BFH Beschluss v. - II E 19/12

Einwendungen gegen die Vollstreckung einer Gerichtskostenforderung aus einer nichtigen Entscheidung des BFH

Gesetze: FGO § 62 Abs. 4, GG Art. 19 Abs. 1 Satz 2, JBeitrO § 1 Abs. 1 Nr. 4, JBeitrO § 2 Abs. 2, JBeitrO § 8 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Beschluss vom II B 153/08 die Beschwerden der Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Kostenschuldner) gegen die Beschlüsse des , 2 K 33/04, 2 K 140/05 und 2 KO 10/08 wegen fehlender Statthaftigkeit und Nichtbeachtung des beim BFH gemäß § 62 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bestehenden Vertretungszwanges als unzulässig verworfen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens den Kostenschuldnern auferlegt.

2 Mit Kostenrechnung vom setzte die Kostenstelle des BFH von den Kostenschuldnern zu entrichtende Gerichtskosten von 200 € an und gab die Kostenrechnung dem nach Beschwerdeeinlegung bestellten Prozessbevollmächtigten der Kostenschuldner, Steuerberater ., bekannt.

3 Da die Kostenschuldner die Gerichtskosten nicht entrichteten, betreibt das gemäß § 2 Abs. 2 der Justizbeitreibungsordnung (JBeitrO) i.d.F. des Art. 4 Abs. 13 Nr. 2 des Gesetzes vom (BGBl I 2006, 3171) i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 JBeitrO i.d.F. des Art. 119 Nr. 1 Buchst. b des Gesetzes vom (BGBl I 1974, 469) für die Vollstreckung der beim BFH entstandenen Gerichtskosten zuständige Bundesamt für Justiz (Erinnerungsgegner) die Zwangsvollstreckung. Das Bundesamt erteilte den Gerichtsvollziehern beim Amtsgericht . einen entsprechenden Vollstreckungsauftrag.

4 Dagegen wenden sich die Kostenschuldner mit dem an den BFH gerichteten Schriftsatz vom . Sie sind der Ansicht, die Kostenfestsetzung im sei ebenso nichtig wie die JBeitrO. Der Schriftsatz ist von einem „Richter i.R.” als Bevollmächtigten unterzeichnet.

5 Die Kostenschuldner beantragen, den Obergerichtsvollzieher . unverzüglich anzuweisen, die Vollstreckung der „nichtigen Kostenforderung” ersatzlos einzustellen.

6 II. Der Schriftsatz vom ist als Erinnerung auszulegen. Die Erinnerung hat keinen Erfolg.

7 1. Da sich die Kostenschuldner gegen die Vollstreckung mit der Begründung wenden, die Kostenentscheidung im sei nichtig, und nicht lediglich die Art und Weise der Vollstreckung rügen, sondern die Einstellung der Vollstreckung begehren, ist der Schriftsatz vom gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 JBeitrO i.d.F. des Art. 119 Nr. 4 des Gesetzes vom (BGBl I 1974, 469) als Erinnerung auszulegen (BFH-Beschlüsse vom VII K 1/03, BFH/NV 2003, 811; vom VII E 1/05, BFH/NV 2005, 1597; vom VII E 2/05, VII E 3/05, BFH/NV 2005, 1598, und vom IX E 11/07, BFH/NV 2008, 800).

8 2. Der Zulässigkeit der Erinnerung steht nicht entgegen, dass die Kostenschuldner nicht durch einen beim BFH gemäß § 62 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten werden. Für die Einlegung der Erinnerung besteht nämlich beim BFH kein Vertretungszwang (BFH-Beschlüsse vom X E 3/12, BFH/NV 2012, 1618, und vom X E 4/12, BFH/NV 2012, 1622). Eine Erinnerung kann zudem unbefristet eingelegt werden.

9 3. Die Kostenrechnung und die Zwangsvollstreckung sind nicht zu beanstanden. Die Kostenrechnung entspricht dem Grunde und der Höhe nach den gesetzlichen Bestimmungen. Die Zwangsvollstreckung stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung und keinen Rechtsmissbrauch dar. Sie beruht auf der im getroffenen Kosten-entscheidung. Dieser Beschluss ist entgegen der Ansicht der Kostenschuldner nicht nichtig, sondern zutreffend und wirksam.

10 Wirksam sind auch die der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Vorschriften der JBeitrO. Davon geht der BFH in ständiger Rechtsprechung aus (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 811; in BFH/NV 2005, 1597; in BFH/NV 2005, 1598, und in BFH/NV 2008, 800). Die JBeitrO wurde durch den Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland weitgehend neu gefasst und dadurch in seinen Willen aufgenommen.

11 Das von den Kostenschuldnern angeführte Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) betrifft nur Gesetze, durch die Grundrechte aufgrund eines speziellen, vom GG vorgesehenen Vorbehalts über die im Grundrecht selbst angelegten Grenzen hinaus eingeschränkt werden, nicht aber andersartige grundrechtsrelevante Regelungen, die der Gesetzgeber in Ausführung der ihm obliegenden, im Grundrecht vorgesehenen Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenziehungen vornimmt (, BVerfGE 64, 72, unter C.I.1., m.w.N.). Als Formvorschrift bedarf Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG einer engen Auslegung. Sie betrifft nur zielgerichtete und unmittelbare Eingriffe in Grundrechte ( u.a., Neue Juristische Wochenschrift 1999, 3399, unter B.II.1.a).

12 Die Vorschriften der JBeitrO unterfallen schon aus diesen Gründen nicht dem Zitiergebot. Sie konkretisieren lediglich die in den Grundrechten selbst angelegten Grenzen und sind nicht auf die Einschränkung von Grundrechten aufgrund eines speziellen, im GG vorgesehenen Vorbehalts gerichtet. Es handelt sich nicht um zielgerichtete und unmittelbare Eingriffe in Grundrechte. Ob die Vorschriften auch aus anderen Gründen nicht unter das Zitiergebot fallen, kann danach auf sich beruhen.

13 4. Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei (§ 66 Abs. 8 des Gerichtskostengesetzes).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 586 Nr. 4
JAAAE-30620