Eingruppierung eines Sachbearbeiters Flugverkehrskontrolle
Gesetze: § 1 TVG
Instanzenzug: ArbG Offenbach Az: 6 Ca 229/09 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 8 Sa 743/10 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
2Die Kläger wurde ab 1978 als „FS-Kontrolleur“ bei der Interflug, Betrieb Flugsicherung, in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ausgebildet. Nach einer fünfjährigen Tätigkeit als Fluglotse wechselte er aus dem operativen Bereich in eine Tätigkeit als Sachbearbeiter im Bereich Flugverkehrskontrolldienst. Zum wurde sein Arbeitsverhältnis nach Art. 13 Abs. 2 iVm. der Anlage I, Kap. XIX, Sachgebiet A, Abschnitt III, Nr. 1 EV auf den Bund überführt und bei der damaligen Bundesanstalt für Flugsicherung fortgesetzt. Der Kläger war weiterhin als Sachbearbeiter und dabei ab dem als Sachbearbeiter Flugverkehrskontrolle (FVK) tätig.
3Infolge der Privatisierung der Flugsicherung war der Kläger ab dem bei dem Luftfahrt-Bundesamt angestellt und begründete dann ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. In dem Arbeitsvertrag der Parteien heißt es ua.:
4Mit Ergänzungsvereinbarung vom wurde die persönliche Zulage als „feste“ vereinbart. Ab dem erhielt der Kläger ein Entgelt nach der VergGr. 10, Stufe 3 des Eingruppierungstarifvertrags (ETV).
5Die Vergütung war bei der Beklagten zunächst auf der Basis des Vergütungstarifvertrags Nr. 2 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiter/innen (VTV Nr. 2) vom und des Zulagentarifvertrags Nr. 2 (ZTV Nr. 2) geregelt. Die Entgeltstruktur dieser Tarifverträge sah ua. ein Grundgehalt für alle Arbeitnehmer vor. Das Personal im operativen Bereich - flugsicherungstechnisches Personal, Fluglotsen, Flugberater und Flugdatenbearbeiter - erhielt darüber hinaus eine operative Zulage nach § 2 ZTV Nr. 2. Um Wechsel dieser Beschäftigten in die nicht-operative Sachbearbeitung zu fördern, erhielten nach § 3 Abs. 1 ZTV Nr. 2 „Mitarbeiter/innen, die aus den operativen Diensten in andere Tätigkeiten wechseln, für die Kenntnisse und Erfahrungen aus der operativen FS-Tätigkeit benötigt werden“, für die Dauer dieser Tätigkeit eine „Funktionszulage … in Höhe der bisherigen operativen Zulage zuzüglich 3 % der jeweils aktuellen Vergütung“.
6Ab galten für die Beklagte der „Eingruppierungstarifvertrag 2007 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (ETV 2007)“, der „Überleitungstarifvertrag 2007 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (ÜTV 2007)“ und der „Vergütungstarifvertrag Nr. 3 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ (VTV Nr. 3). Durch den ETV 2007 und den ÜTV 2007 entfielen die bisher im ZTV Nr. 2 geregelte Zulage für Beschäftigte im operativen Bereich sowie die Funktionszulage als gesonderte Leistungen und wurden in das tarifliche Grundgehalt integriert. Eine Differenzierung der Entgelthöhe erfolgte innerhalb der einzelnen Vergütungsgruppen, indem die Zulagen in einzelne Bänder der jeweiligen Gruppen aufgenommen wurden. Die Beklagte leitete den Kläger nach Maßgabe des ÜTV 2007 in die VergGr. 10 Band A Stufe 3 ETV 2007 über.
7Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen diese Überleitung gewandt und die Auffassung vertreten, entweder aus § 1 Abs. 3 ÜTV 2007 iVm. dem ETV 2007 oder aus § 8 Abs. 15 bzw. Abs. 16 ÜTV 2007 ergebe sich eine Vergütungspflicht der Beklagten nach VergGr. 10 Band G ETV 2007. Zwar habe er keine Funktionszulage nach § 3 ZTV Nr. 2 erhalten, er sei aber bei der Interflug im operativen Dienst beschäftigt gewesen und sei anschließend vom operativen Flugsicherungsdienst in eine FVK-Sachbearbeitung gewechselt.
8Der Kläger hat zuletzt beantragt
9Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, die Voraussetzungen des allein einschlägigen § 8 Abs. 16 ÜTV 2007 seien nicht erfüllt. Der Kläger habe während des mit ihr bestehenden Arbeitsverhältnisses keine Tätigkeit als Lotse ausgeübt. Eine solche Beschäftigung bei der Interflug reiche nicht aus. Weiterhin sei § 4 ETV 2007 nicht einschlägig. Die Bänder B bis G seien nach § 2 Abs. 2 ETV 2007 nur auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzuwenden, die bei ihr in operativen Diensten tätig gewesen seien.
10Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht haben die Tarifvertragsparteien des ETV 2007 und des VTV Nr. 3 einen neuen Eingruppierungs- und Vergütungstarifvertrag mit Wirkung ab dem geschlossen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung mit der Maßgabe, die Feststellung für den Zeitraum bis zum zu begrenzen.
Gründe
11Die Revision des Klägers ist unbegründet. Seine Eingruppierungsfeststellungsklage, für die nach der zeitlichen Begrenzung in der Revisionsinstanz (zur Berücksichtigung des neuen Sachvortrags s. nur - Rn. 12, BAGE 118, 159) das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche und von Amts wegen auch noch in der Revisionsinstanz zu prüfende ( - Rn. 14 mwN, BAGE 124, 240) Feststellungsinteresse besteht, ist unbegründet. Der Kläger kann keine Vergütung nach der VergGr. 10 Band G ETV 2007 beanspruchen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
12I. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft vertraglicher Inbezugnahme in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags die von der Beklagten geschlossenen Tarifverträge, darunter der ETV 2007 und der ÜTV 2007, Anwendung.
13II. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt eine Zuordnung seiner Tätigkeit zur VergGr. 10 Band G ETV 2007 weder nach den Regelungen des ETV 2007 noch in Anwendung der Bestimmungen des ÜTV 2007 in Betracht. Dabei kann zu seinen Gunsten davon ausgegangen werden, dass er eine „besonders qualifizierte FVK-Sachbearbeitung“ iSd. Tätigkeitsmerkmals der VergGr. 10 Band G ETV 2007 sowie iSd. § 8 Abs. 15 und Abs. 16 ÜTV 2007 ausübt und es sich bei dieser Tätigkeit um die überwiegend ausgeübte iSd. § 2 Abs. 1 ETV 2007 handelt.
141. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 3 ETV 2007. Er ist nicht während seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten aus deren operativen Dienst in eine sachbearbeitende Tätigkeit gewechselt.
15a) § 2 ETV 2007 lautet:
16In § 4 ETV 2007 ist ua. bestimmt:
17b) Die Anwendbarkeit der im ETV 2007 aufgeführten „Bänder B bis G“ ist, wie die Auslegung des Tarifvertrags ergibt (zu den Maßstäben der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags s. nur - Rn. 40, BAGE 124, 240), nur den dort ausdrücklich genannten Arbeitnehmern vorbehalten. Der Kläger gehört nicht zum Kreis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach § 2 Abs. 3 ETV 2007. Er ist nicht während des bei der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnisses aus den operativen FS-Diensten in andere, näher beschriebene Tätigkeiten gewechselt.
18Tätigkeiten im Rahmen eines anderen Arbeitsverhältnisses sind für die Zuordnung nicht zu berücksichtigen. § 2 Abs. 3 ETV 2007 erfasst nach seinem klaren Wortlaut - „den operativen FS-Diensten“ - und dem mit der Zuordnung zu den Bändern B bis G verfolgten Zweck nur einen sich im laufenden Arbeitsverhältnis mit der Beklagten vollziehenden Wechsel von einer operativen in eine nicht-operative Tätigkeit. Dies hat der Senat bereits entschieden. Hierzu wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen ( - Rn. 20 ff., insb. Rn. 31). Das sieht auch die Revision nicht (mehr) anders.
19Es verbleibt dann bei der tariflichen Grundregel nach § 2 Abs. 2 Satz 1 ETV 2007, wonach - vorbehaltlich abweichender Regelungen im ÜTV 2007 (dazu unter II 2) - das allgemeine Band der betreffenden Vergütungsgruppe maßgebend ist.
202. Soweit der Kläger anführt, auch diejenigen Beschäftigten, die bereits bei der Bundesanstalt für Flugsicherung aus einer operativen Tätigkeit in eine Sachbearbeitertätigkeit gewechselt seien, hätten bei der Beklagten eine Funktionszulage nach § 3 ZTV Nr. 2 erhalten, ist dies für seine Eingruppierung in Anwendung der Bestimmungen des ETV 2007, auf die er sich, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat, allein stützt, ohne Bedeutung. Das gilt auch für anerkannte Beschäftigungszeiten nach dem Manteltarifvertrag oder eine möglicherweise unzutreffende Tarifanwendung durch die Beklagte bei der Überleitung einzelner Beschäftigter (vgl. auch - Rn. 40 mwN, BAGE 127, 305). Nach § 2 Abs. 3 ETV 2007 ist für die Anwendung der Bänder B bis G ein Wechsel während eines zur Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnisses erforderlich (oben II 1 b, sowie - Rn. 31).
213. Der Kläger kann weiterhin nicht nach § 8 Abs. 15 oder Abs. 16 ÜTV 2007 die begehrte Vergütung beanspruchen. Das Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Wechsel aus dem operativen FS-Dienst während der Tätigkeit bei der Beklagten erfolgt sein muss. Deshalb kann es dahinstehen, ob § 8 Abs. 1 des früheren Überleitungstarifvertrags für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (ÜTV, vom idF vom ) - wie die Revision meint - dahin zu verstehen ist, ein Anspruch auf eine Funktionszulage bestehe auch dann, wenn operative FS-Dienste bei einem früheren Arbeitgeber - hier der Interflug - wahrgenommen wurden.
22a) Der ÜTV 2007 hat ua. folgenden Inhalt:
23b) Sowohl § 8 Abs. 15 ÜTV 2007 als auch § 8 Abs. 16 ÜTV 2007 setzen die Ausübung einer besonders qualifizierten Sachbearbeitung in bestimmten Bereichen voraus, nachdem der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin bei der Beklagten in den näher beschriebenen Tätigkeiten im operativen Dienst tätig gewesen ist.
24aa) Die tarifliche Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten mit einer bestimmten Tätigkeit kann in Tarifverträgen in verschiedener Weise geregelt werden. Das kann von Anforderungen wie „Tätigkeit als Lotse“ bis hin zu spezifischen Voraussetzungen reichen, etwa wie vorliegend die „Tätigkeit als Lotse (Vergütungsgruppe 8)” in § 8 Abs. 16 ÜTV 2007. Den Tarifvertragsparteien ist es grundsätzlich freigestellt festzulegen, welche Zeiten welcher Tätigkeiten sie tariflich in welcher Form berücksichtigen wollen ( - Rn. 42, BAGE 124, 240).
25bb) Bereits nach dem Tarifwortlaut müssen die in § 8 Abs. 15 und Abs. 16 ÜTV 2007 genannten Tätigkeiten auch nach § 1 Abs. 2 Satz 1 ÜTV 2007 zugleich einer näher bestimmten Vergütungsgruppe innerhalb „des alten Eingruppierungstarifvertrages“, der durch den ETV 2007 abgelöst wurde, zugeordnet gewesen sein. Nur durch eine solche Tätigkeit kann nach § 8 Abs. 15 und Abs. 16 ÜTV 2007 eine Überleitung in die VergGr. 10 Band G ETV 2007 erfolgen.
26cc) Das setzt aber die Anwendbarkeit des früheren Eingruppierungstarifvertrags im Zeitraum der operativen FS-Dienste voraus und schließt es aus, andere Tätigkeiten zu berücksichtigen, die vom „alten Eingruppierungstarifvertrag“ nicht erfasst wurden (ebenso - Rn. 43, BAGE 124, 240: Bewährung in einer bestimmten tariflichen Fallgruppe; weiterhin - 4 AZR 360/78 - BAGE 33, 103: Tätigkeitsaufstieg und Anrechnung von Tätigkeitszeiten als Beamter; - 4 AZR 290/10 - Rn. 53 mwN; - 4 AZR 163/08 - Rn. 16 mwN; - 4 AZR 565/96 - zu 2 c der Gründe: sog. Fallgruppenbewährungsaufstieg).
27dd) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Kläger hat nicht dargetan, dass er zu Zeiten der Geltung des früheren Eingruppierungstarifvertrags mit Tätigkeiten im operativen Dienst bei der Beklagten betraut war, die in § 8 Abs. 15 und Abs. 16 ÜTV 2007 genannt sind. Die von ihm angeführte Tätigkeit als Lotse bei der Interflug ist für die Anwendung des allein in Betracht kommenden § 8 Abs. 16 ÜTV 2007 nicht zu berücksichtigen. Sie führte nicht zu einer Eingruppierung nach einer Vergütungsgruppe des durch den ETV 2007 abgelösten Eingruppierungstarifvertrags.
28III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstelle(n):
BB 2014 S. 1075 Nr. 18
SAAAE-62094