Verbraucherinsolvenzverfahren: Konkludente Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen die Versagung der Restschuldbefreiung
Leitsatz
Schweigen sowohl der Ausspruch als auch die Gründe einer Beschwerdeentscheidung zur Frage der Zulassung der Rechtsbeschwerde, liegt in der Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung keine Zulassung.
Gesetze: § 574 Abs 1 S 1 Nr 2 ZPO, § 4 InsO
Instanzenzug: LG Stralsund Az: 2 T 119/13vorgehend AG Stralsund Az: 12 IK 61/08
Gründe
I.
1Auf Antrag des Schuldners wurde am das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 1 zum Treuhänder bestellt. Die Restschuldbefreiung versagte das Insolvenzgericht auf Antrag der weiteren Beteiligten zu 2 mit Beschluss vom , weil der Schuldner bei der Antragstellung mindestens grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe.
2Die gegen die Versagung der Restschuldbefreiung gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss vom zurückgewiesen. Dem Beschluss ist eine Rechtsbehelfsbelehrung angefügt. Diese folgt deutlich abgesetzt nach der Kostenentscheidung, unter der durch Fettdruck hervorgehobenen Überschrift "Rechtsbehelfsbelehrung", außerhalb der Gliederung der Beschlussgründe, aber noch vor der Unterschrift des entscheidenden Einzelrichters. Im ersten Satz der Rechtsbehelfsbelehrung heißt es, dass gegen den Beschluss die Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff ZPO statthaft sei. Im Weiteren wird darauf hingewiesen, die Rechtsbeschwerde sei "in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO" nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordere. Zum notwendigen Inhalt der Begründung der Rechtsbeschwerde wird ausgeführt, diese müsse eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthalten.
3Nach Erlass des angefochtenen Beschlusses teilte die weitere Beteiligten zu 2 mit Schreiben vom dem Insolvenzgericht mit, die dem Versagungsantrag zugrunde liegenden Forderungen seien "inzwischen" erledigt. Ferner wurde ausgeführt, die Versagung der Restschuldbefreiung dürfte gegenstandslos geworden sein.
II.
41. Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft, weil sie durch das Landgericht nicht zugelassen worden ist (§ 4 InsO iVm § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Sie ist daher als unzulässig zu verwerfen.
5a) Nachdem die Vorschrift des § 7 InsO durch das Gesetz zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung vom (BGBl. I S. 2082) mit Wirkung zum aufgehoben worden ist, findet die Rechtsbeschwerde gegen Beschwerdeentscheidungen in Verfahren nach der Insolvenzordnung nur statt, wenn sie durch das Beschwerdegericht zugelassen worden ist. Gemäß Art. 103f Satz 1 EGInsO ist die Neuregelung auf die Rechtsbeschwerde gegen solche Beschwerdeentscheidungen anzuwenden, die - wie vorliegend - nach Inkrafttreten des neuen Rechts erlassen worden sind (, ZIP 2012, 1146 Rn. 9 mwN).
6b) Gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist die Rechtsbeschwerde in dem Beschluss über die sofortige Beschwerde zuzulassen. Das Beschwerdegericht, das mit dem Sachverhalt und den entscheidungserheblichen Rechtsfragen bereits vertraut ist, hat neben der Zulässigkeit und gegebenenfalls Begründetheit des ersten Rechtsmittels daher auch zu prüfen, ob einer der in § 574 Abs. 2 ZPO genannten Zulassungsgründe für die Rechtsbeschwerde vorliegt. Gegebenenfalls ist die Zulassung auszusprechen (§ 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
7Die Zulassungsentscheidung ist eine gebundene Willensbetätigung des Beschwerdegerichts, der eine Prüfung der Zulassungsgründe vorauszugehen hat. Im Sinne der Rechtsmittelklarheit (vgl. BVerfGE 87, 48, 65) ist es wünschenswert, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde in den Ausspruch des Beschlusses aufgenommen wird. Zwingend ist dies jedoch nicht. Es reicht aus, wenn sich die Zulassung mit hinreichender Deutlichkeit aus den Gründen der Beschwerdeentscheidung ergibt ( IXa ZB 182/03, NJW 2004, 2529; vgl. auch RiZ (R) 4/07, NJW 2008, 1448 Rn. 16 zu § 80 DRiG; Beschluss vom - XII ZB 445/10, NJW-RR 2011, 1569 Rn. 15 zu § 70 Abs. 1 FamFG; vom - AnwZ (Brfg) 44/12, nv Rn. 4 zu § 112e BRAO). Letzteres wird etwa dann der Fall sein, wenn sich das Beschwerdegericht in den Gründen seiner Entscheidung zu den Zulassungsgründen des § 574 Abs. 2 ZPO verhält und einen oder mehrere annimmt (vgl. , nv; vom , aaO).
8Eine Rechtsbehelfsbelehrung vermag diesen Anforderungen grundsätzlich selbst dann nicht zu genügen, wenn ihr die Unterschriften der entscheidenden Richter nachfolgen. In diesem Fall wird sie zwar formal ein Bestandteil der Entscheidung. Als Belehrung über die nach (fehlerhafter) Ansicht des Beschwerdegerichts gegebenen Rechtsmittel stellt sie jedoch regelmäßig nur eine Wissenserklärung dar und bringt als solche keinen Zulassungswillen zum Ausdruck. Nur ausnahmsweise kann deshalb allein aus der Rechtsbehelfsbelehrung auf eine Zulassung des in dieser genannten Rechtsmittels geschlossen werden (vgl. aaO Rn. 16 zu § 80 Abs. 2 DRiG; BVerwGE 71, 73, 75 f mwN; BFH/NV 2004, 1291).
9c) Danach kann im Streitfall von einer Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht ausgegangen werden. Weder hat das Landgericht die Zulassung im Ausspruch erklärt noch ergibt sich der Zulassungswille aus den Gründen des Beschlusses, die hierzu schweigen. Auch aus der Rechtsbehelfsbelehrung kann nicht mit der erforderlichen Gewissheit auf eine Zulassung der Rechtsbeschwerde geschlossen werden. Diese erschöpft sich in einer bloßen Wissenserklärung. Dabei verhält sie sich erkennbar nur zur Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde aufgrund gesetzlicher Regelung (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und bringt auch deshalb keinen Zulassungswillen zum Ausdruck. Zutage tritt vielmehr die rechtsfehlerhafte Ansicht des Landgerichts, die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergebe sich (noch) aus dem Gesetz.
102. Die rechtsfehlerhafte Ansicht des Landgerichts, die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergebe sich (noch) aus dem Gesetz, vermag ebenfalls nicht zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde zu führen. Enthält eine Beschwerdeentscheidung keine Ausführungen über die Zulassung der Rechtsbeschwerde, ist der Rechtsweg erschöpft. Der Bundesgerichtshof kann mit der Sache nicht mehr in statthafter Weise befasst werden. Dies gilt unabhängig davon, welche Erwägungen das Beschwerdegericht dazu veranlasst haben, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen und auch dann, wenn das Beschwerdegericht rechtsirrig davon ausgegangen ist, die Rechtsbeschwerde sei kraft Gesetzes zulässig (, ZIP 2012, 1146 Rn. 15 mwN).
11Der Gesetzgeber hat bewusst von der Möglichkeit einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde abgesehen (BT-Drucks. 14/4722 S. 69, 116). Es widerspräche der gesetzlichen Unanfechtbarkeit auch der Entscheidung über die (Nicht-)Zulassung, wenn diese im Rechtsmittelweg daraufhin überprüft werden könnte, ob das Beschwerdegericht die ihm obliegende Verantwortung für die Zulassungsentscheidung erkannt hat ( aaO Rn. 16; vom - IX ZB 31/12, nv Rn. 2).
123. Mit der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde fehlt es an einer Voraussetzung für eine Entscheidung in der Sache; der angefochtene Beschluss ist rechtskräftig. Schon deshalb bleibt das erst nach Eintritt der Rechtskraft zu den Akten gelangte Schreiben der weiteren Beteiligten zu 2 ohne Auswirkungen auf die erfolgte Versagung der Restschuldbefreiung. Die vom Schuldner in Aussicht gestellt Rücknahme des Versagungsantrags durch die weitere Beteiligte zu 2 wäre nur bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Versagung der Restschuldbefreiung möglich gewesen und bliebe deshalb ebenfalls wirkungslos (, NZI 2010, 780 Rn. 4).
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
HFR 2014 S. 754 Nr. 8
NJW 2014 S. 8 Nr. 17
NJW-RR 2014 S. 639 Nr. 10
WM 2014 S. 711 Nr. 15
FAAAE-61219