Instanzenzug:
Tatbestand
1 Der Kläger verlangt von der Beklagten zu 1 (künftig: Beklagte) und dem Beklagten zu 2, gegen den das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, als Gesamtschuldner Schadensersatz wegen einer Kapitalanlage.
2 Nach Eingang der Klage hat der Vorsitzende der mit der Sache befassten Zivilkammer des Landgerichts in Zusammenhang mit der Zustellung nach § 183 ZPO durch Beschluss vom angeordnet, dass der Beklagten im Hinblick auf das angeordnete schriftliche Vorverfahren eine Notfrist von zwei Wochen zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft gesetzt werde und dass sie innerhalb von vier Wochen gemäß § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO einen im Inland ansässigen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen habe. Auf die anderenfalls eintretenden rechtlichen Folgen der Zustellung von Schriftstücken durch Aufgabe zur Post im Inland unter der Anschrift der Beklagten hat der Vorsitzende hingewiesen. Diese Verfügung und die Klageschrift sind der Beklagten am nach Maßgabe des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom (BGBl. 1977 II S. 1452, 1453; im Folgenden HZÜ) zugestellt worden. Nach dem Ablauf der Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft hat die zuständige Zivilkammer des Landgerichts am die Beklagte durch Teil-Versäumnisurteil antragsgemäß verurteilt. Das Urteil ist nach dem Vermerk des damit beauftragten Justizwachtmeisters am unter der Anschrift der Beklagten zur Post aufgegeben worden. Am hat die Kammer des Landgerichts das Teil-Versäumnisurteil durch Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzt. Eine Ausfertigung des Versäumnisurteils nebst Ergänzung ist wiederum nach dem Vermerk des beauftragten Justizwachtmeisters am unter der Anschrift der Beklagten zur Post aufgegeben worden. Auf Antrag des Klägers ist das Versäumnisurteil der Beklagten nach Festsetzung einer Einspruchsfrist von vier Wochen förmlich nach Maßgabe des HZÜ am zugestellt worden. Am hat die Beklagte Einspruch dagegen eingelegt. Mit Urteil vom hat das Landgericht den Einspruch als unzulässig verworfen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte, das Berufungsurteil und das aufzuheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
I.
3 Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Landgericht habe den Einspruch gegen das Versäumnisurteil zu Recht gemäß § 341 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil er nicht fristgemäß eingelegt worden sei.
4 Bei der Zustellung des Versäumnisurteils handle es sich nicht um eine Auslandszustellung, so dass kein Verstoß gegen Art. 25 GG vorliege. Die Frage, wann eine Zustellung im Ausland erforderlich und wann eine Inlandszustellung an eine ausländische Partei zulässig sei, regle sich nach den Prozessordnungen der jeweiligen Beitrittsländer zum HZÜ. Nach dem maßgeblichen deutschen Recht werde die Zustellung nach § 184 ZPO im Inland bewirkt. Der hoheitliche Akt sei mit der Übergabe an die Post beendet, sodass damit eine Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse im Ausland nicht verbunden sei. Der Widerspruch der Türkei gegen Art. 10 HZÜ sei unbeachtlich, weil sich diese Regelung nicht auf die Wirksamkeit der Zustellung nach deutschem Zivilprozessrecht auswirke. Die Beklagte könne auch keine Rechtsfolge aus Art. 15 Abs. 1 HZÜ herleiten; diese Schutzvorschrift beziehe sich auf die Zustellung von Schriftsätzen, die das Verfahren eröffneten, und nicht auf weitere Zustellungen im Laufe des Verfahrens. Die Regelungen des HZÜ seine insofern lückenhaft, als es nicht bestimme, unter welchen Umständen eine Auslandszustellung zu erfolgen habe, und wann eine Inlandszustellung an eine im Ausland befindliche Person stattfinden dürfe. Soweit die völkerrechtlichen Bestimmungen Raum für anderweitige Regelungen durch nationale Gerichte ließen, werde nicht gegen das Völkerrecht verstoßen, wenn der Gesetzgeber hiervon Gebrauch mache und diese Lücken mit entsprechenden Vorschriften fülle.
5 Durch die gemäß § 184 ZPO erfolgte Zustellung sei die Beklagte nicht in ihren elementaren Rechten verletzt oder unverhältnismäßig eingeschränkt. Zum Schutz des Betroffenen sehe § 184 ZPO die gerichtliche Anordnung vor, dass ein Zustellungsbevollmächtigter zu benennen sei; daneben trete die Belehrung über die Folge der Unterlassung. Diese Anordnung des Gerichts sei gemäß § 183 ZPO zuzustellen. Insgesamt seien damit die Voraussetzungen für ein faires Verfahren gewahrt. Die Beklagte habe nach Zustellung der verfahrenseröffnenden Schriftsätze gemäß § 183 ZPO nachvollziehen können, worum es gehe und welche Folgen ihr drohten. Sie hätte eine rechtzeitige Kenntnisnahme der beschwerenden Entscheidungen und Rechtsbehelfsmöglichkeiten sicherstellen können. Da sie sich darum nicht gekümmert habe, lägen die negativen Folgen in ihrem Verantwortungsbereich. Im Rahmen des § 184 ZPO genüge die Anordnung des Vorsitzenden. Im Hinblick auf die nicht hinnehmbare Zeitverzögerung durch die Zustellung gemäß § 183 ZPO an die Beklagte im Ausland, sei die Anordnung nicht ermessensfehlerhaft getroffen worden. Aus dem Aktenvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ergebe sich, dass das Urteil mit dem Ergänzungsbeschluss am unter der Anschrift der Beklagten zur Post gegeben worden sei. Es gelte zwei Wochen später, also am , als zugegangen. Der Einspruch sei aber erst am beim Landgericht eingegangen. Nach der lediglich zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erfolgten Zustellung sei der Beklagten nicht erneut eine Verteidigungsmöglichkeit einzuräumen.
II.
6 Die Revision hat Erfolg. Sie rügt mit Recht, dass die Zustellung des Versäumnisurteils an die Beklagte durch Aufgabe zur Post am durch die in den Akten niedergelegten Vermerke nicht nachgewiesen ist.
7 1.
Allerdings ist die Regelung des § 184 Abs. 1 Satz 2 ZPO, die eine Zustellung durch Aufgabe zur Post unter der Anschrift des außerhalb des Bundesgebiets und außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten ("Zustellung von Schriftstücken") und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 (ABl. 2007 L 327, S. 79; im Folgenden: EuZVO) ansässigen Zustellungsadressaten erlaubt, im Streitfall weder durch völkerrechtliche Vereinbarungen ausgeschlossen noch verletzt sie Verfahrensgrundrechte der Beklagten oder verstößt gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK. Rechtlich ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Zustellung des Versäumnisurteils im Inland durch Aufgabe zur Post für wirksam erachtet hat, obwohl der Vorsitzende und nicht der Spruchkörper der zuständigen Zivilkammer die Anordnung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, getroffen hat. Zu den rechtlichen Bedenken der Revision hat sich der erkennende Senat zwischenzeitlich in mehreren Urteilen gegen die Beklagte umfassend geäußert (vgl. Urteile vom - VI ZR 241/11, WM 2012, 1499; vom - VI ZR 227/11 und - VI ZR 239/11 sowie vom - VI ZR 222/11, - VI ZR 226/11 und - VI ZR 288/11). Insoweit wird auf die entsprechenden Ausführungen in den jeweiligen Urteilsgründen (so - VI ZR 226/11, [...] Rn. 14 bis 27 und - VI ZR 288/11, [...] Rn. 18 bis 27, vom - VI ZR 223/11 und - VI ZR 230/11) zur Vermeidung gleichlautender Wiederholungen Bezug genommen.
8 2.
Nach den Umständen des Streitfalls ist jedoch die für den Eintritt der Zustellungsfiktion erforderliche Aufgabe zur Post unter der Anschrift der Beklagten aufgrund der Vermerke des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom und des Wachtmeisters vom nicht nachgewiesen, weil die Urkundsbeamtin den Vermerk des Wachtmeisters, dass die von der Geschäftsstelle erhaltene Briefsendung beim Postamt aufgegeben worden ist, nicht durch ihre Unterschrift beurkundet hat. Der Urkundsbeamte muss das Schriftstück zwar nicht selbst zur Post aufgeben; es reicht aus, wenn er aufgrund einer Erklärung des Justizwachtmeisters oder eines sonstigen Gehilfen, der das Schriftstück zur Post aufgegeben hat, das Datum der Aufgabe und die Anschrift des Empfängers des Schriftstücks beurkundet (vgl. , BGHZ 8, 314, 315; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 184 Rn. 47; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 184 Rn. 18). Jedoch muss der Urkundsbeamte den Vermerk unterzeichnen, auch wenn dieser - ebenso wie die Zustellungsurkunde - keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Zustellung ist, sondern lediglich deren Nachweis dient (vgl. , [...] Rn. 54; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 184 Rn. 45; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 184 Rn. 17; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 184 Rn. 9). Nur der vom Urkundsbeamten unterzeichnete Vermerk ersetzt die Zustellungsurkunde gemäß § 182 ZPO (vgl. , VersR 2003, 345).
9 3.
Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall die Tatsache der Aufgabe zur Post, an welche die Zustellungsfiktion geknüpft ist, nicht bewiesen. Der Justizwachtmeister kann bei der Ausstellung des Aktenvermerks, dass er die bezeichnete Briefsendung von der Geschäftsstelle erhalten und beim Postamt hier aufgegeben hat, nicht als Urkundsbeamter tätig gewesen sein. Er ist nur Hilfsperson und nicht Urkundsperson (vgl. , BGHZ 8, 314, 317). Allerdings kann der Urkundsbeamte auf der Grundlage der aktenmäßigen Niederlegung des Gangs der Zustellung den Beurkundungsvermerk jederzeit nachholen, womit die Zustellung nachgewiesen wäre. Er darf den Vermerk auch nachträglich anfertigen, sofern er dabei die Verantwortung für die Richtigkeit übernimmt. Unerheblich ist, ob zwischenzeitlich ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, dessen Erfolg durch den Vermerk berührt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom - III ZB 23/82, VersR 1983, 60; vom - II ZB 20/99, VersR 2001, 1050; MünchKomm-ZPO/Häublein, 3. Aufl., § 184 Rn. 14; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 184 Rn. 49; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 184 Rn. 18; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 184 Rn. 12). Auch der Ablauf einer Fünf-Monatsfrist setzt der Nachholung keine zeitliche Grenze (vgl. zu Unterschriftsnachholung des Richters , NJW 2006, 1861 Rn. 14). Der Fall der Anfertigung eines Vermerks, für dessen Inhalt sich der Urkundsbeamte auf aktenmäßig niedergelegte tatsächliche Umstände stützt, ist nicht vergleichbar mit dem durch die richterliche Unterschrift gedeckten Inhalt von Urteilsgründen. Jedenfalls lässt die Anordnung der förmlichen Zustellung die Wirkung einer zuvor erfolgten wirksamen Zustellung gemäß § 184 Abs. 2 ZPO unberührt; sie würde die Einspruchsfrist nicht nochmals in Lauf setzen (vgl. Senat, Urteile vom - VI ZR 241/11, WM 2012, 1499 Rn. 31; vom - VI ZR 227/11 [...] Rn. 31 und - VI ZR 239/11 [...] Rn. 30 sowie vom - VI ZR 222/11 [...] Rn. 23, - VI ZR 226/11 [...] Rn. 30 und - VI ZR 288/11 [...] Rn. 31; BGH, Beschlüsse vom - IX ZB 147/01, NJW-RR 2006, 563, 564; vom - NotZ 35/06, [...] Rn. 7; Urteil vom - XII ZR 27/09, NJW 2011, 522 Rn. 20; , NJW-RR 2011, 1631, 1632; I-8 U 3/11, [...] Rn. 40 und - 8 U 31/11, NJW-RR 2012, 62, 64).
III.
10 Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur Klärung der Frage, ob das Urteil der Beklagten wirksam durch Aufgabe zur Post zugestellt worden ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstelle(n):
FAAAE-20680