BVerwG Beschluss v. - 9 B 60/13

Fristbeginn für Wiederaufnahme des Verfahrens

Gesetze: § 152 Abs 1 VwGO, § 586 Abs 2 S 1 ZPO, § 589 ZPO

Instanzenzug: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: 6 BV 13.1273 Beschluss

Gründe

1Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens (§ 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 589 ZPO) mit doppelter Begründung verworfen: Sie sei wegen Versäumung der einmonatigen Notfrist des § 586 Abs. 1 ZPO verfristet und im Übrigen auch mangels substantiierter und schlüssiger Darlegung eines Wiederaufnahmegrundes unzulässig.

3Ist eine Entscheidung - wie hier - auf mehrere jeweils für sich selbständig tragende Gründe gestützt worden, kann eine Beschwerde nach § 132 Abs. 2 VwGO nur dann Erfolg haben, wenn der Zulassungsgrund zu jedem der Entscheidungsgründe vorgetragen und gegeben ist ( BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 15; stRspr). Daran fehlt es.

4Die Beschwerde hat hinsichtlich der Verwerfung der Klage wegen Nichteinhaltung der Notfrist einen Verfahrensmangel als Revisionszulassungsgrund (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend gemacht. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Klage nicht als verfristet verwerfen dürfen. Der Kläger habe erst am den am amtlich veröffentlichten Tenor des - (NVwZ 2013, 1004) erhalten und sich die Begründung der Entscheidung sodann besorgen müssen. Damit kann die Beschwerde nicht durchdringen.

5Abgesehen davon, dass es wegen der speziellen Regelung des § 79 Abs. 2 BVerfGG, § 183 VwGO schon keinen Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 153 VwGO i.V.m. § 589 ZPO darstellt, wenn das Gesetz, auf das das Urteil gestützt ist, später für verfassungswidrig erklärt wird (Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 153 Rn. 3), hat der Verwaltungsgerichtshof in dem angegriffenen Beschluss maßgeblich darauf abgestellt, dass dem Kläger die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bereits Ende April/Anfang Mai 2013 bekannt gewesen sein müsse, da er bereits in dieser Zeit unter Rückgriff auf die verfassungsgerichtliche Entscheidung und ihre Begründung Beschwerden und Kostenerinnerungen eingelegt und begründet habe. Hiergegen kann die Beschwerde nicht mit Erfolg geltend machen, der Kläger habe zunächst nur durch Fernsehübertragungen von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfahren und dies stelle keine Kenntnis im Sinne des § 586 Abs. 2 Satz 1 ZPO dar. Ausweislich der Begründung der an den Bayerischen Verfassungsgerichtshof gerichteten Verfassungsbeschwerde vom , die dem Aussetzungsantrag in dem Verfahren 6 ZB 13.501 vom beigefügt war, war ihm bereits zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung des im Wortlaut bekannt. Der Kläger zitiert in der Verfassungsbeschwerdeschrift wörtlich aus den Randnummern 41 und 50 der Entscheidung des und erwähnt, dass sich in dem Beschluss 14 Hinweise auf die individuelle Vorteilslage fänden. Dass der Kläger derartige Details durch Fernsehübertragungen erfahren haben könnte, ist ausgeschlossen. Im Übrigen hätte es dem Kläger als Anwalt ab diesem Zeitpunkt oblegen, sich sichere Kenntnis vom Inhalt der Entscheidung zu verschaffen. Der positiven Kenntniserlangung im Sinne des § 586 Abs. 2 Satz 1 ZPO steht es nämlich gleich, wenn sich eine Partei der Kenntnis relevanter Tatsachen bewusst verschließt (Reinhold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 586 Rn. 2; - NZA 2003, 453 <455>). Die Kenntniserlangung wäre ihm auch ohne Weiteres möglich gewesen, da die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausweislich der Pressemitteilung Nr. 19/2013 des Gerichts bereits ab dem im Volltext erhältlich und im Internet abrufbar war. Bei dieser Sachlage kann auch die von der Beschwerde im Schriftsatz vom vorsorglich beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist keinen Erfolg haben.

6Dagegen kann die Beschwerde nicht einwenden, dass die Wiederaufnahmeklage gemäß § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO auch auf die "Unterdrückung" zweier bei der Beklagten schon seit drei Jahren vergeblich angeforderter Rechnungen gestützt sei, so dass die einmonatige Klagefrist nicht vor dem Auffinden oder der sicheren Kenntnis von der Benutzbarkeit dieser Urkunde zu laufen beginne. Hat insoweit die Frist noch nicht begonnen, ist die Klage aus diesem Grund unzulässig. Da sich der Kläger nach eigenem Bekunden schon vor Erlass des angegriffenen Berufungsurteils vom um die erwähnten Rechnungen bemüht hatte, sie aber nach wie vor weder erhalten noch sichere Kenntnis von ihrer Benutzbarkeit erlangt hat, kann insofern ein fristauslösender Anfechtungsgrund im Sinne des § 586 Abs. 2 ZPO nicht eingetreten sein.

7Soweit der Kläger die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, fehlt es an der Darlegung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wodurch gerade der mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffene Beschluss seinen Gehörsanspruch verletzt haben soll. Für einen Gehörsverstoß ist auch nichts ersichtlich. Der Verwaltungsgerichtshof ist auf die weiteren vom Kläger geltend gemachten Wiederaufnahmegründe - Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO im Zusammenhang mit der angeblichen Unterdrückung der erwähnten "Schlussrechnungen" bzw. Nichtigkeitsgrund wegen Verstoßes gegen das rechtliche Gehör analog § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO - ausdrücklich eingegangen.

8Da die Beschwerde schon deswegen keinen Erfolg haben kann, weil ein dem Verwaltungsgerichtshof bei der Verwerfung der Klage wegen Versäumung der einmonatigen Frist des § 586 Abs. 1 ZPO unterlaufener Verfahrensfehler nicht dargelegt worden ist, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit den zahlreichen Grundsatzrügen, die die Beschwerde in den innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist eingegangenen Schriftsätzen vom sowie vom 2., 22. und formuliert hat. Die weiteren Revisionsrügen, die mit Schriftsatz vom erhoben wurden, sind schon deswegen unbeachtlich, weil dieser Schriftsatz erst nach Ablauf der am endenden zweimonatigen Beschwerdebegründungsfrist (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO) eingegangen ist.

Fundstelle(n):
OAAAE-52533