometer erstattet. Dem widerspricht die vom Kläger nur auszugsweise vorgelegte „Inlands-Reisekostenordnung der RWE Energie AG“ - Stand  -. Dort heißt es in der Druckfassung: „Bei genehmigter Benutzung privateigener Pkw werden 60 Dpf/km überwiesen.“ Wer mit welcher Berechtigung den Betrag durchgestrichen und handschriftlich in „0.33 €/km“ abgeändert hat, erklärt sich weder aus der Anlage noch aus dem schriftsätzlichen Vorbringen des Klägers. Dementsprechend ist das Arbeitsgericht - und ihm folgend das Landesarbeitsgericht - von einer Fahrtkostenerstattung bei der Entleiherin iHv. 0,60 DM/km ausgegangen, hat diese in 0,3067751287 Euro umgerechnet und auf die zugesprochenen 0,31 Euro je Kilometer aufgerundet. Dass die Entleiherin dies tatsächlich so gehandhabt und es nicht, wie ursprünglich vom Kläger behauptet, bei 0,30 Euro - steuerlich privilegiert - belassen hätte, ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen nicht.

16II. In welchem Umfang der Klageantrag zu 1. begründet ist, steht noch nicht fest. Die Beklagte ist nach § 10 Abs. 4 AÜG verpflichtet, dem Kläger für die streitgegenständliche Zeit der Überlassung an ein Unternehmen des R-Konzerns das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, wie es die Entleiherin vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährte. Der Kläger war nicht gehalten, Ausschlussfristen einzuhalten. In welcher Höhe dem Kläger Differenzvergütung zusteht, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.

171. Der Kläger hat für die streitgegenständliche Zeit der Überlassung an ein Unternehmen des R-Konzerns Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG. Eine nach § 9 Nr. 2 AÜG zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. Nr. 1 Arbeitsvertrag verweist auf wegen der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP unwirksame Tarifverträge. Die Zusatzvereinbarung vom könnte die Beklagte allenfalls für die - nicht streitgegenständliche - Zeit ab dem von der Pflicht zur Gleichbehandlung entbinden. Sie ist aber mit dem von der Beklagten gewollten Inhalt intransparent und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam (vgl.  - Rn. 11 ff., 18).

182. Der Anspruch des Klägers auf gleiches Arbeitsentgelt ist nicht verfallen.

19a) Der Kläger war nicht gehalten, Ausschlussfristen aus unwirksamen Tarifverträgen der CGZP oder aus den nicht wirksam in das Arbeitsverhältnis einbezogenen Tarifverträgen zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) und Einzelgewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbunds vom (fortan: AMP-TV 2010) einzuhalten. Derartige „tarifliche“ Ausschlussfristenregelungen sind auch nicht kraft Bezugnahme als Allgemeine Geschäftsbedingung Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden (vgl.  - Rn. 21 f.). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob Ausschlussfristen aus dem AMP-TV 2010 überhaupt den vor Abschluss der Zusatzvereinbarung vom in allen Monatsraten fällig gewordenen Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt für den Überlassungszeitraum 2008 und 2009 erfassen könnten (vgl. zu den Anforderungen einer rückwirkend sein sollenden tariflichen Ausschlussklausel  - BAGE 66, 79).

20Etwas anderes ergibt sich nicht aus Nr. 14 Arbeitsvertrag. Diese Klausel regelt lediglich eine mögliche Kollision von arbeitsvertraglicher und tarifvertraglicher Ausschlussfrist (vgl.  - Rn. 40; - 5 AZR 778/12 - Rn. 14 ff.; - 5 AZR 556/12 - Rn. 14).

21b) Ob Nr. 14 Arbeitsvertrag eine eigenständige, bei Unwirksamkeit der in Bezug genommenen „Tarifverträge“ oder bei einer unwirksamen Bezugnahme auf Tarifverträge zum Tragen kommende vertragliche Ausschlussfristenregelung enthält, kann dahingestellt bleiben. Als solche würde sie einer AGB-Kontrolle nicht standhalten. Die Kürze der Fristen auf beiden Stufen benachteiligte den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl.  - BAGE 115, 19; - 5 AZR 52/05 - BAGE 116, 66).

22c) Soweit die Beklagte erstmals in der Revisionsinstanz einwendet, der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt für den Überlassungszeitraum 2008 und 2009 sei nach den Regelungen eines mit Wirkung zum geschlossenen Arbeitsvertrags (Arbeitsvertrag 2011), der die Tarifverträge zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e.V. (BZA) und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit in Bezug nimmt, verfallen, trifft das nicht zu. Es kann somit offenbleiben, ob das entsprechende Vorbringen der Beklagten überhaupt nach § 559 ZPO berücksichtigungsfähig ist.

23Nr. 14 Arbeitsvertrag 2011 bestimmt, dass sich der Verfall von Ansprüchen abweichend von etwaigen Tarifregelungen ausschließlich nach der arbeitsvertraglichen Regelung richtet. Danach verfallen sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. Die Klausel erfasst (nur) Ansprüche, die nach Abschluss des Arbeitsvertrags 2011 fällig geworden sind. Dies folgt aus Nr. 2 Arbeitsvertrag 2011, in der es heißt, der Mitarbeiter werde zum eingestellt. Im Übrigen wäre die Klausel mit dem von der Beklagten gewollten Inhalt nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligte. Der zeitlich nicht bzw. nicht wirksam beschränkte und lediglich mit der Verjährungseinrede behaftete Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt für den Überlassungszeitraum 2008 und 2009 würde nachträglich zeitlich begrenzt, ohne dass der Gläubiger eine faire Chance gehabt hätte, seine Ansprüche durchzusetzen. Die Frist zur Geltendmachung des Anspruchs war bei Inkrafttreten der Ausschlussklausel des Arbeitsvertrags 2011 längst abgelaufen.

243. In welcher Höhe dem Kläger Differenzvergütung zusteht, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Im erneuten Berufungsverfahren wird Folgendes zu beachten sein:

25a) Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass es entgegen der Auffassung der Beklagten unerheblich ist, ob die Entleiherin tatsächlich vergleichbare Stammarbeitnehmer beschäftigt. Wendet der Entleiher in seinem Betrieb ein allgemeines Entgeltschema an, kann auf die fiktive Eingruppierung des Leiharbeitnehmers in dieses Entgeltschema abgestellt werden. Maßstab ist in diesem Fall das Arbeitsentgelt, das der Leiharbeitnehmer erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre. Das gebietet schon die unionsrechtskonforme Auslegung des § 10 Abs. 4 AÜG im Lichte des Art. 5 Abs. 1 RL. Es fehlt zudem jeglicher Anhaltspunkt, dass nach nationalem Recht der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt entfallen soll, wenn der Entleiher für eine bestimmte Tätigkeit nur noch Leih-, aber keine Stammarbeitnehmer mehr beschäftigt ( - Rn. 24 mwN).

26Nach nicht angegriffener Feststellung des Landesarbeitsgerichts wendet die Entleiherin ein allgemeines Entgeltschema, nämlich die Tarifverträge der Tarifgruppe RWE an. Maßgeblich ist damit das Entgelt, das der Kläger erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit bei der Entleiherin eingestellt worden wäre.

27b) Hinsichtlich der Höhe des Vergleichsentgelts ist das Landesarbeitsgericht zu Recht von einer - fiktiven - Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe A 4 MTV RWE ausgegangen.

28aa) Der Leiharbeitnehmer genügt zunächst der ihm obliegenden Darlegungslast für die Höhe des Anspruchs, wenn er sich auf eine ihm nach § 13 AÜG erteilte Auskunft beruft und diese in den Prozess einführt. Denn die - ordnungsgemäße - Auskunft des Entleihers über das einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer gewährte Arbeitsentgelt ist das gesetzlich vorgesehene Mittel, das dem Leiharbeitnehmer ermöglichen soll, die Einhaltung des Gebots der Gleichbehandlung zu überprüfen und die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG zu berechnen. Es obliegt sodann im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast dem Verleiher, die maßgeblichen Umstände der Auskunft in erheblicher Art und im Einzelnen zu bestreiten. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Inhalt der vom Leiharbeitnehmer vorgetragenen Auskunft als zugestanden ( - Rn. 22).

29bb) Nach dem vom Kläger vorgelegten Schreiben der R wäre der Kläger bei einer Einstellung unmittelbar bei der Entleiherin nach der Vergütungsgruppe A 4 / Basis vergütet worden. Dieses Schreiben ist eine ordnungsgemäße Auskunft iSv. § 13 AÜG.

30(1) Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger der R GmbH zur Arbeitsleistung überlassen war, die Auskünfte aber von der R AG erteilt wurden.

31Die Auskunft nach § 13 AÜG ist eine Wissenserklärung. Die Auskunftspflicht trifft zunächst den Entleiher selbst, also diejenige natürliche oder juristische Person, in deren Betrieb der Leiharbeitnehmer eingesetzt wird. Das Gesetz hindert den Entleiher aber nicht, zur Erstellung und Bekanntgabe der Auskunft Hilfspersonen hinzuzuziehen, sofern diese über das für eine ordnungsgemäße Auskunft erforderliche Wissen verfügen (vgl. allgemein  - Rn. 15). Insbesondere können - wie im Streitfall - konzernverbundene Unternehmen, die die Personalverwaltung für die Entleiherin wahrnehmen, mit der Auskunftserteilung betraut oder ein Arbeitgeberverband eingeschaltet werden (vgl.  - Rn. 36, BAGE 137, 249).

32(2) Die Rechtswirkungen einer Auskunft nach § 13 AÜG hängen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht davon ab, ob der Entleiher vergleichbare Stammarbeitnehmer beschäftigt.

33Gibt es beim Entleiher keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer, muss er dem Leiharbeitnehmer auf der Grundlage einer hypothetischen Betrachtung Auskunft darüber erteilen, welche Arbeitsbedingungen für ihn gölten, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre (Boemke/Lembke AÜG 3. Aufl. § 13 Rn. 11; Lorenz in Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath Arbeitsrecht 3. Aufl. § 13 AÜG Rn. 4; wohl auch Ulber/Ulber AÜG 4. Aufl. § 13 Rn. 2 [Anwendung in allen Fällen, in denen ein Anspruch nach § 10 Abs. 4 AÜG besteht]; einschränkend Pelzner/Kock in Thüsing AÜG 3. Aufl. § 13 Rn. 7 [lediglich Verpflichtung zum Zugänglichmachen des einschlägigen Tarifvertrags]; aA Urban-Crell in Urban-Crell/Germakowski AÜG 2. Aufl. § 13 Rn. 5). Dies gebietet die unionsrechtskonforme Auslegung des § 13 AÜG im Lichte des Art. 5 Abs. 1 RL. Wenn ein Anspruch gemäß § 10 Abs. 4 AÜG unabhängig davon besteht, ob der Entleiher vergleichbare Stammarbeitnehmer beschäftigt (vgl.  - Rn. 24), muss dem Leiharbeitnehmer auch bei Fehlen vergleichbarer Stammarbeitnehmer Auskunft über ein vom Entleiher angewandtes allgemeines Entgeltschema erteilt werden. Das erfordert der Zweck des § 13 AÜG, es dem Leiharbeitnehmer zu ermöglichen, die Einhaltung des Gebots der Gleichbehandlung zu überprüfen und die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG zu berechnen (vgl.  - Rn. 22).

34cc) Die Beklagte hat die vom Kläger in den Prozess eingeführte Auskunft nach § 13 AÜG nicht erschüttert. Sie hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben würde, die Tätigkeit des Klägers als Zählerableser in den Jahren 2008 und 2009 habe nicht seiner „aktuellen“ Tätigkeit im Oktober 2011 entsprochen. Ebenso wenig hat die Beklagte substantiiert dargelegt, dass und aus welchen Gründen die Entleiherin den Kläger tatsächlich nicht nach der Vergütungsgruppe A 4 / Basis MTV RWE vergütet hätte. Sie ist des Weiteren dem Vortrag des Klägers, er sei bereits vor dem Einsatz bei der R GmbH seit Beginn des Arbeitsverhältnisses an ein Unternehmen des R-Konzerns überlassen gewesen, nicht substantiiert entgegengetreten. Im Streitzeitraum hatte der Kläger daher die Verweildauer in der abgesenkten Startvergütung bereits zurückgelegt (§ 16 Nr. 2 MTV RWE).

35c) Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs nach § 10 Abs. 4 AÜG ist ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen.

36aa) Dabei hat das Landesarbeitsgericht in den von ihm angestellten Gesamtvergleich zutreffend Leistungen wie eine Weihnachtszuwendung (§ 10 MTV RWE), eine Sonderzuwendung (§ 11 MTV RWE) und Entgeltfortzahlung an Feiertagen (§ 2 EFZG) in den Gesamtvergleich einbezogen. Denn der Begriff des Arbeitsentgelts in § 10 Abs. 4 AÜG ist weit auszulegen. Zu ihm zählt nicht nur das laufende Arbeitsentgelt, sondern jede Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt wird bzw. aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände gewährt werden muss ( - Rn. 27 mwN).

37Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch Urlaubsentgelt berücksichtigt. Denn Urlaub ist ein in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f, i RL genannter Regelungsgegenstand und damit eine wesentliche, dem Gebot der Gleichbehandlung unterliegende Arbeitsbedingung iSv. § 10 Abs. 4 AÜG. Gewährt der Verleiher dem Leiharbeitnehmer während des Zeitraums einer Überlassung Urlaub, berechnet sich das Urlaubsentgelt nach den dafür beim Entleiher anzuwendenden Bestimmungen ( - Rn. 34). Im Streitfall sind dies die Regelungen zur Urlaubsvergütung in § 13 Nr. III. MTV RWE.

38bb) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zu Unrecht die Differenzvergütung auf der Basis eines Stundenlohns ermittelt. Stammarbeitnehmer erhalten auf der Grundlage ihrer Eingruppierung nach § 16 MTV RWE iVm. dem Vergütungstarifvertrag ein Monatsgehalt. Deshalb richtet sich der Anspruch des Klägers aus § 10 Abs. 4 AÜG auf ein Monatsgehalt und verbietet sich dessen „Herunterrechnen“ auf einen - fiktiven - Stundenlohn ( - Rn. 32). Ausgangspunkt für die Berechnung der Differenzvergütung ist das Monatsgehalt, das der Kläger erhalten hätte, wenn er unmittelbar bei der Entleiherin beschäftigt gewesen wäre. Dem steht § 22 Nr. 12 MTV RWE nicht entgegen. Die dortige Umrechnungsformel bezieht sich nur auf Fälle, in denen die geschuldete Monatsvergütung in eine Stundenvergütung umzurechnen bzw. eine Stundenvergütung geschuldet oder Bezugsgröße ist, wie etwa bei der Vergütung von Mehrarbeitsstunden (§ 5 Nr. 5 MTV) oder der Berechnung von Zeitzuschlägen (§ 6 Nr. 1 MTV RWE). Sie wird aber nicht eingesetzt, um die tarifliche Monatsvergütung in einen Stundenlohn umzuwandeln. Ein solches Vorgehen widerspräche dem tariflichen Ziel einer gleichbleibenden monatlichen Vergütung, weil Arbeitnehmer dann abhängig von der Anzahl der Arbeitstage im jeweiligen Monat unterschiedlich vergütet würden.

39cc) Es wird deshalb im erneuten Berufungsverfahren - gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - zu ermitteln sein, ob der Kläger für die bei der Entleiherin zu beanspruchende Monatsvergütung die dort geschuldete regelmäßige Arbeitszeit (§ 4 MTV RWE) erbracht bzw. durch gesetzliche Entgeltfortzahlungstatbestände „abgedeckt“ hat. Dass der Kläger mindestens 38 Wochenstunden in diesem Sinne geleistet hat, ergibt sich mittelbar aus der von ihm behaupteten Jahresstundenzahl und könnte ihre Bestätigung darin finden, dass sich trotz einer vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Wochenstunden die Dauer der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit nach den im Kundenbetrieb geltenden Bestimmungen richtet, Nr. 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag. Außerdem hat die Beklagte nach der von ihr in der Berufungsinstanz vorgelegten „Änderung der AÜ-Bestellung“ vom ua. für den Kläger eine „Monatspauschale 38 Std“ erhalten. Angesichts dessen wird sie sich im erneuten Berufungsverfahren substantiiert dazu einlassen müssen, ob der Kläger im Streitzeitraum (mindestens) 38 Wochenstunden gearbeitet hat oder nicht.

40dd) Hat der Kläger nach den von der Beklagten abgerechneten und damit streitlos gestellten Stunden Mehrarbeit iSv. § 5 MTV RWE geleistet - was bislang allerdings nicht ausreichend substantiiert dargelegt ist -, kann er dafür Differenzvergütung nach den tariflich vorgesehenen Regeln beanspruchen. Der Abgeltung von Mehrarbeit kann die Beklagte nicht den Vorrang von Freizeitausgleich (§ 5 Nr. 4 MTV RWE) entgegenhalten, wenn sie keinen Freizeitausgleich gewährt, sondern die Mehrarbeitsstunden - wenn auch zu niedrig - bezahlt hat.

414. Bei der Zinsentscheidung wird das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass der auf Dezember 2009 entfallende Anteil des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt nach Nr. 6.4 Arbeitsvertrag erst am fällig geworden ist und deshalb insoweit Verzugszinsen nicht - wie bislang - schon ab dem zugesprochen werden können.

Fundstelle(n):
YAAAE-64798