Patentverletzungsstreit: Bestimmung des herauszugebenden Anteils des Verletzergewinns - Kabelschloss
Leitsatz
Kabelschloss
Bei der Bestimmung des herauszugebenden Anteils des Verletzergewinns, der durch die Benutzung der erfindungsgemäßen Lehre vermittelt worden ist, ist regelmäßig auch zu berücksichtigen, ob und inwieweit die erfindungsgemäße Ausgestaltung oder die damit unmittelbar oder mittelbar verbundenen technischen oder wirtschaftlichen Vorteile für die Abnehmer des Patentverletzers erkennbar waren oder ihnen gegenüber werblich herausgestellt wurden (im Anschluss an , BGHZ 194, 194 Rn. 18 ff. - Flaschenträger).
Gesetze: § 139 Abs 2 PatG, § 287 ZPO
Instanzenzug: Az: I-2 U 76/11 Urteilvorgehend Az: 4a O 263/10
Gründe
1I. Die Klägerin verlangt als Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 361 155 (Klagepatents) von den Beklagten als Gesamtschuldnern Schadensersatz wegen Patentverletzung in Höhe des Verletzergewinns. Das Klagepatent betrifft die Kombination einer zweiradrahmenseitigen Kabelschlosshalterung mit einem von dieser betriebsmäßig trennbaren Kabelschloss. Das Berufungsgericht hat, wie zuvor das Landgericht, den auf der Benutzung der Erfindung beruhenden Anteil des Verletzergewinns in Höhe von 482.357 €, den die Beklagten durch Umsätze in Höhe von 1.007.201 € mit der Verletzungsform erzielt haben, mit 10% bemessen und die weitergehende Klage abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen; hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die mit der Revision die Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe weiterer 30% des Verletzergewinns erreichen will.
2II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch greifen die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen durch oder erfordert sonst die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
3Entgegen der Auffassung der Beschwerde wirft der Rechtsstreit nicht die Grundsatzfrage auf, ob bei der Bemessung des herauszugebenden Verletzergewinns nur solche Merkmale der Erfindung und in der Erfindung begründete funktionelle Vorteile des Erzeugnisses berücksichtigt werden dürfen, die der Kunde vor dem Kauf erkennen kann und die deshalb seine Kaufentscheidung beeinflussen.
4Einen solchen Rechtssatz hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Es hat vielmehr ausgeführt, dass für die Schätzung des Kausalanteils insbesondere die Bedeutung ins Gewicht falle, die die technische Lehre des Klagepatents für die Verletzungsform gehabt habe, und hat in diesem Zusammenhang angenommen, dass die Erfindung nur eine Detailverbesserung des Kabelschlosses und seiner Halterung darstelle und keine wesentlichen Verbesserungen gegenüber dem Stand der Technik bereitstelle. Es hat sodann den Berufungsangriff für unbegründet erachtet, der sich dagegen richte, dass das Landgericht im Rahmen seiner Gesamtabwägung auch darauf abstelle, ob und in welchem Umfang die Beklagten die technische Gestaltung von Fahrradschloss und Halterung eigens werblich herausgestellt hätten.
5Durch die Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass für die Bestimmung des Anteils des herauszugebenden Verletzergewinns bei einer Patentverletzung wertend zu bestimmen ist, ob und in welchem Umfang der erzielte Gewinn auf den durch die Benutzung der Erfindung vermittelten technischen Eigenschaften des Produkts oder anderen für die Kaufentscheidung der Abnehmer erheblichen Faktoren beruht. Dabei ist die Höhe des herauszugebenden Gewinns vom Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu schätzen (, BGHZ 194, 194 Rn. 18 ff. - Flaschenträger). Mit diesen Grundsätzen steht das etwa zeitgleich mit der Veröffentlichung der Entscheidung "Flaschenträger" verkündete Berufungsurteil in Einklang. Es bedarf daher keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass das Berufungsgericht bei der Bestimmung des auf die Verletzung des Klagepatents entfallenden Gewinnanteils berücksichtigen durfte, dass die durch das Klagepatent unter Schutz gestellten technischen Details der Schnittstelle zwischen Fahrradschloss und Schlosshalterung sowie die damit verbundenen Vorteile für die Käufer der Verletzungsform aufgrund der Verpackungsgestaltung nicht wahrnehmbar waren und von den Beklagten auch sonst weder unmittelbar noch mittelbar werblich herausgestellt wurden. Denn ein solcher Umstand lässt Rückschlüsse darauf zu, inwieweit die Marktchancen des vom Verletzer vertriebenen Produkts gerade durch die erfindungsgemäße Ausgestaltung des Erzeugnisses und die hierdurch vermittelten technischen oder wirtschaftlichen Vorteile beeinflusst wurden.
6Nicht in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung hätte es nur gestanden, wenn das Berufungsgericht insoweit allein auf die Wahrnehmbarkeit der durch das Klagepatent unter Schutz gestellten Details der Schnittstelle zwischen Fahrradschloss und Schlosshalterung abgestellt hätte, denn gerade bei einem an private Endabnehmer veräußerten Erzeugnis können allein mit einer solchen Erwägung die in der Regel komplexen und vielgestaltigen Gründe für den Markterfolg eines Produkts nicht angemessen erfasst werden. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil das Berufungsgericht bei der grundsätzlich gebotenen Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vor allem auch auf die Bedeutung der technischen Lehre des Klagepatents und die damit verbundenen technischen Vorzüge für die Verletzungsform sowie auf die Erwartungen des Marktes abgestellt hat.
7Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Grabinski Bacher
Hoffmann Schuster
Fundstelle(n):
UAAAE-47464