BGH Urteil v. - 3 StR 315/13

Konkurrenzverhältnis zwischen Nötigung und Vergewaltigung

Gesetze: § 52 Abs 1 StGB, § 177 StGB, § 240 StGB

Instanzenzug: LG Rostock Az: 13 Ks 267/12 (21)

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchter besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und (mit) Nötigung zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Mit seiner Revision macht der Angeklagte geltend, dass es hinsichtlich seiner Verurteilung im zweiten Tatkomplex an einer Verfahrensvoraussetzung fehle, und rügt im Übrigen die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die verfahrensrechtlichen Beanstandungen des Angeklagten greifen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwaltes nicht durch. Die Sachbeschwerde hat lediglich den sich aus der Urteilsformel ergebenden Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

2Das Landgericht hat folgende für die Taten des Angeklagten wesentliche Feststellungen getroffen:

3Der Angeklagte entschloss sich in den frühen Morgenstunden des , in die Wohnung seiner früheren Lebensgefährtin    E.    einzudringen und sie in seine Gewalt zu bringen, um sie zum Geschlechtsverkehr zu zwingen. Da ihm nach seiner Vorstellung dabei deren neuer Freund, der Geschädigte    W.     , im Weg stand, entschloss er sich weiterhin, diesen zuvor zu töten.

4Der Angeklagte bewaffnete sich mit einem Militärmesser sowie einem Elektroschockgerät und fuhr zur Wohnung von    E.    . Das Messer nahm er für die Tötung des Geschädigten W.      mit, das Elektroschockgerät, um     E.     mit Stromstößen bewusstlos zu machen und so sein Vorhaben zu erleichtern, sie in seine Gewalt zu bringen und an ihr den Geschlechtsverkehr zu vollziehen.

5Der Angeklagte schlich sich in die Wohnung und betrat das Wohnzimmer, wo er im Schein der Straßenbeleuchtung E.    und W.     auf einer Couch schlafend erkannte. Er zog das mitgeführte Militärmesser hervor, in der anderen Hand hielt er das Elektroschockgerät. Er beugte sich über die direkt vor ihm liegende, noch immer schlafende     E.     hinweg und stach mit dem Messer mit Wucht unterhalb des Kehlkopfes in den Hals des    W.     . Dieser war zwar wenige Sekunden vor dem Zustechen erwacht und nahm den Angeklagten schemenhaft als Person wahr, vermochte jedoch auf das für ihn völlig unvermittelte Zustechen nicht zu reagieren, bevor die Klinge in seinen Hals eindrang. Nach dem ersten Zustechen zog der Angeklagte das Messer zumindest einige Zentimeter zurück und stieß es unmittelbar danach, um den Tod des W.     auch sicher herbeizuführen, mit anderer Stoßrichtung durch die bereits geschaffene Einstichwunde erneut in den Hals.

6Der Angeklagte war danach überzeugt, alles Nötige getan zu haben, um den Tod des Geschädigten herbeizuführen, ließ das Messer in dessen Hals stecken und wandte sich nunmehr, seinem Tatplan entsprechend, der Geschädigten E.     zu. Als er dies gerade getan hatte, fing W.      zum Erstaunen des Angeklagten jedoch an sich zu regen und zu schreien, wodurch auch     E.     wach wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte das Elektroschockgerät auf den linken Arm von E.     angesetzt und ließ dieses etwa zwei Sekunden lang Stromstöße abgeben, um so den erwarteten Widerstand von vornherein zu brechen.     E.     verspürte die Stromstöße als Schmerz im Arm, verlor jedoch - entgegen der Vorstellung des Angeklagten - nicht das Bewusstsein.

7W.     fasste sich mit der linken Hand an den Hals und es gelang ihm, sich das Messer selbst aus dem Hals zu ziehen; sodann versuchte er, den Angeklagten mit dem Messer von sich fernzuhalten, indem er es diesem entgegenhielt. Währenddessen schrie er um Hilfe und dass er verblute.

8Der Angeklagte, der nur noch mit dem Elektroschockgerät bewaffnet war, sah nun keine Möglichkeit mehr, seinen Plan, W.     zu töten und als Beschützer auszuschalten, zu Ende zu führen. Er wollte aber weiterhin die Geschädigte E.     in seine Gewalt bringen. Nachdem er erkannt hatte, dass der Stromstoß nicht dazu geführt hatte, E.     das Bewusstsein zu nehmen, ließ er das Elektroschockgerät fallen, packte     E.     am Arm und zerrte die schreiende Geschädigte hinter sich her aus dem Wohnzimmer, durch den Flur und sodann aus der Wohnung bis auf den Treppenabsatz vor der darunter liegenden Wohnung im Erdgeschoß in Richtung der Hintertür des Hauses. Noch ehe die Beiden diese erreichten, brach die Geschädigte zusammen und verlor für wenige Sekunden das Bewusstsein, so dass sie von den Beinen kam. Daher entschloss sich der Angeklagte, an Ort und Stelle den Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Er zog ihre Jogginghose herunter und griff ihr an den Slip. Im gleichen Augenblick vernahm der Angeklagte jedoch Türgeräusche aus einem anderen Teil des Treppenhauses und das Klappern eines Schlüssels. Er nahm an, es seien Personen aus einer anderen Wohnung auf das Geschehen aufmerksam geworden und befürchtete, entdeckt zu werden. Deshalb entschloss er sich, von     E.     abzulassen, das Haus zu verlassen und mit seinem Fahrzeug zu fliehen, was ihm ohne Schwierigkeiten gelang.

9Der Geschädigte W.     war wegen seines fortschreitenden Blutverlustes nicht in der Lage gewesen, dem Angeklagten zu folgen. Nachdem er sich von der Couch herunter gerollt hatte, blieb er davor liegen. Sein Leben konnte durch eine Notoperation gerettet werden.

I.

101. Der Schuldspruch hält der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand, soweit der Angeklagte - tateinheitlich mit versuchter besonders schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung - auch wegen Nötigung verurteilt worden ist. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift insoweit Folgendes ausgeführt:

"§ 240 StGB ist gegenüber § 177 StGB subsidiär, soweit die Nötigung der Erzwingung der sexuellen Handlung dient. Nur dann, wenn der Täter mit der Nötigung ein darüber hinausgehendes Ziel verfolgt oder die Deliktsverwirklichung über die Vollendung des § 177 StGB hinaus andauert, ist Tateinheit gegeben (Renzikowski in Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 177 Rn. 100 m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt nach den Feststellungen jedoch nicht vor. Das Landgericht hat - rechtsfehlerfrei - angenommen, dass der Angeklagte mit dem Einsatz des Elektroschockgeräts gegenüber der Geschädigten E.     zum Verbrechen der versuchten besonders schweren Vergewaltigung unmittelbar angesetzt hat (UA S. 65). Die dann folgenden Handlungsabläufe - insbesondere die zwangsweise Mitnahme der Zeugin aus der Wohnung, die das Landgericht als selbständige Nötigung deutet - waren lediglich Mittel und Bestandteil der auf die Erzwingung des Geschlechtsverkehrs gerichteten Nötigung. Der vom ursprünglichen Tatplan abweichende Ortswechsel war nur durch das Überleben W.     s und dessen Schreien bedingt, diente aber ausschließlich dem weiter verfolgten Ziel einer Vergewaltigung der Geschädigten E. in unmittelbarem zeitlichen Kontext zum vorangegangenen Geschehen und war mithin nicht darauf gerichtet, einen darüber hinausgehenden Nötigungserfolg zu verwirklichen...

... Die insoweit erforderliche Schuldspruchberichtigung ... macht den Strafausspruch nicht rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat lediglich übersehen, dass das vom Angeklagten mitverwirklichte Vergehen nach § 240 Abs. 1, 2 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter dem Verbrechen des § 177 StGB zurücktritt und ist deshalb unzutreffend von Tateinheit ausgegangen. Auf den Unrechtsgehalt hat dieser Fehler jedoch keine Auswirkungen."

11Dem stimmt der Senat zu; er hat daher den Schuldspruch entsprechend geändert.

122. Soweit der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, ergibt demgegenüber die auf die Sachbeschwerde veranlasste Nachprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Dies gilt auch für die Wertung des Landgerichts, der versuchte Mord am Geschädigten W.       sei (letztlich) als fehlgeschlagener Versuch anzusehen; die dieser Annahme zugrunde liegende Beweiswürdigung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

13a) Nach dem Zusammenhang der schriftlichen Urteilsgründe hat das Landgericht ersichtlich angenommen, dass der Angeklagte - nachdem er zunächst davon ausgegangen war, dass er zur Herbeiführung der Tötung des Geschädigten alles Nötige getan habe - nach Korrektur seiner unmittelbar nach dem Zustechen gegebenen Vorstellung keine Möglichkeit mehr sah, den (geplanten) Tötungserfolg noch herbeizuführen, als der Geschädigte sich mit dem Messer verteidigte.

14b) Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung des Landgerichts ist frei von Rechtsfehlern. Sie ist - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts -insbesondere nicht deshalb lückenhaft, weil das Landgericht nicht erwogen hat, der Angeklagte könne es für möglich gehalten haben, dem Geschädigten unter Zuhilfenahme des Elektroschockgerätes das Messer zu entwinden und die Mordtat zu Ende zu führen, jedoch hiervon freiwillig Abstand genommen habe. Mit Blick auf die getroffenen Feststellungen zum äußeren Geschehen und alle weiteren dem Urteil zu entnehmenden Tatumstände lag solches fern. Schon vor der Tat hatte der Angeklagte einen Einsatz des Elektroschockgerätes gegen den schlafenden W.     nicht für erfolgversprechend gehalten (UA S. 57). Nunmehr hielt ihm dieser das Tatmesser entgegen und schrie lauthals um Hilfe. Weiterhin hatte er nach dem Einsatz des Elektroschockgerätes gegenüber der Geschädigten E.     festgestellt, dass dieses keine wesentliche Wirkung auf deren Bewusstsein und Gegenwehr gehabt hatte und hatte deshalb das Gerät fallen lassen. Mit der - danach rein theoretischen - Möglichkeit, der Angeklagte könnte die Vorstellung gehabt haben, dass er dem sich mit dem Tatmesser verteidigenden Geschädigten W.      dieses unter Einsatz des Elektroschockers entwinden und sich wieder in den Besitz der Stichwaffe bringen könne, dies indes aus eigenem Antrieb nicht versucht haben könnte, musste sich das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung nicht auseinandersetzen (vgl. LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 267 Rn. 56 ff.; KK-Kuckein, 7. Aufl., § 267 Rn. 13; , NStZ-RR 2010, 183).

II.

15Der Adhäsionsausspruch war ergänzend unter den im Hinblick auf § 116 SGB X bzw. § 86 VVG erforderlichen Vorbehalt zu stellen, dass eine Ersatzpflicht des Angeklagten nur insoweit besteht, als der Anspruch des Nebenklägers W.     nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Versicherer übergegangen ist (vgl. , StraFo 2010, 117).

Becker                       Hubert                         Schäfer

               Gericke                       Spaniol

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
QAAAE-61169