OFD Nordrhein-Westfalen - S 3014b - 86 - St 26 - 35

Grundbesitzbewertung der Betriebe der Land- und Forstwirtschaft; Abgrenzung der Betriebsverpachtung im Ganzen von „unechten” und „echten” Stückländereien

I. Betriebsverpachtung im Ganzen

1. Definition

Die Betriebsverpachtung im Ganzen gilt nach R B 158.1 Abs. 1 Satz 3 und 4 ErbStR 2011 als Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit auf andere Art und Weise, wenn die Wirtschaftsgüter dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auf Dauer zu dienen bestimmt sind. Eine Betriebsverpachtung im Ganzen liegt somit vor, wenn der bisherige Eigentümer am Bewertungsstichtag die wesentlichen Wirtschaftsgüter des Betriebs (Grund und Boden, Wirtschaftsgebäude, stehende Betriebsmittel und immaterielle Wirtschaftsgüter, vgl. § 162 Abs. 4 Satz 1 BewG) an Andere zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen hat. Damit folgt die Betriebsverpachtung im Ganzen im Hinblick auf die Verschonung der §§ 13a, 13b ErbStG dem Grundgedanken, den Betrieb als wirtschaftende Einheit zu erhalten, um gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen zu werden.

Eine Betriebsverpachtung im Ganzen kommt nur dann in Betracht, wenn die übertragene wirtschaftliche Einheit alle vorhandenen wesentlichen Wirtschaftsgüter im Sinne des § 158 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 und 5 BewG (Grund und Boden, Wirtschaftsgebäude, stehende Betriebsmittel und immaterielle Wirtschaftsgüter) umfasst.

Zum Begriff der „unechten” Stückländerei siehe Tz. III.

2. Bewertung

Nach § 162 Abs. 1 BewG ist bei der Bewertung mit dem gemeinen Wert davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt. Die Bewertung ist für jede Nutzung gesondert mit dem Wirtschaftswert nach § 163 BewG vorzunehmen. Dabei darf der Mindestwert nach § 164 BewG nicht unterschritten werden.

Für die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, die im Ganzen verpachtet sind, ist das Reingewinnverfahren nach § 163 BewG und das Mindestwertverfahren nach § 164 BewG anzuwenden.

Ist ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft im Ganzen verpachtet, erfolgt im Mindestwertverfahren nach § 164 BewG eine Einzelbewertung des Wirtschaftsguts Grund und Boden sowie eine Gesamtbewertung der Wirtschaftsgüter des Besatzkapitals. Bei der Ermittlung des Mindestwerts ist in diesen Fällen das Besatzkapital zu erfassen, da es sich um eine Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit auf andere Art und Weise handelt. Der verpachtete Betrieb wird wie ein selbstbewirtschafteter Betrieb behandelt. Aus diesem Grund wird für die Bewertung des Besatzkapitals auf die (vom Pächter) bewirtschafteten Flächen abgestellt. Das gilt auch für die Bestimmung der Betriebsgröße und Betriebsform der landwirtschaftlichen Nutzung mittels der Standarddeckungsbeiträge.

Bei der Betriebsverpachtung im Ganzen kann das vereinfachte Bewertungsverfahren nach R B 164 Abs. 9 ErbStR 2011 (unterstellte Nutzung nach Klassifizierung im Automatisierten Liegenschaftskataster) angewendet werden, wenn vom Steuerpflichtigen die Daten über die Nutzungsverhältnisse am Bewertungsstichtag nicht ermittelt werden können.

3. Bewertung mit dem Liquidationswert

Ist ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft im Ganzen am Bewertungsstichtag verpachtet und nach § 162 Abs. 3 oder 4 i. V. m. § 166 BewG mit dem Liquidationswert zu bewerten, gelten die Grundsätze der Liquidationsbewertung (vgl. R B 166 ErbStR 2011 sowie H B 166 ErbStH 2011).

Bei der Ermittlung des Liquidationswerts ist den tatsächlichen Umständen am Bewertungsstichtag Rechnung zu tragen.

II. Bewertung der wirtschaftlichen Einheit des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft als Betriebsverpachtung im Ganzen bei teilweiser Übertragung

Bei einer teilweisen Übertragung eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft ist zur Beurteilung der Betriebsverpachtung im Ganzen nicht auf den insgesamt bestehenden Betrieb, sondern nur auf den übertragenen Anteil abzustellen.

Beispiel:

V hat seinen Betrieb mit 50 Hektar landwirtschaftlich und 50 Hektar forstwirtschaftlich genutzter Fläche nebst Besatzkapital an einen anderen Land- und Forstwirt im Ganzen für die Dauer von 10 Jahren verpachtet. Sohn S erhält zunächst die forstwirtschaftlich genutzten Flächen von 50 Hektar einschließlich der dazu gehörenden stehenden Betriebsmittel (Wert > 50.000 €) im Wege der Schenkung. Zu den forstwirtschaftlichen Flächen gehören keine gesonderten Wirtschaftsgebäude oder immateriellen Wirtschaftsgüter.

Verfahrensrechtlich ist die wirtschaftliche Einheit des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft mit dem Wert des von S erworbenen Eigentumsanteils am Grundbesitz zu ermitteln (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. R B 151.2 Abs. 2 Nr. 5 Satz 1 ErbStR 2011).

Die auf S übergegangene und zu bewertende wirtschaftliche Einheit des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft umfasst die forstwirtschaftlich genutzte Fläche von 50 Hektar einschließlich der dazu gehörenden stehenden Betriebsmittel. Es liegt eine Betriebsverpachtung im Ganzen vor, da die übertragene wirtschaftliche Einheit neben dem Grund und Boden alle anderen vorhandenen wesentlichen Wirtschaftsgüter (hier nur stehende Betriebsmittel = Aufwuchs) umfasst.

Die Betriebsverpachtung im Ganzen ist nach R B 158.1 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2011 als Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit auf andere Art und Weise anzusehen. Infolgedessen ist auch das Besatzkapital für die forstwirtschaftlich genutzten Flächen anzusetzen.

Im Ergebnis wird ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft (Forstbetrieb) übertragen und ein verkleinerter (Rest-) Betrieb der Land- und Forstwirtschaft (landwirtschaftlicher Betrieb) bleibt weiter beim bisherigen Eigentümer bestehen. Bei beiden Betrieben handelt es sich um im Ganzen verpachtete Betriebe, von denen aber nur für den übertragenen Betrieb der Grundbesitzwert nach obigen Grundsätzen festzustellen ist.

Das vereinfachte Bewertungsverfahren nach R B 164 Abs. 9 ErbStR 2011 kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da dem Verpächter (Eigentümer) die Anbauverhältnisse einer forstwirtschaftlichen Nutzung regelmäßig bekannt sind (Anbauverzeichnis, forstwirtschaftliches Betriebsgutachten oder Betriebswerk) bzw. beschafft werden können.

III. Abgrenzung zu „unechten” Stückländereien

Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft setzt weder einen vollen Besatz mit Wirtschaftsgebäuden, Betriebsmitteln usw. noch eine Mindestgröße voraus.

Besteht ein Betrieb nur aus dem Wirtschaftsgut Grund und Boden und wird dieser dauerhaft zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken verpachtet, erfüllt er bei der Einheitsbewertung regelmäßig die Voraussetzungen einer Stückländerei nach § 34 Abs. 7 BewG.

Eine „unechte” Stückländerei im Sinne der Grundbesitzbewertung liegt vor, wenn für diese – nur aus der Flächenverpachtung (ggfs. inklusive eines damit im Zusammenhang stehenden EU-Zahlungsanspruchs; siehe Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom , Amtsblatt der Europäischen Union vom ) bestehenden – Betriebe der Land- und Forstwirtschaft am Bewertungsstichtag die Restlaufzeit des Pachtvertrages weniger als 15 Jahre beträgt.

Diese Betriebe, die ausschließlich aus einer Flächenverpachtung (ggfs. inklusive eines damit im Zusammenhang stehenden EU-Zahlungsanspruchs) bestehen, stellen keine Betriebsverpachtung im Ganzen im Sinne der Grundbesitzbewertung nach R B 158.1 Abs. 1 Satz 3 und 4 ErbStR 2011dar.

Beachte:

Werden neben den Flächen auch andere Wirtschaftsgüter mitverpachtet (z. B. Wirtschaftsgebäude), liegt keine „unechte” Stückländerei vor. In diesen Fällen handelt es sich um eine Betriebsverpachtung im Ganzen (vgl. dazu Tz. I.).

„Unechte” Stückländereien im vorgenannte Sinne unterliegen der „normalen” Bewertung nach den §§ 163 und 164 BewG. In der Folge kommt es im Mindestwertverfahren nach § 164 BewG nicht zum Ansatz von Besatzkapital, da die gesamte Fläche verpachtet ist und somit die maßgebende selbst bewirtschaftete Fläche 0,00 ha beträgt.

Das vereinfachte Bewertungsverfahren nach R B 164 Abs. 9 ErbStR 2011 (unterstellte Nutzung nach Klassifizierung im Automatisierten Liegenschaftskataster) kann aus Vereinfachungsgründen auch in Fällen der „unechten” Stückländereien angewendet werden, wenn vom Steuerpflichtigen die Daten über die Nutzungsverhältnisse am Bewertungsstichtag nicht beschafft werden können.

IV. Abgrenzung zu „echten” Stückländereien

Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft setzt weder einen vollen Besatz mit Wirtschaftsgebäuden, Betriebsmitteln usw. noch eine Mindestgröße voraus.

Besteht ein verkleinerter Betrieb nur aus dem Wirtschaftsgut Grund und Boden und wird dieser dauerhaft zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken verpachtet, erfüllt er bei der Einheitsbewertung regelmäßig die Voraussetzungen einer Stückländerei nach § 34 Abs. 7 BewG.

Eine „echte” Stückländerei im Sinne der Grundbesitzbewertung liegt nach § 160 Abs. 7 BewG vor, wenn ein solcher Betrieb der Land- und Forstwirtschaft am Bewertungsstichtag für mindestens weitere 15 Jahre verpachtet ist. Damit verfolgt der Gesetzgeber eine typisierende Abgrenzung zwischen der Möglichkeit der Wiederaufnahme einer land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit und einer vermögensverwaltenden Tätigkeit land- und forstwirtschaftlicher Flächen.

Stückländereien sind nach § 160 Abs. 7 i. V. m. § 162 Abs. 2 BewG nur im Mindestwertverfahren zu bewerten.

Bei „echten” Stückländereien kann ebenfalls das vereinfachte Bewertungsverfahren nach R B 164 Abs. 9 ErbStR 2011 (unterstellte Nutzung nach Klassifizierung im Automatisierten Liegenschaftskataster) angewendet werden, wenn vom Steuerpflichtigen die Daten über die Nutzungsverhältnisse am Bewertungsstichtag nicht beschafft werden können.

Beachte:

Die Differenzierung zwischen „echten” und „unechten” Stückländereien ist vor dem Hintergrund der unterschiedlichen erbschaft- und schenkungsteuerlichen Behandlung vorzunehmen. „Echte” Stückländereien stellen kein begünstigtes Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar.

OFD Nordrhein-Westfalen v. - S 3014b - 86 - St 26 - 35

Fundstelle(n):
ErbStB 2014 S. 13 Nr. 1
OAAAE-48999