BGH Beschluss v. - 4 StR 288/13

Strafzumessung: Messen der Tatmotivation des Angeklagten an einem hypothetischen Sachverhalt

Gesetze: § 46 StGB

Instanzenzug: LG Mönchengladbach Az: 21 KLs 2/13

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 14 Fällen, Diebstahls und Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Schuldspruch war abzuändern, weil sich der Angeklagte in den Fällen 12 und 13, 15 und 16 sowie 17, 18 und 19 der Urteilsgründe jeweils nur eines Betruges schuldig gemacht hat.

3Nach den Feststellungen spiegelte der Angeklagte der Geschädigten am frühen Abend des vor, kurzfristig Geld für die Auslösung von Teppichen zu benötigen und sicherte bewusst wahrheitswidrig zu, dieses mit 20% Gewinn zurückzuzahlen. Nachdem ihm die Zeugin im Vertrauen hierauf zunächst nur 450 Euro gegeben hatte, weil sie an einem Tag keinen größeren Geldbetrag abheben konnte (Fall 12), suchte sie der Angeklagte nach Mitternacht erneut auf und erhielt aus einer weiteren Abhebung nochmals 400 Euro (Fall 13). Anlässlich eines weiteren Treffens am spiegelte der Angeklagte der Geschädigten vor, noch einen größeren Geldbetrag für das Auslösen der Teppiche zu benötigen. Darauf übergab ihm die Zeugin weitere 5.700 Euro (Fall 15) und schließlich auf sein Drängen kurz darauf nochmals 1.600 Euro (Fall 16). Im Fall 17 täuschte der Angeklagte der Zeugin vor, über eine Geldanlage bei einer Bank einen Gewinn in Höhe von 20% erzielen zu können. Die Zeugin überließ ihm daraufhin 18.000 Euro, die sie sich von einer Freundin geliehen hatte, sowie bei zwei weiteren Gelegenheiten aus eigenen Mitteln einmal 2.800 Euro (Fall 18) und nochmals 400 Euro (Fall 19).

4Nach diesen Feststellungen hat der Angeklagte im Fall 13, im Fall 16 und in den Fällen 18 und 19 seinen ursprünglichen Tatplan lediglich weiterverfolgt und die in den jeweils vorgelagerten Fällen 12, 15 und 17 bei dem Tatopfer erzeugten Irrtümer zur Erlangung weiterer Teilbeträge ausgenutzt (vgl. , NStZ-RR 1999, 110).

5Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.

62. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.

7a) Das Landgericht hat bei der Bestimmung der Einzelstrafen für die Fälle des Fahrens ohne Fahrerlaubnis zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass er aus eigennützigen Motiven, „ohne in einer Not- oder Konfliktlage gewesen zu sein“, wiederholt verschiedene Kraftfahrzeuge auch über längere Strecken ohne Fahrerlaubnis geführt hat (UA S. 19). Diese Erwägung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ein Handeln aus eigennützigen Motiven wird durch die Feststellungen nicht belegt. Das zusätzliche Abstellen auf das Fehlen einer „Not- oder Konfliktlage“ lässt zudem besorgen, dass es sich bei dieser Formulierung um eine eigenständige – für den Angeklagten nachteilige – Wertung handelt. Hiergegen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken, weil sich das Landgericht dabei nicht mehr auf die von ihm festgestellten Tatsachen beschränkt. Stattdessen wird die Tatmotivation des Angeklagten an einem hypothetischen Sachverhalt gemessen, der zu dem zu beurteilenden keinen Bezug hat (vgl. , NStZ-RR 2013, 81, 82; Beschluss vom – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350; Urteil vom – 3 StR 176/80, NStZ 1981, 60). Dem Angeklagten wird deshalb das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes zur Last gelegt (, NStZ-RR 2010, 24, 25; Beschluss vom – 4 StR 233/95, StV 1995, 584).

8b) Rechtlich bedenklich ist es auch, dass das Landgericht bei der Bestimmung der Einzelstrafen für die Betrugstaten und den Diebstahl (Fälle 6 bis 20) straferhöhend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte weder eine schulische und berufliche Ausbildung noch eine regelmäßige Erwerbstätigkeit angestrebt hat (UA S. 20). Umstände, die zur allgemeinen Art der Lebensführung des Täters gehören, dürfen ihm bei der Strafzumessung indes nur dann zur Last gelegt werden, wenn sie eine Beziehung zu der abgeurteilten Tat haben und sich daraus eine höhere Tatschuld ergibt (, NStZ 2001, 87, 88; Beschluss vom – 2 StR 209/96, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 27; Beschluss vom – 3 StR 264/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 9; Beschluss vom – 2 StR 361/88, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 8; Beschluss vom – 2 StR 558/87, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 7). Dies ist hier jedenfalls in Bezug auf die angeführten schulischen und beruflichen Ausbildungsdefizite des Angeklagten, die – wie sich aus den Feststellungen zur Person ergibt (UA S. 2) – ihre Ursache bereits im Kindesalter und im Lebensstil seiner Herkunftsfamilie haben, nicht der Fall.

93. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das Schlechterstellungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) sowohl für die Bestimmung der Einzelstrafen, als auch für die Bildung der Gesamtstrafe gilt (st. Rspr.; vgl. , Rn. 3; Urteil vom – 3 StR 224/51, BGHSt 1, 252, 253 ff.). Allerdings dürfen die neu festzusetzenden Einzelstrafen für die Fälle 12, 15 und 17 erhöht werden, weil diesen Taten durch die Schuldspruchänderung der Schuld- und Unrechtsgehalt aus den ursprünglich selbstständig abgeurteilten Fällen 13, 16 sowie 18 und 19 zugeordnet worden ist und deshalb höhere Schadenssummen zugrunde zu legen sind. Das Schlechterstellungsverbot gebietet bei der Neubemessung dieser Einzelstrafen nur, dass die Summe der jeweils betroffenen bisherigen Einzelstrafen nicht überschritten wird (vgl. , Rn. 33; Beschluss vom – 5 StR 594/07, NStZ-RR 2008, 168, 169; Beschluss vom – 1 StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12). Soweit wieder Freiheitsstrafen unter sechs Monaten verhängt werden (Fälle 6 und 7), wird § 47 Abs. 1 StGB zu prüfen sein (vgl. dazu , BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 8).

Fundstelle(n):
KAAAE-44550