„Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2012”
Rückstellungsbewertung und Herstellungskosten in den EStÄR 2012
Zangengeburt ist wohl eine passende Umschreibung des Entstehens der EStÄR 2012. Der Quertreiber kann an zwei jetzt – am 20. 3. 2013 – verabschiedeten Änderungen im Bereich der Bilanzierung festgemacht werden:
Begrenzung des (steuerlichen) Wertansatzes für Rückstellungen auf den Handelsbilanzwert (R 6.11 Abs. 3 EStR),
Definition des Umfangs der Herstellungskosten für die Bewertung von Erzeugnissen (R 6.3 Abs. 1 EStR).
Die erstgenannte Änderung war Mitte letzten Jahres durch die OFD Münster und OFD Rheinland initiiert worden. Der sachliche Hintergrund ist bei den durch das BilMoG geänderten Bewertungsvorgaben für langfristige Sachleistungsverpflichtungen in § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB zu suchen. Die dort normierte Abzinsungsverpflichtung kann häufig zu niedrigeren Werten als nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG führen. Vor „BilMoG” war das mangels eines handelsrechtlichen Abzinsungsgebots kaum denkbar. Die beiden OFD verfügten eine Art profiskalische Meistbegünstigung: Der Handelsbilanzwert „deckelt” einen höheren Steuerwert; umgekehrt soll die handelsrechtliche Bewertung ohne Bedeutung für die Steuerbilanz sein – was aus dem Eingangssatz des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG „höchstens” auch unmittelbar ablesbar ist. Für die erstgenannte Variante musste das noch nicht abgeschaffte Maßgeblichkeitsprinzip als Argument herhalten – ganz im Gegensatz zu vielen Literaturstimmen, die ein neues Maßgeblichkeitsverständnis propagieren, das eher bei Bedarf als nach System „maßgeblich” sein soll.
Die EStÄR sind nun den beiden OFD gefolgt. Dabei war sich die Verwaltung zunächst intern beim ersten Versuch zur Richtlinienänderung gar nicht grün, weshalb im Dezember 2012 die planmäßige Verabschiedung nicht erfolgen konnte. Jetzt aber, am , war es dann soweit; die Bilanzierungsvorgabe der beiden OFD gilt nun für die Verwaltung flächendeckend. Für Rückstellungen, die vor dem (BilMoG-Übergang) gebildet wurden und nach jetziger Rechtslage steuerlich zu hoch angesiedelt sind, gilt eine Übergangsregel: Der jetzt überhöhte Betrag (genannt „Gewinn”) kann mit 14/15 in eine (steuerliche) Rücklage eingestellt werden und ist jährlich mindestens mit 1/15 aufzulösen.
Einen veritablen Eiertanz führt die Verwaltung bei der Neufassung von R 6.3 EStR zur Bestimmung der in die Herstellungskosten einzubeziehenden Kostenelemente auf. Nun müssen bzw. sollen die allgemeinen Verwaltungskosten, bestimmte Sozialkosten und die Aufwendungen für betriebliche Altersversorgung pflichtmäßig erfasst werden. Handelsrechtlich besteht hierzu ein Wahlrecht, vergleichbar den Fremdkapitalzinsen. Für letztere soll das steuerliche Wahlrecht erhalten bleiben. Ein Grund für diese Differenzierung ist nicht ersichtlich. Für die Verwaltungskosten rudert die Verwaltung aber gleich wieder zurück: Ein BMF-Schreiben ist angekündigt, wonach die (neue) Richtlinienbestimmung (Einbeziehungspflicht) vorerst nicht angewandt werden soll. Es bleibt einstweilen bei der Regelung in R 6.3 Abs. 4 EStR 2008 mit dem dortigen Wahlrecht.
Wolf-Dieter Hoffmann
Fundstelle(n):
NWB 2013 Seite 969
NWB KAAAE-32659