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Verlustanzeigebilanz
1. Vorbemerkung und Rechtsgrundlagen
Den Geschäftsführungsorganen verschiedener Kapitalgesellschaften (insbesondere der AG und der GmbH) obliegt die Pflicht, bei Eintritt einer gesetzlich fixierten Verlustsituation die Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung einzuberufen (§ 92 Abs. 1 AktG; § 49 Abs. 3 GmbHG). Die Informationspflicht der Unternehmensleitung gegenüber der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung tritt ein bei Verlust des hälftigen Grund- bzw. Stammkapitals. Damit „normiert der Gesetzgeber ein typisches Krisenzeichen.“
Die gesetzlichen Regelungen verlangen eine unverzügliche Einberufung der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung. Analog zur insolvenzrechtlichen Fristsetzung bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung erscheint auch hier eine Drei-Wochen-Frist denkbar – allerdings können die einzelfallspezifischen Umstände eine Anpassung der Frist in die eine oder andere Richtung erforderlich machen.
Der Zweck beider Vorschriften besteht darin, die Anteilseigner anhand eines objektiven Merkmals über den Eintritt einer Unternehmenskrise zu unterrichten. Sie sollen also frühzeitig in die Lage versetzt werden, entsprechende Gegenmaßnahmen zur Beseitigung der unternehmerischen Notlage ergreifen zu können. Eine Verlustanzeigebilanz dient insoweit ausschließlich den Interessen der Aktionäre bzw. Gesellschafter. Die Publizität des Kapitalverlusts ist allenfalls Nebenzweck der in Rede stehenden Vorschriften.
Liebscher, § 49 Einberufung der Versammlung, in Fleischer/Goette (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHG, Bd. 2, 4. Aufl. 2023
Deubert/Meyer, P. Verlustanzeigebilanz und Überschuldungsstatus, in Deubert/Förschle/Störk (Hrsg.), Sonderbilanzen, 6. Aufl. 2021
Endriss (Hrsg.), Bilanzbuchhalter-Handbuch, 14. Aufl. 2023
Rieser, § 17 Die GmbH in der Krise, in Prinz/Winkeljohann (Hrsg.), Beck'sches Handbuch der GmbH, 6. Aufl. 2021
Spindler, § 92 Vorstandspflichten bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, in Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, Bd. 2, 6. Aufl. 2023
Schmidt-Hern, § 17 Die AG/KGaA in der Krise, in Drinhausen/Eckstein (Hrsg.), Beck'sches Handbuch der AG, 3. Aufl. 2018
Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, S. 2539-2557
2. Maßgebende Verlustgröße
Als Auslöser der Verlustanzeigepflicht gilt das Unterschreiten des Nettovermögens der AG bzw. GmbH unter den hälftigen Betrag des einschlägigen Grund- bzw. Stammkapitals. Es muss sich also um einen Bilanzverlust handeln. Folglich kommt es darauf an, ob das Reinvermögen der Gesellschaft, mithin das um die Passiva verminderte Aktivvermögen, noch die Hälfte des Grund- bzw. Stammkapitalbetrags deckt.
Ein Verlust, der lediglich betragsmäßig der Hälfte des Grund- bzw. Stammkapitals entspricht, kann nicht maßgebend sein. Dieser wäre kein geeigneter Krisenindikator, befände sich das Unternehmen doch bei Vorhandensein hoher Rücklagen oder sonstiger Eigenkapitalpositionen nicht in einer Krisensituation. Auch der Jahresfehlbetrag darf nicht als maßgebliche Verlustgröße verwendet werden. Als Referenzgröße fungiert alleine das Grund- bzw. Stammkapital des Unternehmens.