BGH Beschluss v. - II ZR 396/12

Insolvenzschutz in der betrieblichen Altersvorsorge: Unverfallbare Versorgungsanwartschaft einer als Unternehmer tätigen Person

Gesetze: § 1b Abs 1 BetrAVG, § 7 Abs 2 BetrAVG, § 17 BetrAVG, § 30f Abs 1 BetrAVG

Instanzenzug: Az: I-14 U 9/12 Urteilvorgehend Az: 24 O 338/11 Urteil

Gründe

1Die Revision ist zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg hat.

2I. Ein Zulassungsgrund besteht nicht. Weder erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts noch stellen sich Fragen von grundsätzlicher Bedeutung. Der Rechtssache kommt nicht schon deshalb grundsätzliche Bedeutung zu, weil der Bundesgerichtshof die vom Berufungsgericht als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage bisher noch nicht ausdrücklich entschieden hat. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist nur dann gegeben, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. die allgemein von Bedeutung ist. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist, weil sie vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden ist und in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird oder wenn sie in der Literatur in gewissem Umfang umstritten ist (, ZIP 2010, 27 Rn. 3; Beschluss vom - II ZR 54/09, ZIP 2010, 985 Rn. 3; Beschluss vom - II ZR 219/09, ZIP 2010, 2397 Rn. 3). Derartige Unklarheiten bestehen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (, ZIP 2010, 985 Rn. 3; Beschluss vom - II ZR 219/09, ZIP 2010, 2397 Rn. 3).

3Die entscheidungserhebliche Frage, ob bei der Feststellung einer Versorgungsanwartschaft nach § 30f BetrAVG für die Dauer der Versorgungszusage beziehungsweise für die Dauer der Betriebszugehörigkeit Zeiten als Unternehmer zu berücksichtigen sind, ist in diesem Sinne nicht in gewissem Umfang umstritten, sondern mit der ganz überwiegenden Meinung im Schrifttum zu verneinen (vgl. unten II. 2.).

4II. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat zutreffend einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer insolvenzgeschützten Rente nach § 7 Abs. 2 Satz 1, § 14 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG gegen den Beklagten als Träger der Insolvenzsicherung verneint, weil der Kläger keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft nach § 30f BetrAVG erlangt hat.

51. Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger, der ab dem Fremdgeschäftsführer einer Komplementär-GmbH war, für die Zeit ab dem mit der Übernahme aller Geschäftsanteile der Komplementärin aufgrund der konkreten Ausgestaltung der Gesellschaftsverhältnisse in der GmbH und in der Kommanditgesellschaft eine ausschlaggebende unternehmerische Leitungsmacht zustand, so dass er ab diesem Zeitpunkt als Unternehmer nicht mehr in den Schutzbereich des Betriebsrentengesetzes fiel. Diese tatrichterliche Würdigung des vorliegenden Einzelfalls steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. , BGHZ 77, 94, 105; Urteil vom - II ZR 255/78, BGHZ 77, 233, 240 f.; Urteil vom - II ZR 259/88, BGHZ 108, 330, 333) und wird von der Revision nicht in Frage gestellt.

62. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft des Klägers nach § 30f BetrAVG verneint.

7Als der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplementär-GmbH am mangels Masse abgewiesen wurde, war der Versorgungsfall noch nicht eingetreten. § 7 Abs. 2 BetrAVG räumt Versorgungsanwärtern nur dann einen Insolvenzschutz ein, wenn sie im Zeitpunkt des Sicherungsfalls (§ 7 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 BetrAVG) eine nach § 1b Abs. 1 BetrAVG, hier i.V.m. § 30f BetrAVG, unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben. Voraussetzung hierfür ist unter anderem, dass die Versorgungszusage entweder mindestens zehn Jahre oder bei mindestens zwölfjähriger Betriebszugehörigkeit mindestens drei Jahre bestanden hat. Beide Alternativen sind in der Person des Klägers nicht erfüllt. Sowohl bei der Dauer der Zusage als auch bei der Dauer der Betriebszugehörigkeit sind solche Zeiten nicht mitzuzählen, in denen der Kläger - hier ab dem - als Unternehmer anzusehen ist.

8Es entspricht der ganz überwiegenden Meinung im Schrifttum, dass Versorgungsanwartschaften nur durch Zeiten als Arbeitnehmer und nicht durch solche als Unternehmer erworben werden können (Brandes, Betriebliche Altersversorgung 1990, 12, 15; Hanau/Kemper, ZGR 1982, 123, 137 f.; Schipp in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 5. Aufl., § 17 BetrAVG Rn. 21; ders. in: Tschöpe, Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht, 8. Aufl., 2. Teil, E. Rn. 22 und 548; Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betriebl. Altersversorgung, 5. Aufl., § 7 Rn. 146 mwN). Der erkennende Senat teilt diese Auffassung. Ist eine Person zeitweilig als Unternehmer, im Übrigen aber als Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person (§ 17 BetrAVG) für ein Unternehmen tätig, kann eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 7 Abs. 2, § 1 b Abs. 1, § 30f Abs. 1 BetrAVG nur entstehen, wenn die Unverfallbarkeitsfristen insgesamt in Tätigkeitsperioden erfüllt werden, in denen der Betroffene in den Anwendungsbereich des § 17 BetrAVG fällt. Dies bedeutet bei einem Statuswechsel, dass für die Berechnung Zeiten, in denen der Betroffene als Unternehmer tätig war, weder für die Dauer der Versorgungszusage noch als Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen sind.

9Personen, die selbst Unternehmer sind, sollen den Schutz des BetrAVG nicht genießen (vgl. nur , BGHZ 77, 94, 101). Dieser bei der Ausformung des Geltungsbereichs des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG entwickelte allgemeine Grundgedanke gilt für die Bestimmung berücksichtigungsfähiger Zeiten bei der Berechnung der Versorgungsanwartschaft in gleicher Weise. Wollte man dies anders sehen, hätte das zur Folge, dass eine Person, die nur wenige Monate Arbeitnehmer und anschließend bis zum Erreichen der in § 30f Abs. 1 BetrAVG festgelegten Fristen Unternehmer gewesen ist, besser gestellt wäre, als derjenige, der kurz vor Fristerreichung als Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausscheidet.

Bergmann                     Caliebe                        Reichart

                    Born                        Sunder

Fundstelle(n):
DStR 2014 S. 383 Nr. 8
ZIP 2014 S. 191 Nr. 4
EAAAE-52438