BGH Beschluss v. - 2 StR 534/12

Strafverfahren: Ablehnungsantrag gegen Revisionsrichter; Verbindung mit Gehörsrüge; Kenntnisnahme des Sach- und Streitstandes der Mitglieder eines Spruchkörpers durch den Berichterstatter oder eigenes Aktenstudium

Gesetze: Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 25 Abs 2 S 2 StPO, § 26a Abs 1 Nr 1 StPO, § 356a StPO

Instanzenzug: Az: 2 StR 534/12vorgehend LG Frankfurt Az: 5/21 Ks 3590 Js 230514/11 (1/12)

Gründe

11. Der Senat hat mit Beschluss vom die von dem Verurteilten eingelegte Revision gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Hiergegen richtet sich die Anhörungsrüge des Verurteilten vom , die er mit einer Ablehnung derjenigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit verbindet, die bereits am Revisionsverwerfungsbeschluss mitgewirkt hatten.

22. Das Ablehnungsgesuch des Verurteilten ist verspätet und daher unzulässig (§ 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Entscheidet das Gericht über die Revision außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege, so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur solange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist. Etwas anderes gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann nicht, wenn die Ablehnung mit einer Anhörungsrüge nach § 356a StPO verbunden wird, die sich - wie hier - mangels Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG als unbegründet erweist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 425/06, NStZ 2007, 416, vom - 4 StR 142/07, NStZ 2008, 55, vom - 4 StR 469/11, vom - 5 StR 356/09, vom - 1 StR 287/09, NStZ-RR 2009, 353, vom - 1 StR 152/11, NStZ-RR 2012, 314, vom - 1 StR 595/12; Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl., § 25 Rn. 11). Denn die Regelung des § 356a StPO soll dem Revisionsgericht die Möglichkeit geben, einem Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen; der Rechtsbehelf dient indes nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung der Verletzung rechtlichen Gehörs doch noch Geltung zu verschaffen (BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 180/06, BGHR StPO § 25 Abs. 2 Nach dem letzten Wort 1; vom - 3 StR 425/06, aaO).

3Dem Antrag des Verurteilten, ihm die zur Entscheidung über sein Ablehnungsgesuch berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen, war nicht nachzukommen. § 24 Abs. 3 Satz 2 StPO findet keine Anwendung, wenn das Ablehnungsgesuch ohne Ausscheiden der abgelehnten Richter (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) als unzulässig zu verwerfen ist (, aaO; , BGHR StPO § 24 Abs. 3 Satz 2 Besetzungsmitteilung 1).

43. Die Anhörungsrüge ist jedenfalls unbegründet, da keine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegt. Der Senat hat bei seiner Entscheidung keinen Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen.

5Auch die Mutmaßungen des Verurteilten über die Unterrichtung der Richter der Spruchgruppe über den Sach- und Streitstand mit der Behauptung, es hätten nicht sämtliche Richter die Akten gelesen, zeigen eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht auf. Zu der Frage, wie die einzelnen Mitglieder eines Spruchkörpers die erforderliche Kenntnis des Streitstoffs erlangen, enthalten weder das Verfahrens- noch das Verfassungsrecht nähere Vorgaben. Die Entscheidung, ob der Spruchkörper sich mit Blick auf die Arbeitsteilung im Kollegium darauf beschränkt, durch den Berichterstatter über den maßgeblichen Sach- und Streitstand informiert zu werden, oder die Vollständigkeit und Richtigkeit des Vortrags dadurch sichert und verstärkt, dass ein weiteres, mehrere oder alle Mitglieder des Spruchkörpers sich den Streitstoff aus den Akten selbst erarbeiten, ist ihm überlassen. Dabei ist es jedem Richter in Ausübung seiner Unabhängigkeit und persönlichen Verantwortung jederzeit unbenommen, sich selbst unmittelbar aus den Akten kundig zu machen, wenn er dies für seine Überzeugungsbildung für erforderlich hält und nicht allein auf den Vortrag des Berichterstatters zurückgreifen möchte (vgl. u. 2 BvR 625/12, NJW 2012, 2334, 2336 Tz. 25; siehe auch schon , NJW 1987, 2219, 2220; , NStZ 1994, 353f.).

6Eine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts auf den gesetzlichen Richter kann mit der Anhörungsrüge nach § 356a StPO nicht geltend gemacht werden (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 585/11 mwN; noch offen gelassen von ). Allerdings lag die vom Verurteilten behauptete Verletzung von Art. 101 Abs.1 Satz 2 GG ohnehin nicht vor: Der Senatsvorsitzende war bei der Beratung und Beschlussfassung urlaubsbedingt verhindert und ist von dem ohnehin der betreffenden Spruchgruppe angehörenden Stellvertretenden Vorsitzenden unter Hinzuziehung des nach der internen Geschäftsverteilung zur weiteren Vertretung berufenen Senatsmitglieds vertreten worden.

Becker                       Fischer                       Appl

               Berger                        Krehl

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
DAAAE-35210