Drei Schüsse, ein Treffer
Steuerliche Ansatz- und Bewertungsvorbehalte bei angeschafften Verpflichtungen
Sei es die Beschränkung der DBA-Dividendenfreistellung (Gemeindefinanzreformgesetz 2012), die Steuerpflicht von Erstattungszinsen zur Einkommensteuer (JStG 2010), die Nichtabziehbarkeit von Kosten für die erstmalige Berufsausbildung (BeitrRLUmsG), bei der Recherche zu diesem Editorial stellte sich heraus, dass sog. Nichtanwendungsgesetze häufiger vorkommen, als man annimmt. Nach einer Auswertung des BFH wurden zwischen 1990 und 2004 – also in einem Zeitraum von ca. 15 Jahren – 60 Nichtanwendungesetze erlassen (vgl. Pezzer, DStR 2004 S. 525). Nichtanwendungsgesetze sind das stärkste Instrument, mit dem die Finanzverwaltung (mittelbar) auf lästige Entscheidungen des BFH reagieren kann. Daneben existieren noch der Nichtanwendungserlass und die späte Veröffentlichung von Urteilen des BFH im Bundessteuerblatt.
Mit dem Inkrafttreten des AIFM-Steuer-Anpassungsgesetzes zum 24. Dezember 2013 wurde im dritten Anlauf ein weiteres Nichtanwendungsgesetz eingeführt. Nunmehr sind übernommene Verpflichtungen, die beim Veräußerer einem steuerlichen Ansatz- oder Bewertungsvorbehalt unterlegen haben, beim Übernehmer nicht mehr mit den Anschaffungskosten anzusetzen. Vielmehr soll der Übernehmer durch Beachtung der steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte in solchen Fällen einen Erwerbsgewinn realisieren. Damit hebelt der Gesetzgeber den ehernen und vom BFH hochgehaltenen Grundsatz der Erfolgsneutralität von Anschaffungsvorgängen aus. Dies mag vorliegend aus fiskalischer Sicht durchaus begründet sein, sollen doch allein in Pensionsrückstellungen stille Lasten von 60 Mrd. € ruhen (so Hoffmann, StuB 1/2014 S. 1). Zu höherer Rechtssicherheit führen solche Regelungen jedoch nicht.
Es ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, dass entsprechende Erwerbsgewinne durch Bildung einer steuerlichen Rücklage über einen Zeitraum von 15 Jahren gestreckt werden können. Was für einzelne Verpflichtungen, z. B. Drohverlustrückstellungen, noch einfach handhabbar erscheint, kann bei Pensionsrückstellungen zu einem Alptraum werden, handelt es sich doch um eine Vielzahl von Einzelansprüchen, für die jährlich zu prüfen ist, ob die steuerliche Rücklage noch ausgewiesen werden darf. Schlimmer noch sind die Fälle, in denen sich Steuerpflichtige bereits vor langer Zeit auf die Steuerneutralität von Anschaffungsvorgängen berufen und auch ihre Steuerplanung darauf ausgerichtet haben. So sind Betroffene nunmehr verpflichtet, die Passivseite ihrer Bilanz dahingehend zu untersuchen, ob nicht aus „Altjahren“ noch angeschaffte Verpflichtungen ausgewiesen werden, die gegebenenfalls zum steuerlich neu zu bewerten sind. Da sich hierdurch auch Auswirkungen auf die Steuerrückstellungen für 2013 ergeben können, ist zusätzlich dringender Handlungsbedarf geboten, werden doch derzeit die Jahresabschlüsse aufgestellt. Fraglich ist weiterhin, ob die Regelungen zur nachträglichen Versteuerung von Erwerbsgewinnen nicht eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung darstellen.
Daniel Beckert
Fundstelle(n):
NWB 2014 Seite 401
NWB JAAAE-54642