BFH Beschluss v. - VII B 66/12

Erstattungsanspruch bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eheleuten

Leitsatz

1. Die Frage, auf wessen Rechnung Zahlungen eines der Ehegatten auf die gemeinsame Vorauszahlungsschuld der zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eheleute als bewirkt i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO anzusehen sind, ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt.
2. Dass die von einem Gesamtschuldner im Vollstreckungsweg beigetriebene Steuerforderung nicht als eine auch auf Rechnung des anderen Gesamtschuldners bewirkte Zahlung angesehen werden kann, ist klar und eindeutig und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren.
3. Allein die unzutreffende Anwendung von Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung durch das Finanzgericht rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.

Gesetze: AO § 37 Abs. 2, AO § 47

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Die seit 1999 miteinander verheirateten Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden in den Jahren 2006 und 2007 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit dem Einkommensteuerbescheid 2006 erhöhte das für die Veranlagung zuständige Finanzamt die von den Klägern zu leistenden Vorauszahlungen auf die Einkommen-, Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag 2007 um ca. 16.000 €. Hierauf zahlte der Kläger zu 1. per Scheck 2.135,31 €. Der übrige Betrag wurde fast vollständig im Vollstreckungsweg durch Pfändung und Einziehung von Kaufpreis- und Mietforderungen der Klägerin zu 2. beigetrieben.

2 Aus dem Einkommensteuerbescheid 2007 ergab sich für die Kläger ein Erstattungsbetrag in Höhe von ca. 15.000 €, den der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) den Klägern jeweils zur Hälfte zuordnete. Den Anteil des Klägers zu 1. verrechnete es vollständig mit dessen Rückständen zur Einkommensteuer 1993, den Anteil der Klägerin zu 2. verrechnete es in Höhe von ca. 400 € mit Steuerforderungen und erstattete den Restbetrag. Nachdem sich die Klägerin zu 2. gegen diese Umbuchungen gewandt hatte, erließ das FA einen entsprechenden Abrechnungsbescheid.

3 Der hiergegen erhobene Einspruch der Kläger und ihre Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der sich aus der Einkommensteuerveranlagung 2007 ergebende Erstattungsbetrag sei den Klägern zu Recht nach Kopfteilen zugeordnet worden. Erstattungsberechtigter sei nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung nach dem erkennbaren Willen des Zahlenden bewirkt worden sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne das FA bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eheleuten davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der auf die gemeinsame Steuerschuld der Eheleute zahle, auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen wolle, soweit keine andere Tilgungsabsicht bekundet worden sei. Ein späterer sich aus der Veranlagung zur Einkommensteuer ergebender Erstattungsanspruch stehe dann beiden Eheleuten gemeinsam zu und sei ihnen nach Kopfteilen zuzuordnen. Werde die Vorauszahlung zwangsweise beigetrieben —wie zum überwiegenden Teil im Streitfall—, könne nichts anderes gelten. Es fehle dann zwar an einer ausdrücklich erklärten Tilgungsabsicht. Das FA habe aber im Streitfall aus den ihm im Zeitpunkt der Zahlung erkennbaren Umständen zutreffend geschlossen, dass mit den Zahlungen die gemeinsame Steuerschuld der Kläger habe beglichen werden sollen. Der Klägerin zu 2. wäre es möglich gewesen, mit einem Antrag auf Aufteilung bzw. Vollstreckungsbeschränkung der Vorauszahlungen gemäß §§ 268 ff. AO eine getrennte Behandlung der Gesamtschuld im Erhebungsverfahren sicherzustellen.

4 Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger, die sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Fortbildung des Rechts sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützen.

5 II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

6 1. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH.

7 Der beschließende Senat hat die Frage, auf wessen Rechnung Zahlungen eines der Ehegatten auf die gemeinsame Vorauszahlungsschuld der zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eheleute als bewirkt i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO anzusehen sind, bereits mehrfach beantwortet (vgl. z.B. , BFHE 222, 235, BStBl II 2009, 38; vom VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, jeweils m.w.N.). Das FG hat die sich aus diesen (sowie weiteren vom FG zitierten) Entscheidungen ergebenden Rechtsgrundsätze, die auch die Beschwerde nicht angreift, zutreffend wiedergegeben, so dass hierauf verwiesen werden kann. Anders als das FG meint, lassen sich diese Grundsätze allerdings nicht in gleicher Weise auf durch das FA von einem der Eheleute im Vollstreckungsweg beigetriebene Vorauszahlungen anwenden.

8 In all diesen Entscheidungen des beschließenden Senats ging es um von einem der zusammen veranlagten Eheleute auf die gemeinsame Vorauszahlungsschuld geleistete „Zahlungen” und um die Frage, ob und aufgrund welcher Umstände trotz einer von Seiten des Zahlenden nicht ausdrücklich erklärten bestimmten Tilgungsabsicht dessen Wille, nur auf die eigene Steuerschuld zu leisten, für das Finanzamt im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar war. Was unter einer „Zahlung” zu verstehen ist, ergibt sich aus § 47 AO, der insoweit auf §§ 224, 224a und 225 AO verweist. Die Beitreibung einer Steuerforderung im Wege der Vollstreckung in Forderungen des Schuldners gemäß §§ 309 ff. AO ist keine „Zahlung” in diesem Sinne.

9 Ein nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats gegenüber dem FA ausdrücklich zu äußernder Tilgungswille des zahlenden Ehegatten, nur auf die eigene Steuerschuld zu leisten, kann darüber hinaus bei vom FA im Wege der Vollstreckung gegen einen der Ehegatten beigetriebenen Steuerforderungen nicht gefordert werden, zumal der betreffende Ehegatte in einem solchen Fall die Steuerschuld gerade nicht tilgen will, sondern hierzu durch Maßnahmen der Vollstreckung in ähnlicher Weise gezwungen wird, wie es bei einer zu seinen Lasten vorgenommenen Abführung von Lohnsteuer der Fall wäre, in welchem eine hälftige Erstattung an die Eheleute ebenfalls nicht in Betracht käme. Zudem nimmt das FA als Vollstreckungsgläubiger in einem solchen Fall nur einen bestimmten Gesamtschuldner und dessen vollstreckbares Vermögen zwangsweise in Anspruch, so dass nicht die Rede davon sein kann, es betreibe die Vollstreckung zugleich „auf Rechnung” des anderen Gesamtschuldners.

10 Dass nach alledem die von einem Gesamtschuldner im Vollstreckungsweg beigetriebene Steuerforderung nicht als eine auch auf Rechnung des anderen Gesamtschuldners bewirkte Zahlung angesehen werden kann, ist klar und eindeutig und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Die von der Beschwerde formulierte Frage, ob die ständige Rechtsprechung des beschließenden Senats zur Frage der Zuordnung von Zahlungen bei fehlender Tilgungsbestimmung gemäß § 37 Abs. 2 AO auch für Fälle gilt, in denen nicht die Steuerschuldner zahlen, sondern Drittschuldner im Rahmen der Vollstreckung, ist zu verneinen. Der Umstand, dass das FG die Grundsätze der Rechtsprechung des beschließenden Senats im Streitfall unzutreffend angewendet hat, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Ebenso wenig erscheint die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).

11 2. Der gerügte Verfahrensmangel in Gestalt einer Verletzung der dem FG obliegenden Aufklärungspflicht ist nicht schlüssig dargelegt. Zur schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels eines vom FG übergangenen Beweisantrags gehört nach ständiger Rechtsprechung (u.a.) auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und , BFH/NV 1998, 608). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter —ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge— verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust, so z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, zur Folge (Senatsbeschluss vom VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597). An entsprechenden Darlegungen der Beschwerde fehlt es im Streitfall; auch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG ergibt sich kein Hinweis, dass die Kläger Beweisanträge gestellt oder das Übergehen zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisanträge gerügt haben.

Fundstelle(n):
AO-StB 2013 S. 215 Nr. 7
BFH/NV 2013 S. 1217 Nr. 8
VAAAE-37171