Fin Min Baden-Württemberg - 3-S 4500/1

Grunderwerbsteuer in Verfahren der gesetzlichen (förmlichen) Baulandumlegung

Bezug:

In Ergänzung des Bezugserlasses sind in den Verfahren der gesetzlichen (förmlichen) Baulandumlegung bei der Prüfung der Grunderwerbsteuerpflicht folgende Gesichtspunkte zu beachten:

I. Behandlung wesentlicher Mehrzuteilungen an die Gemeinde

Es ist zu berücksichtigen, dass sich wesentliche Mehrzuteilungen an die Gemeinde auch aus deren Pflichtaufgaben als hoheitlicher Träger und Durchführender eines Umlegungsverfahrens ergeben können. Denn Mehrzuteilungen an die Gemeinde resultieren häufig aus Minderzuteilungen an die privaten Umlegungsbeteiligten. Wenn Minderzuteilungen insbesondere in größeren Umlegungsverfahren kumulieren, kann das – sofern kein Ausgleich durch Mehrzuteilungen an andere private Umlegungsbeteiligte entsteht – zu wesentlichen Mehrzuteilungen an die Gemeinde führen, die völlig unabhängig von der Erfüllung oder Überschreitung des Sollanspruchs der Gemeinde sind und sich alleine aus der Tätigkeit der Gemeinde als Träger der Pflichtaufgabe der Durchführung von Umlegungen ergeben (vgl. Ernst/Zinkahn, Kommentar zum BauGB, § 79, Rn. 26p).

II. Unzulässigkeit der Übertragung eines Zuteilungsanspruchs nach § 59 Abs. 1 BauGB

Im Umlegungsverfahren ist die Übertragung eines Zuteilungsanspruchs nach § 59 Abs. 1 BauGB auf einen Dritten, der nicht Umlegungsbeteiligter ist, unzulässig, so dass diese Übertragung bzw. Zuteilung nicht als umlegungsbedingt angesehen werden kann. Es liegt ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang vor.

III. Unterscheidung von Vorwegnahme und Teilumlegungsplan

Eine Vorwegnahme gemäß § 76 BauGB dient der Klärung von Eigentumsverhältnissen bereits vor Inkrafttreten des Umlegungsplans. Über die Umlegungsbedingtheit der Vorwegnahme kann regelmäßig erst nach Abschluss der gesamten Umlegung entschieden werden, so dass eine möglicherweise durchzuführende Festsetzung von Grunderwerbsteuer erst zu diesem Zeitpunkt zu erfolgen hat. Steht die Umlegungsbedingtheit einer im Rahmen des § 76 BauGB erfolgenden Grundstückszuteilung bereits zu einem früheren Zeitpunkt zweifelsfrei fest, kann die Entscheidung über die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung der Vorwegnahme insoweit auch vor Abschluss der Umlegung getroffen werden.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass nach den Vorschriften des BauGB durch stufenweise ergangene Vorwegregelungen ein abschließender Umlegungsplan dann entbehrlich werden kann, wenn alle Umlegungstatbestände im Gebiet bereits geregelt sind. In diesen Fällen kann das Umlegungsverfahren durch Beschluss der Umlegungsstelle eingestellt werden (vgl. Ernst/Zinkahn, Kommentar zum BauGB, § 76, Rn. 1a, 5a). Dann ist über die Umlegungsbedingtheit der Zuteilungen spätestens nach dem erfolgten Einstellungsbeschluss der Gemeinde zu entscheiden.

Der Teilumlegungsplan gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 BauGB ermöglicht dagegen, dass Teile eines gesamten Umlegungsplans abschnittsweise realisiert werden können. Dadurch lässt sich bezüglich dieser Teile eine zügigere Bebauung verwirklichen. Bevor ein Teilumlegungsplan aufgestellt werden kann, muss die Gesamtverteilungsmasse nach § 55 BauGB feststehen, da sich der Sollanspruch auch bei Teilumlegungsplänen aus dem gesamten Umlegungsgebiet berechnet.

Auch für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung ist auf das gesamte Umlegungsgebiet abzustellen. Für § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG ist maßgeblich, ob die Grundstücke dem Sollanspruch entsprechend oder darüber hinaus zugeteilt werden. Bei Teilumlegungsplänen kann daher über die Umlegungsbedingtheit von Grundstücksübertragungen wegen der dabei bereits feststehenden Sollansprüche schon vor Abschluss des gesamten Umlegungsverfahrens entschieden werden.

IV. Unterscheidung zwischen Ordnungsnummern 1 und 2 bei den Umlegungsbeteiligten

Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG wird die Grunderwerbsteuerbefreiung davon abhängig gemacht, dass der neue Eigentümer in dem betreffenden Umlegungsverfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter ist. Diese Voraussetzung ist auch bei Einbringung von Grundflächen der Ordnungsnummern 1 durch eine Gemeinde erfüllt. Die Abfindungsregelungen des § 55 Abs. 3 BauGB und das Fehlen von Anteilen an der Verteilungsmasse stehen dem nicht entgegen.

V. Sollanspruch bei Wertumlegung nach § 57 BauGB und bei Flächenumlegung nach § 58 BauGB

Unter der Prämisse, dass Mehrzuteilungen umlegungsbedingt erfolgen, kann auch eine nicht nur unwesentlich über dem Sollanspruch liegende Mehrzuteilung steuerfrei belassen werden. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der Sollanspruch bzw. der Wert des Sollanspruchs bei der Wertumlegung nach § 57 BauGB üblicherweise über dem Einwurfswert der Grundstücke liegt, weil die Verteilungsmasse in der Regel gegenüber der Einwurfsmasse einen höheren Wert aufweist. Auch bei der Flächenumlegung nach § 58 BauGB kann seit der Änderung des BauGB im Jahr 2004 der Sollanspruch über dem Einwurfswert liegen. Insoweit müssen sich Einwurfswert und Sollanspruch lediglich anteilsmäßig im Verhältnis zum Gesamtwert der Einwurfsmasse und der Verteilungsmasse entsprechen. Entscheidend für die Höhe der Mehrzueilung bzw. die Frage, ob überhaupt eine Mehrzuteilung vorliegt, ist also nicht der Wert des Einwurfsgrundstücks, sondern der Wert des Sollanspruchs nach § 57 BauGB bzw. der Sollanspruch nach § 58 BauGB.

Im Übrigen bleibt es bei den Anweisungen des Bezugserlasses. Insbesondere sind Entscheidungen über den Aufgriff einzelner besonders gelagerter Extremfälle weiterhin im Einvernehmen mit der zuständigen Fachaufsichtsbehörde zu treffen. Vorab ist bei den betreffenden Kommunen eine schriftliche Stellungnahme zu Konzeption und Durchführung der Umlegung einzuholen.

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Fundstelle(n):
LAAAE-55032